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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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übrige Leibesbeschaffenheit zu schliesen war. Diesen
brachte er mit der Dreyfaltigkeitsblume (Jacea viola tri-
color
) in häufigen Fluß. Kaum war der Kopf rein,
so wurde aus dem nachlassenden Fieber wieder ein or-
dentliches Wechselfieber, welches ebenfalls bald auf-
hörte; ein häufiger, dünner, heller Harn machte der
Wassersucht ein Ende.

Drey Schwestern, Kinder einer äusserst em-
pfindsamen Mutter und eines durch Sitzen und Kopf-
arbeiten geschwächten Vaters, erkrankten zu der näm-
lichen Zeit auf folgende Art: Die jüngste von acht-
zehn Monaten sollte anfänglich ohne Brust erzogen
werden; allein sie fiel bald so von Fleisch und Kräf-
ten, daß man ihr eine Amme geben muste. Seitdem
nahm sie sehr zu, wurde mittelmäßig stark, be-
kam ein ziemlich festes Fleisch, rothe Backen, und
die Zähne ohne sonderliche Beschwerden. Den vier-
ten Hornung 1790. wurde sie gähling von einer gros-
sen Hitze befallen, der Puls schlug stark und oft; die
Wangen waren heiß, und wurden, wie die übrigen
Gliedmassen, augenblicklich bald blaß und kalt, bald
roth und glühend; die Haut war trocken, die Zunge
weis, der Athem brennend, geschwind und schnau-
bend; der Harn gieng selten und wenig ab, aber brenn-
te; der Leib verstopft; Abscheu vor allen Eßwaaren
und grosse Mattigkeit. Nach einigen Stunden tra-
ten Zukungen der Gesichtsmuskeln, der Hände und
der Arme hinzu. Die Nacht war der Durst heftig
und das Kind trank sehr viel theils bloßes Wasser,
theils andere versüßte Getränke. Ich hatte erweichen-

de

uͤbrige Leibesbeſchaffenheit zu ſchlieſen war. Dieſen
brachte er mit der Dreyfaltigkeitsblume (Jacea viola tri-
color
) in haͤufigen Fluß. Kaum war der Kopf rein,
ſo wurde aus dem nachlaſſenden Fieber wieder ein or-
dentliches Wechſelfieber, welches ebenfalls bald auf-
hoͤrte; ein haͤufiger, duͤnner, heller Harn machte der
Waſſerſucht ein Ende.

Drey Schweſtern, Kinder einer aͤuſſerſt em-
pfindſamen Mutter und eines durch Sitzen und Kopf-
arbeiten geſchwaͤchten Vaters, erkrankten zu der naͤm-
lichen Zeit auf folgende Art: Die juͤngſte von acht-
zehn Monaten ſollte anfaͤnglich ohne Bruſt erzogen
werden; allein ſie fiel bald ſo von Fleiſch und Kraͤf-
ten, daß man ihr eine Amme geben muſte. Seitdem
nahm ſie ſehr zu, wurde mittelmaͤßig ſtark, be-
kam ein ziemlich feſtes Fleiſch, rothe Backen, und
die Zaͤhne ohne ſonderliche Beſchwerden. Den vier-
ten Hornung 1790. wurde ſie gaͤhling von einer groſ-
ſen Hitze befallen, der Puls ſchlug ſtark und oft; die
Wangen waren heiß, und wurden, wie die uͤbrigen
Gliedmaſſen, augenblicklich bald blaß und kalt, bald
roth und gluͤhend; die Haut war trocken, die Zunge
weis, der Athem brennend, geſchwind und ſchnau-
bend; der Harn gieng ſelten und wenig ab, aber brenn-
te; der Leib verſtopft; Abſcheu vor allen Eßwaaren
und groſſe Mattigkeit. Nach einigen Stunden tra-
ten Zukungen der Geſichtsmuskeln, der Haͤnde und
der Arme hinzu. Die Nacht war der Durſt heftig
und das Kind trank ſehr viel theils bloßes Waſſer,
theils andere verſuͤßte Getraͤnke. Ich hatte erweichen-

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[320/0339] uͤbrige Leibesbeſchaffenheit zu ſchlieſen war. Dieſen brachte er mit der Dreyfaltigkeitsblume (Jacea viola tri- color) in haͤufigen Fluß. Kaum war der Kopf rein, ſo wurde aus dem nachlaſſenden Fieber wieder ein or- dentliches Wechſelfieber, welches ebenfalls bald auf- hoͤrte; ein haͤufiger, duͤnner, heller Harn machte der Waſſerſucht ein Ende. Drey Schweſtern, Kinder einer aͤuſſerſt em- pfindſamen Mutter und eines durch Sitzen und Kopf- arbeiten geſchwaͤchten Vaters, erkrankten zu der naͤm- lichen Zeit auf folgende Art: Die juͤngſte von acht- zehn Monaten ſollte anfaͤnglich ohne Bruſt erzogen werden; allein ſie fiel bald ſo von Fleiſch und Kraͤf- ten, daß man ihr eine Amme geben muſte. Seitdem nahm ſie ſehr zu, wurde mittelmaͤßig ſtark, be- kam ein ziemlich feſtes Fleiſch, rothe Backen, und die Zaͤhne ohne ſonderliche Beſchwerden. Den vier- ten Hornung 1790. wurde ſie gaͤhling von einer groſ- ſen Hitze befallen, der Puls ſchlug ſtark und oft; die Wangen waren heiß, und wurden, wie die uͤbrigen Gliedmaſſen, augenblicklich bald blaß und kalt, bald roth und gluͤhend; die Haut war trocken, die Zunge weis, der Athem brennend, geſchwind und ſchnau- bend; der Harn gieng ſelten und wenig ab, aber brenn- te; der Leib verſtopft; Abſcheu vor allen Eßwaaren und groſſe Mattigkeit. Nach einigen Stunden tra- ten Zukungen der Geſichtsmuskeln, der Haͤnde und der Arme hinzu. Die Nacht war der Durſt heftig und das Kind trank ſehr viel theils bloßes Waſſer, theils andere verſuͤßte Getraͤnke. Ich hatte erweichen- de

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/339>, abgerufen am 21.05.2024.