Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

derjenigen, wo die Natur auf eine oder die andere
Weise nichts zu Vermögen scheint, ausgeschlossen. --
Allein, wer ist uns Bürge, daß dieses die Grenzen
der Natur sind? -- Wer kennt so jede geheime Trieb-
feder, jeden verborgenen Gang der Lebenskräfte, wo-
durch sie die Erhaltung der thierischen Haushaltung
zu bewirken streben? -- Wer kann mit Zuversicht
sagen: Hier liegt die Natur in Ohnmacht; -- Hier
wird sie die Maschine gewaltsam zerstöhren?

Die Schriftsteller sind noch immer bemüht,
eine grosse Menge von Zeichen aufzustellen, wodurch
wir das Unvermögen der Natur erkennen sollen. Nebst
den oben benannten Zufällen, deren Gegenwart schon
allermeist den Verfall der Natur anzeigen, will ich
hier die gewöhnlichsten Erscheinungen, welche in fieber-
haften Krankheiten einen üblen Ausgang drohen, an-
führen.

Daher gehören: Ein dummer, eingenommener
schwerer Kopf, als wenn er mit Bley ausgefüllt wä-
re; heftige Kopfschmerzen; Schwindel; Ohrenbrau-
sen; Taubheit; Verrückung des Verstandes; Verlust
des Gedächtnisses, so daß man den vertrautesten
Freund nicht mehr kennt; heftige oder stille Verwir-
rung des Hauptes; Irreseyn, welches mit dem Fieber
in keinem Verhältniß steht, besonders wenn es noch hef-
tig bleibt oder zunimmt, wo der Puls und die Kräfte
schwächer werden; rasendes Irreseyn; Irreseyn, wobey
der Kranke Dinge verabscheut, die zu seiner Erhaltung
nöthig sind; Irreseyn mit Springen der Sennen,
mit konvulsivischen Bewegungen in den Händen, den

Augen,
S 2

derjenigen, wo die Natur auf eine oder die andere
Weiſe nichts zu Vermoͤgen ſcheint, ausgeſchloſſen. —
Allein, wer iſt uns Buͤrge, daß dieſes die Grenzen
der Natur ſind? — Wer kennt ſo jede geheime Trieb-
feder, jeden verborgenen Gang der Lebenskraͤfte, wo-
durch ſie die Erhaltung der thieriſchen Haushaltung
zu bewirken ſtreben? — Wer kann mit Zuverſicht
ſagen: Hier liegt die Natur in Ohnmacht; — Hier
wird ſie die Maſchine gewaltſam zerſtoͤhren?

Die Schriftſteller ſind noch immer bemuͤht,
eine groſſe Menge von Zeichen aufzuſtellen, wodurch
wir das Unvermoͤgen der Natur erkennen ſollen. Nebſt
den oben benannten Zufaͤllen, deren Gegenwart ſchon
allermeiſt den Verfall der Natur anzeigen, will ich
hier die gewoͤhnlichſten Erſcheinungen, welche in fieber-
haften Krankheiten einen uͤblen Ausgang drohen, an-
fuͤhren.

Daher gehoͤren: Ein dummer, eingenommener
ſchwerer Kopf, als wenn er mit Bley ausgefuͤllt waͤ-
re; heftige Kopfſchmerzen; Schwindel; Ohrenbrau-
ſen; Taubheit; Verruͤckung des Verſtandes; Verluſt
des Gedaͤchtniſſes, ſo daß man den vertrauteſten
Freund nicht mehr kennt; heftige oder ſtille Verwir-
rung des Hauptes; Irreſeyn, welches mit dem Fieber
in keinem Verhaͤltniß ſteht, beſonders wenn es noch hef-
tig bleibt oder zunimmt, wo der Puls und die Kraͤfte
ſchwaͤcher werden; raſendes Irreſeyn; Irreſeyn, wobey
der Kranke Dinge verabſcheut, die zu ſeiner Erhaltung
noͤthig ſind; Irreſeyn mit Springen der Sennen,
mit konvulſiviſchen Bewegungen in den Haͤnden, den

