Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

mäß, gehörig zu lenken wissen. Denn der Arzt, der
seine Bestrebungen auf den Geist allein richtet, weiß
die gegebenen Vorschriften nicht zu rechter Zeit anzu-
wenden, und sieht auch nicht ein, wieviel das schwa-
che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel-
cher auf den Körper allein Rücksicht nimmt, weiß
den Geist nicht so vorzubereiten, daß die auf den
Körper gerichtete Kur alsdann glücklich von statten
gehen kann."*)



Was ist nun also die Natur des Menschen?
-- Und was ist der Grund ihrer Thätigkeit?

Nicht die Seele; nicht der Bau der festen,
oder die Mischung der flüssigen Theile, weder ihre
wechselseitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht
die Kraft der Elemente, des elektrischen oder des
magnetischen Stroms, der Licht und Feuermaterie,
u. s. w. nicht Verwandtschaft, Einsaugung, Ausdün-
stung, Verdickung, Verdünnung, Fäulniß, Gäh-
rung, Haargefäße, Reizbarkeit; nicht belebter Or-
ganismus oder sonst ein einziges Etwas; nicht einmal
der Inbegriff seiner wesentlichen Leibes und Gemüths-
kräfte:


Son-
*) Um sich von dieser Wahrheit ganz zu überzeugen, und
über die Folgen dieser Verbindung zu belehren, lese man
Hippocrates de aere aquis et locis. -- Die vortreffliche Ab-
handlung des Galenns: quod animi mores corporis tempe-
ramenta sequantur. -- Mede[c]i[n]e de l'esprit
von Le
Camus &c. &c. &c.

maͤß, gehoͤrig zu lenken wiſſen. Denn der Arzt, der
ſeine Beſtrebungen auf den Geiſt allein richtet, weiß
die gegebenen Vorſchriften nicht zu rechter Zeit anzu-
wenden, und ſieht auch nicht ein, wieviel das ſchwa-
che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel-
cher auf den Koͤrper allein Ruͤckſicht nimmt, weiß
den Geiſt nicht ſo vorzubereiten, daß die auf den
Koͤrper gerichtete Kur alsdann gluͤcklich von ſtatten
gehen kann.„*)



Was iſt nun alſo die Natur des Menſchen?
— Und was iſt der Grund ihrer Thaͤtigkeit?

Nicht die Seele; nicht der Bau der feſten,
oder die Miſchung der fluͤſſigen Theile, weder ihre
wechſelſeitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht
die Kraft der Elemente, des elektriſchen oder des
magnetiſchen Stroms, der Licht und Feuermaterie,
u. ſ. w. nicht Verwandtſchaft, Einſaugung, Ausduͤn-
ſtung, Verdickung, Verduͤnnung, Faͤulniß, Gaͤh-
rung, Haargefaͤße, Reizbarkeit; nicht belebter Or-
ganismus oder ſonſt ein einziges Etwas; nicht einmal
der Inbegriff ſeiner weſentlichen Leibes und Gemuͤths-
kraͤfte:


