Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebrauche der Klystiere, Brechmittel, säuerlichter
harntreibender Getränke und des oft eingeathmeten Es-
sigdampfes.

In den Lazarethfiebern beobachtete Pringle, daß
das starke Blutlassen ungemein schädlich war; es
schwächte den Puls und griff den Kopf an. Selbst
mäßiges Blutlassen hat oft geschadet; sogar Blutigel
hatten nachtheilige Folgen, wenn der Kranke mit ei-
nem gesunkenen Pulse irre war. Viele, sagt er, er-
holten sich, ohne daß ihnen Blut gelassen wurde,
aber wenige, die viel Blut verlohren hatten.

Aus einer unzähligen Menge von Beyspielen
wähle ich nur noch eines, welches aber von mehreren
Seiten höchst lehrreich ist:

Im Jahr 1785 im Monat July verfiel Carl
Mayerhofer
, ein sonst starker, gesunder vierzigjäh-
riger Mann, in ein gallichtes Faulfieber, nachdem er
einige Zeit ein sehr feuchtes Zimmer unter der Erde
bewohnt hatte, und schon über zwey Monate von ei-
nem unordentlichen Wechselfieber stark hergenommen
war. Dieses war der erste Kranke, den ich eigen-
mächtig behandelte: Freylich für die damalige Lage eine
schwere Probe! Wir hatten den Kopf voll von verbor-
genen Entzündungen, und der Scharfsinn und das
Unterscheidungsvermögen meines unsterblichen Lehrers
fehlten mir, und allen meinen Freunden, die ich mit
zu Rathe zog. Der Mann klagte über Beängstigung,
Spannen und Schwere auf der Brust. -- Eine heim-
liche Lungenentzündung! Es wurde zur Ader gelassen;
und es erfolgte Erleichterung; aber nach einigen Stun-

den

Gebrauche der Klyſtiere, Brechmittel, ſaͤuerlichter
harntreibender Getraͤnke und des oft eingeathmeten Eſ-
ſigdampfes.

In den Lazarethfiebern beobachtete Pringle, daß
das ſtarke Blutlaſſen ungemein ſchaͤdlich war; es
ſchwaͤchte den Puls und griff den Kopf an. Selbſt
maͤßiges Blutlaſſen hat oft geſchadet; ſogar Blutigel
hatten nachtheilige Folgen, wenn der Kranke mit ei-
nem geſunkenen Pulſe irre war. Viele, ſagt er, er-
holten ſich, ohne daß ihnen Blut gelaſſen wurde,
aber wenige, die viel Blut verlohren hatten.

Aus einer unzaͤhligen Menge von Beyſpielen
waͤhle ich nur noch eines, welches aber von mehreren
Seiten hoͤchſt lehrreich iſt:

Im Jahr 1785 im Monat July verfiel Carl
Mayerhofer
, ein ſonſt ſtarker, geſunder vierzigjaͤh-
riger Mann, in ein gallichtes Faulfieber, nachdem er
einige Zeit ein ſehr feuchtes Zimmer unter der Erde
bewohnt hatte, und ſchon uͤber zwey Monate von ei-
nem unordentlichen Wechſelfieber ſtark hergenommen
war. Dieſes war der erſte Kranke, den ich eigen-
maͤchtig behandelte: Freylich fuͤr die damalige Lage eine
ſchwere Probe! Wir hatten den Kopf voll von verbor-
genen Entzuͤndungen, und der Scharfſinn und das
Unterſcheidungsvermoͤgen meines unſterblichen Lehrers
fehlten mir, und allen meinen Freunden, die ich mit
zu Rathe zog. Der Mann klagte uͤber Beaͤngſtigung,
Spannen und Schwere auf der Bruſt. — Eine heim-
liche Lungenentzuͤndung! Es wurde zur Ader gelaſſen;
und es erfolgte Erleichterung; aber nach einigen Stun-