Augen,
S 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0294" n="275"/>
derjenigen, wo die Natur auf eine oder die andere<lb/>
Wei&#x017F;e nichts zu Vermo&#x0364;gen &#x017F;cheint, ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Allein, wer i&#x017F;t uns Bu&#x0364;rge, daß die&#x017F;es die Grenzen<lb/>
der Natur &#x017F;ind? &#x2014; Wer kennt &#x017F;o jede geheime Trieb-<lb/>
feder, jeden verborgenen Gang der Lebenskra&#x0364;fte, wo-<lb/>
durch &#x017F;ie die Erhaltung der thieri&#x017F;chen Haushaltung<lb/>
zu bewirken &#x017F;treben? &#x2014; Wer kann mit Zuver&#x017F;icht<lb/>
&#x017F;agen: Hier liegt die Natur in Ohnmacht; &#x2014; Hier<lb/>
wird &#x017F;ie die Ma&#x017F;chine gewalt&#x017F;am zer&#x017F;to&#x0364;hren?</p><lb/>
            <p>Die Schrift&#x017F;teller &#x017F;ind noch immer bemu&#x0364;ht,<lb/>
eine gro&#x017F;&#x017F;e Menge von Zeichen aufzu&#x017F;tellen, wodurch<lb/>
wir das Unvermo&#x0364;gen der Natur erkennen &#x017F;ollen. Neb&#x017F;t<lb/>
den oben benannten Zufa&#x0364;llen, deren Gegenwart &#x017F;chon<lb/>
allermei&#x017F;t den Verfall der Natur anzeigen, will ich<lb/>
hier die gewo&#x0364;hnlich&#x017F;ten Er&#x017F;cheinungen, welche in fieber-<lb/>
haften Krankheiten einen u&#x0364;blen Ausgang drohen, an-<lb/>
fu&#x0364;hren.</p><lb/>
            <p>Daher geho&#x0364;ren: Ein dummer, eingenommener<lb/>
&#x017F;chwerer Kopf, als wenn er mit Bley ausgefu&#x0364;llt wa&#x0364;-<lb/>
re; heftige Kopf&#x017F;chmerzen; Schwindel; Ohrenbrau-<lb/>
&#x017F;en; Taubheit; Verru&#x0364;ckung des Ver&#x017F;tandes; Verlu&#x017F;t<lb/>
des Geda&#x0364;chtni&#x017F;&#x017F;es, &#x017F;o daß man den vertraute&#x017F;ten<lb/>
Freund nicht mehr kennt; heftige oder &#x017F;tille Verwir-<lb/>
rung des Hauptes; Irre&#x017F;eyn, welches mit dem Fieber<lb/>
in keinem Verha&#x0364;ltniß &#x017F;teht, be&#x017F;onders wenn es noch hef-<lb/>
tig bleibt oder zunimmt, wo der Puls und die Kra&#x0364;fte<lb/>
&#x017F;chwa&#x0364;cher werden; ra&#x017F;endes Irre&#x017F;eyn; Irre&#x017F;eyn, wobey<lb/>
der Kranke Dinge verab&#x017F;cheut, die zu &#x017F;einer Erhaltung<lb/>
no&#x0364;thig &#x017F;ind; Irre&#x017F;eyn mit Springen der Sennen,<lb/>
mit konvul&#x017F;ivi&#x017F;chen Bewegungen in den Ha&#x0364;nden, den<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">S 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Augen,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[275/0294] derjenigen, wo die Natur auf eine oder die andere Weiſe nichts zu Vermoͤgen ſcheint, ausgeſchloſſen. — Allein, wer iſt uns Buͤrge, daß dieſes die Grenzen der Natur ſind? — Wer kennt ſo jede geheime Trieb- feder, jeden verborgenen Gang der Lebenskraͤfte, wo- durch ſie die Erhaltung der thieriſchen Haushaltung zu bewirken ſtreben? — Wer kann mit Zuverſicht ſagen: Hier liegt die Natur in Ohnmacht; — Hier wird ſie die Maſchine gewaltſam zerſtoͤhren? Die Schriftſteller ſind noch immer bemuͤht, eine groſſe Menge von Zeichen aufzuſtellen, wodurch wir das Unvermoͤgen der Natur erkennen ſollen. Nebſt den oben benannten Zufaͤllen, deren Gegenwart ſchon allermeiſt den Verfall der Natur anzeigen, will ich hier die gewoͤhnlichſten Erſcheinungen, welche in fieber- haften Krankheiten einen uͤblen Ausgang drohen, an- fuͤhren. Daher gehoͤren: Ein dummer, eingenommener ſchwerer Kopf, als wenn er mit Bley ausgefuͤllt waͤ- re; heftige Kopfſchmerzen; Schwindel; Ohrenbrau- ſen; Taubheit; Verruͤckung des Verſtandes; Verluſt des Gedaͤchtniſſes, ſo daß man den vertrauteſten Freund nicht mehr kennt; heftige oder ſtille Verwir- rung des Hauptes; Irreſeyn, welches mit dem Fieber in keinem Verhaͤltniß ſteht, beſonders wenn es noch hef- tig bleibt oder zunimmt, wo der Puls und die Kraͤfte ſchwaͤcher werden; raſendes Irreſeyn; Irreſeyn, wobey der Kranke Dinge verabſcheut, die zu ſeiner Erhaltung noͤthig ſind; Irreſeyn mit Springen der Sennen, mit konvulſiviſchen Bewegungen in den Haͤnden, den Augen, S 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/294
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/294>, abgerufen am 22.11.2024.