Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

können eine größere Anlage zu Krankheiten, und ei-
ne geringere Heilkraft unmöglich mehr bezweifelt wer-
den. Wo Frank von der Armuth des Landmanns
spricht*), sagt er: "Die Kinder solcher Elenden sind
wässerichte Geschöpfe mit geschwollenen Bäuchen und
verstopften Eingeweiden; ihre Sterblichkeit ist daher
überaus groß. Schon in ihrem zartesten Alter müs-
sen sie durch schwere Arbeiten eine kümmerliche Nah-
rung verdienen helfen, und die Kräfte, so das
Wachsthum ihres Körpers befördern sollten, ver-
schwizen. Daher sieht man auf den mehrsten Dör-
fern, besonders in Weinländern, wo der meiste Dün-
ger auf menschlichen Rücken muß auf hohe Berge
getragen, und die Erde in einer kriechenden Stellung
stets aufgekratzt werden, den grösten Theil der Ju-
gend verwachsen und übel gebildet; denn Schön-
heit verträgt sich nicht mit der äußersten Armuth und
mit erstickenden Arbeiten. Man sehe die Zugthiere,
so vor ihrer Reife zu schweren Arbeiten angehalten
werden, so wird man das Ebenbild der vor ihrer Zei-
tigung zu allen Gattungen von Geschäften gezwunge-
nen Jugend haben. Größe und Stärke gehen unter
der Last des Elendes verlohren, und die vollkommen-
ste Race der Thiere artet darunter aus. -- -- Bey
allen Seuchen ist der arme allezeit der erste, welcher
angegriffen wird." Betrachten wir ferner alle die
Hinderniße, so wir der Entwicklung entgegen stellen;
die eingeschränkte körperliche Erziehung, das frühzei-
tige Anhalten zu Geistesarbeiten, wodurch Leib und

Seele
*) A. a. O. 1 Thl. S. [unleserliches Material - Zeichen fehlt].

koͤnnen eine groͤßere Anlage zu Krankheiten, und ei-
ne geringere Heilkraft unmoͤglich mehr bezweifelt wer-
den. Wo Frank von der Armuth des Landmanns
ſpricht*), ſagt er: “Die Kinder ſolcher Elenden ſind
waͤſſerichte Geſchoͤpfe mit geſchwollenen Baͤuchen und
verſtopften Eingeweiden; ihre Sterblichkeit iſt daher
uͤberaus groß. Schon in ihrem zarteſten Alter muͤſ-
ſen ſie durch ſchwere Arbeiten eine kuͤmmerliche Nah-
rung verdienen helfen, und die Kraͤfte, ſo das
Wachsthum ihres Koͤrpers befoͤrdern ſollten, ver-
ſchwizen. Daher ſieht man auf den mehrſten Doͤr-
fern, beſonders in Weinlaͤndern, wo der meiſte Duͤn-
ger auf menſchlichen Ruͤcken muß auf hohe Berge
getragen, und die Erde in einer kriechenden Stellung
ſtets aufgekratzt werden, den groͤſten Theil der Ju-
gend verwachſen und uͤbel gebildet; denn Schoͤn-
heit vertraͤgt ſich nicht mit der aͤußerſten Armuth und
mit erſtickenden Arbeiten. Man ſehe die Zugthiere,
ſo vor ihrer Reife zu ſchweren Arbeiten angehalten
werden, ſo wird man das Ebenbild der vor ihrer Zei-
tigung zu allen Gattungen von Geſchaͤften gezwunge-
nen Jugend haben. Groͤße und Staͤrke gehen unter
der Laſt des Elendes verlohren, und die vollkommen-
ſte Race der Thiere artet darunter aus. — — Bey
allen Seuchen iſt der arme allezeit der erſte, welcher
angegriffen wird.„ Betrachten wir ferner alle die
Hinderniße, ſo wir der Entwicklung entgegen ſtellen;
die eingeſchraͤnkte koͤrperliche Erziehung, das fruͤhzei-
tige Anhalten zu Geiſtesarbeiten, wodurch Leib und