den
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0405" n="386"/>
Gebrauche der Kly&#x017F;tiere, Brechmittel, &#x017F;a&#x0364;uerlichter<lb/>
harntreibender Getra&#x0364;nke und des oft eingeathmeten E&#x017F;-<lb/>
&#x017F;igdampfes.</p><lb/>
              <p>In den Lazarethfiebern beobachtete <hi rendition="#fr">Pringle</hi>, daß<lb/>
das &#x017F;tarke Blutla&#x017F;&#x017F;en ungemein &#x017F;cha&#x0364;dlich war; es<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;chte den Puls und griff den Kopf an. Selb&#x017F;t<lb/>
ma&#x0364;ßiges Blutla&#x017F;&#x017F;en hat oft ge&#x017F;chadet; &#x017F;ogar Blutigel<lb/>
hatten nachtheilige Folgen, wenn der Kranke mit ei-<lb/>
nem ge&#x017F;unkenen Pul&#x017F;e irre war. Viele, &#x017F;agt er, er-<lb/>
holten &#x017F;ich, ohne daß ihnen Blut gela&#x017F;&#x017F;en wurde,<lb/>
aber wenige, die viel Blut verlohren hatten.</p><lb/>
              <p>Aus einer unza&#x0364;hligen Menge von Bey&#x017F;pielen<lb/>
wa&#x0364;hle ich nur noch eines, welches aber von mehreren<lb/>
Seiten ho&#x0364;ch&#x017F;t lehrreich i&#x017F;t:</p><lb/>
              <p>Im Jahr 1785 im Monat July verfiel <hi rendition="#fr">Carl<lb/>
Mayerhofer</hi>, ein &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;tarker, ge&#x017F;under vierzigja&#x0364;h-<lb/>
riger Mann, in ein gallichtes Faulfieber, nachdem er<lb/>
einige Zeit ein &#x017F;ehr feuchtes Zimmer unter der Erde<lb/>
bewohnt hatte, und &#x017F;chon u&#x0364;ber zwey Monate von ei-<lb/>
nem unordentlichen Wech&#x017F;elfieber &#x017F;tark hergenommen<lb/>
war. Die&#x017F;es war der er&#x017F;te Kranke, den ich eigen-<lb/>
ma&#x0364;chtig behandelte: Freylich fu&#x0364;r die damalige Lage eine<lb/>
&#x017F;chwere Probe! Wir hatten den Kopf voll von verbor-<lb/>
genen Entzu&#x0364;ndungen, und der Scharf&#x017F;inn und das<lb/>
Unter&#x017F;cheidungsvermo&#x0364;gen meines un&#x017F;terblichen Lehrers<lb/>
fehlten mir, und allen meinen Freunden, die ich mit<lb/>
zu Rathe zog. Der Mann klagte u&#x0364;ber Bea&#x0364;ng&#x017F;tigung,<lb/>
Spannen und Schwere auf der Bru&#x017F;t. &#x2014; Eine heim-<lb/>
liche Lungenentzu&#x0364;ndung! Es wurde zur Ader gela&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
und es erfolgte Erleichterung; aber nach einigen Stun-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[386/0405] Gebrauche der Klyſtiere, Brechmittel, ſaͤuerlichter harntreibender Getraͤnke und des oft eingeathmeten Eſ- ſigdampfes. In den Lazarethfiebern beobachtete Pringle, daß das ſtarke Blutlaſſen ungemein ſchaͤdlich war; es ſchwaͤchte den Puls und griff den Kopf an. Selbſt maͤßiges Blutlaſſen hat oft geſchadet; ſogar Blutigel hatten nachtheilige Folgen, wenn der Kranke mit ei- nem geſunkenen Pulſe irre war. Viele, ſagt er, er- holten ſich, ohne daß ihnen Blut gelaſſen wurde, aber wenige, die viel Blut verlohren hatten. Aus einer unzaͤhligen Menge von Beyſpielen waͤhle ich nur noch eines, welches aber von mehreren Seiten hoͤchſt lehrreich iſt: Im Jahr 1785 im Monat July verfiel Carl Mayerhofer, ein ſonſt ſtarker, geſunder vierzigjaͤh- riger Mann, in ein gallichtes Faulfieber, nachdem er einige Zeit ein ſehr feuchtes Zimmer unter der Erde bewohnt hatte, und ſchon uͤber zwey Monate von ei- nem unordentlichen Wechſelfieber ſtark hergenommen war. Dieſes war der erſte Kranke, den ich eigen- maͤchtig behandelte: Freylich fuͤr die damalige Lage eine ſchwere Probe! Wir hatten den Kopf voll von verbor- genen Entzuͤndungen, und der Scharfſinn und das Unterſcheidungsvermoͤgen meines unſterblichen Lehrers fehlten mir, und allen meinen Freunden, die ich mit zu Rathe zog. Der Mann klagte uͤber Beaͤngſtigung, Spannen und Schwere auf der Bruſt. — Eine heim- liche Lungenentzuͤndung! Es wurde zur Ader gelaſſen; und es erfolgte Erleichterung; aber nach einigen Stun- den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/405
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/405>, abgerufen am 21.11.2024.