Son-
*) Um ſich von dieſer Wahrheit ganz zu uͤberzeugen, und
uͤber die Folgen dieſer Verbindung zu belehren, leſe man
Hippocrates de aere aquis et locis. — Die vortreffliche Ab-
handlung des Galenns: quod animi mores corporis tempe-
ramenta ſequantur. — Mede[c]i[n]e de l’eſprit
von Le
Camus &c. &c. &c.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0222" n="203"/>
ma&#x0364;ß, geho&#x0364;rig zu lenken wi&#x017F;&#x017F;en. Denn der Arzt, der<lb/>
&#x017F;eine Be&#x017F;trebungen auf den Gei&#x017F;t allein richtet, weiß<lb/>
die gegebenen Vor&#x017F;chriften nicht zu rechter Zeit anzu-<lb/>
wenden, und &#x017F;ieht auch nicht ein, wieviel das &#x017F;chwa-<lb/>
che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel-<lb/>
cher auf den Ko&#x0364;rper allein Ru&#x0364;ck&#x017F;icht nimmt, weiß<lb/>
den Gei&#x017F;t nicht &#x017F;o vorzubereiten, daß die auf den<lb/>
Ko&#x0364;rper gerichtete Kur alsdann glu&#x0364;cklich von &#x017F;tatten<lb/>
gehen kann.&#x201E;<note place="foot" n="*)">Um &#x017F;ich von die&#x017F;er Wahrheit ganz zu u&#x0364;berzeugen, und<lb/>
u&#x0364;ber die Folgen die&#x017F;er Verbindung zu belehren, le&#x017F;e man<lb/><hi rendition="#aq">Hippocrates de aere aquis et locis.</hi> &#x2014; Die vortreffliche Ab-<lb/>
handlung des Galenns: <hi rendition="#aq">quod animi mores corporis tempe-<lb/>
ramenta &#x017F;equantur. &#x2014; Mede<supplied>c</supplied>i<supplied>n</supplied>e de l&#x2019;e&#x017F;prit</hi> von Le<lb/>
Camus <hi rendition="#aq">&amp;c. &amp;c. &amp;c.</hi></note></p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
              <p>Was i&#x017F;t nun al&#x017F;o die Natur des Men&#x017F;chen?<lb/>
&#x2014; Und was i&#x017F;t der Grund ihrer Tha&#x0364;tigkeit?</p><lb/>
              <p>Nicht die Seele; nicht der Bau der fe&#x017F;ten,<lb/>
oder die Mi&#x017F;chung der flu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Theile, weder ihre<lb/>
wech&#x017F;el&#x017F;eitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht<lb/>
die Kraft der Elemente, des elektri&#x017F;chen oder des<lb/>
magneti&#x017F;chen Stroms, der Licht und Feuermaterie,<lb/>
u. &#x017F;. w. nicht Verwandt&#x017F;chaft, Ein&#x017F;augung, Ausdu&#x0364;n-<lb/>
&#x017F;tung, Verdickung, Verdu&#x0364;nnung, Fa&#x0364;ulniß, Ga&#x0364;h-<lb/>
rung, Haargefa&#x0364;ße, Reizbarkeit; nicht belebter Or-<lb/>
ganismus oder &#x017F;on&#x017F;t ein einziges Etwas; nicht einmal<lb/>
der Inbegriff &#x017F;einer we&#x017F;entlichen Leibes und Gemu&#x0364;ths-<lb/>
kra&#x0364;fte:</p><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Son-</fw><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[203/0222] maͤß, gehoͤrig zu lenken wiſſen. Denn der Arzt, der ſeine Beſtrebungen auf den Geiſt allein richtet, weiß die gegebenen Vorſchriften nicht zu rechter Zeit anzu- wenden, und ſieht auch nicht ein, wieviel das ſchwa- che Gehirn auszuhalten vermag. Und derjenige, wel- cher auf den Koͤrper allein Ruͤckſicht nimmt, weiß den Geiſt nicht ſo vorzubereiten, daß die auf den Koͤrper gerichtete Kur alsdann gluͤcklich von ſtatten gehen kann.„ *) Was iſt nun alſo die Natur des Menſchen? — Und was iſt der Grund ihrer Thaͤtigkeit? Nicht die Seele; nicht der Bau der feſten, oder die Miſchung der fluͤſſigen Theile, weder ihre wechſelſeitige Einwirkung; nicht die Entwicklung; nicht die Kraft der Elemente, des elektriſchen oder des magnetiſchen Stroms, der Licht und Feuermaterie, u. ſ. w. nicht Verwandtſchaft, Einſaugung, Ausduͤn- ſtung, Verdickung, Verduͤnnung, Faͤulniß, Gaͤh- rung, Haargefaͤße, Reizbarkeit; nicht belebter Or- ganismus oder ſonſt ein einziges Etwas; nicht einmal der Inbegriff ſeiner weſentlichen Leibes und Gemuͤths- kraͤfte: Son- *) Um ſich von dieſer Wahrheit ganz zu uͤberzeugen, und uͤber die Folgen dieſer Verbindung zu belehren, leſe man Hippocrates de aere aquis et locis. — Die vortreffliche Ab- handlung des Galenns: quod animi mores corporis tempe- ramenta ſequantur. — Medecine de l’eſprit von Le Camus &c. &c. &c.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der erste Band von Franz Joseph Galls "Philosophi… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/222
Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/222>, abgerufen am 04.05.2024.