Seele
*) A. a. O. 1 Thl. S. [unleserliches Material – Zeichen fehlt].
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0367" n="348"/>
ko&#x0364;nnen eine gro&#x0364;ßere Anlage zu Krankheiten, und ei-<lb/>
ne geringere Heilkraft unmo&#x0364;glich mehr bezweifelt wer-<lb/>
den. Wo <hi rendition="#fr">Frank</hi> von der Armuth des Landmanns<lb/>
&#x017F;pricht<note place="foot" n="*)">A. a. O. 1 Thl. S. <gap reason="illegible" unit="chars"/>.</note>, &#x017F;agt er: &#x201C;Die Kinder &#x017F;olcher Elenden &#x017F;ind<lb/>
wa&#x0364;&#x017F;&#x017F;erichte Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe mit ge&#x017F;chwollenen Ba&#x0364;uchen und<lb/>
ver&#x017F;topften Eingeweiden; ihre Sterblichkeit i&#x017F;t daher<lb/>
u&#x0364;beraus groß. Schon in ihrem zarte&#x017F;ten Alter mu&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en &#x017F;ie durch &#x017F;chwere Arbeiten eine ku&#x0364;mmerliche Nah-<lb/>
rung verdienen helfen, und die Kra&#x0364;fte, &#x017F;o das<lb/>
Wachsthum ihres Ko&#x0364;rpers befo&#x0364;rdern &#x017F;ollten, ver-<lb/>
&#x017F;chwizen. Daher &#x017F;ieht man auf den mehr&#x017F;ten Do&#x0364;r-<lb/>
fern, be&#x017F;onders in Weinla&#x0364;ndern, wo der mei&#x017F;te Du&#x0364;n-<lb/>
ger auf men&#x017F;chlichen Ru&#x0364;cken muß auf hohe Berge<lb/>
getragen, und die Erde in einer kriechenden Stellung<lb/>
&#x017F;tets aufgekratzt werden, den gro&#x0364;&#x017F;ten Theil der Ju-<lb/>
gend verwach&#x017F;en und u&#x0364;bel gebildet; denn Scho&#x0364;n-<lb/>
heit vertra&#x0364;gt &#x017F;ich nicht mit der a&#x0364;ußer&#x017F;ten Armuth und<lb/>
mit er&#x017F;tickenden Arbeiten. Man &#x017F;ehe die Zugthiere,<lb/>
&#x017F;o vor ihrer Reife zu &#x017F;chweren Arbeiten angehalten<lb/>
werden, &#x017F;o wird man das Ebenbild der vor ihrer Zei-<lb/>
tigung zu allen Gattungen von Ge&#x017F;cha&#x0364;ften gezwunge-<lb/>
nen Jugend haben. Gro&#x0364;ße und Sta&#x0364;rke gehen unter<lb/>
der La&#x017F;t des Elendes verlohren, und die vollkommen-<lb/>
&#x017F;te Race der Thiere artet darunter aus. &#x2014; &#x2014; Bey<lb/>
allen Seuchen i&#x017F;t der arme allezeit der er&#x017F;te, welcher<lb/>
angegriffen wird.&#x201E; Betrachten wir ferner alle die<lb/>
Hinderniße, &#x017F;o wir der Entwicklung entgegen &#x017F;tellen;<lb/>
die einge&#x017F;chra&#x0364;nkte ko&#x0364;rperliche Erziehung, das fru&#x0364;hzei-<lb/>
tige Anhalten zu Gei&#x017F;tesarbeiten, wodurch Leib und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Seele</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[348/0367] koͤnnen eine groͤßere Anlage zu Krankheiten, und ei- ne geringere Heilkraft unmoͤglich mehr bezweifelt wer- den. Wo Frank von der Armuth des Landmanns ſpricht *), ſagt er: “Die Kinder ſolcher Elenden ſind waͤſſerichte Geſchoͤpfe mit geſchwollenen Baͤuchen und verſtopften Eingeweiden; ihre Sterblichkeit iſt daher uͤberaus groß. Schon in ihrem zarteſten Alter muͤſ- ſen ſie durch ſchwere Arbeiten eine kuͤmmerliche Nah- rung verdienen helfen, und die Kraͤfte, ſo das Wachsthum ihres Koͤrpers befoͤrdern ſollten, ver- ſchwizen. Daher ſieht man auf den mehrſten Doͤr- fern, beſonders in Weinlaͤndern, wo der meiſte Duͤn- ger auf menſchlichen Ruͤcken muß auf hohe Berge getragen, und die Erde in einer kriechenden Stellung ſtets aufgekratzt werden, den groͤſten Theil der Ju- gend verwachſen und uͤbel gebildet; denn Schoͤn- heit vertraͤgt ſich nicht mit der aͤußerſten Armuth und mit erſtickenden Arbeiten. Man ſehe die Zugthiere, ſo vor ihrer Reife zu ſchweren Arbeiten angehalten werden, ſo wird man das Ebenbild der vor ihrer Zei- tigung zu allen Gattungen von Geſchaͤften gezwunge- nen Jugend haben. Groͤße und Staͤrke gehen unter der Laſt des Elendes verlohren, und die vollkommen- ſte Race der Thiere artet darunter aus. — — Bey allen Seuchen iſt der arme allezeit der erſte, welcher angegriffen wird.„ Betrachten wir ferner alle die Hinderniße, ſo wir der Entwicklung entgegen ſtellen; die eingeſchraͤnkte koͤrperliche Erziehung, das fruͤhzei- tige Anhalten zu Geiſtesarbeiten, wodurch Leib und Seele *) A. a. O. 1 Thl. S. _ .

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/367
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/367>, abgerufen am 18.12.2024.