Stärke, die Schwäche der Empfindung Einfluß. Die Empfindungen richten sich nach der jedesmaligen Be- schaffenheit der Organe. Die Stärke der Wirkung des Gegenstandes, verbunden mit der Beschaffenheit des Mediums, welches diese Wirkung durchlaufen muß, verstärkt oder schwächt, verdunkelt oder klärt die Empfindung auf.
Erscheinungen hangen oft blos von der Orga- nisation ab, z. B. von einem Fehler im Sehnerve u. s. w. Verrückung hängt von verdorbener Organisa- tion des Gehirns oder mit ihm übereinstimmender Thei- le ab; zum wenigsten ist die erste Quelle immer in der Organisation zu suchen, obschon sie auch durch andere Gemüthsaffekten durch Verderbung der Organisation erzeugt werden kann. Leichtigkeit des Gehirns, Zu- fluß von zu vielem Blute nach dem Gehirn, Reitz der Nerven durch Würmer oder sonst scharfe Theile, Schärfe und Vereiterungen des Gehirns, fremde Kör- per im Gehirn, Unordnungen des Unterleibes u. s. w. sind die gewöhnlichen Ursachen. Die Einfältigen, die in der Manie scharfsinnig denken, die Ungeübten, die in der Raserey Verse machen, verrichten dieß einzig und allein dadurch, daß die inneren Organe in hefti- gerer Bewegung sind, als bey gesundem Zustande. In den gewöhnlichen Verrichtungen ist die Seele bloß Zuschauerin des Organenspiels; sie hat alle einzelne Ideen, und die Folge einzelner Ideen, nicht weil sie sie haben will, sondern weil die Bewegung der Orga- ne sie sie zu haben zwingt. Ob es Verrückungen giebt, in welchen die Seele einige Herrschaft über die Orga-
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Staͤrke, die Schwaͤche der Empfindung Einfluß. Die Empfindungen richten ſich nach der jedesmaligen Be- ſchaffenheit der Organe. Die Staͤrke der Wirkung des Gegenſtandes, verbunden mit der Beſchaffenheit des Mediums, welches dieſe Wirkung durchlaufen muß, verſtaͤrkt oder ſchwaͤcht, verdunkelt oder klaͤrt die Empfindung auf.
Erſcheinungen hangen oft blos von der Orga- niſation ab, z. B. von einem Fehler im Sehnerve u. ſ. w. Verruͤckung haͤngt von verdorbener Organiſa- tion des Gehirns oder mit ihm uͤbereinſtimmender Thei- le ab; zum wenigſten iſt die erſte Quelle immer in der Organiſation zu ſuchen, obſchon ſie auch durch andere Gemuͤthsaffekten durch Verderbung der Organiſation erzeugt werden kann. Leichtigkeit des Gehirns, Zu- fluß von zu vielem Blute nach dem Gehirn, Reitz der Nerven durch Wuͤrmer oder ſonſt ſcharfe Theile, Schaͤrfe und Vereiterungen des Gehirns, fremde Koͤr- per im Gehirn, Unordnungen des Unterleibes u. ſ. w. ſind die gewoͤhnlichen Urſachen. Die Einfaͤltigen, die in der Manie ſcharfſinnig denken, die Ungeuͤbten, die in der Raſerey Verſe machen, verrichten dieß einzig und allein dadurch, daß die inneren Organe in hefti- gerer Bewegung ſind, als bey geſundem Zuſtande. In den gewoͤhnlichen Verrichtungen iſt die Seele bloß Zuſchauerin des Organenſpiels; ſie hat alle einzelne Ideen, und die Folge einzelner Ideen, nicht weil ſie ſie haben will, ſondern weil die Bewegung der Orga- ne ſie ſie zu haben zwingt. Ob es Verruͤckungen giebt, in welchen die Seele einige Herrſchaft uͤber die Orga-
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Staͤrke, die Schwaͤche der Empfindung Einfluß. Die
Empfindungen richten ſich nach der jedesmaligen Be-
ſchaffenheit der Organe. Die Staͤrke der Wirkung
des Gegenſtandes, verbunden mit der Beſchaffenheit
des Mediums, welches dieſe Wirkung durchlaufen
muß, verſtaͤrkt oder ſchwaͤcht, verdunkelt oder klaͤrt
die Empfindung auf.
Erſcheinungen hangen oft blos von der Orga-
niſation ab, z. B. von einem Fehler im Sehnerve u.
ſ. w. Verruͤckung haͤngt von verdorbener Organiſa-
tion des Gehirns oder mit ihm uͤbereinſtimmender Thei-
le ab; zum wenigſten iſt die erſte Quelle immer in der
Organiſation zu ſuchen, obſchon ſie auch durch andere
Gemuͤthsaffekten durch Verderbung der Organiſation
erzeugt werden kann. Leichtigkeit des Gehirns, Zu-
fluß von zu vielem Blute nach dem Gehirn, Reitz der
Nerven durch Wuͤrmer oder ſonſt ſcharfe Theile,
Schaͤrfe und Vereiterungen des Gehirns, fremde Koͤr-
per im Gehirn, Unordnungen des Unterleibes u. ſ. w.
ſind die gewoͤhnlichen Urſachen. Die Einfaͤltigen, die
in der Manie ſcharfſinnig denken, die Ungeuͤbten, die
in der Raſerey Verſe machen, verrichten dieß einzig
und allein dadurch, daß die inneren Organe in hefti-
gerer Bewegung ſind, als bey geſundem Zuſtande.
In den gewoͤhnlichen Verrichtungen iſt die Seele bloß
Zuſchauerin des Organenſpiels; ſie hat alle einzelne
Ideen, und die Folge einzelner Ideen, nicht weil ſie
ſie haben will, ſondern weil die Bewegung der Orga-
ne ſie ſie zu haben zwingt. Ob es Verruͤckungen giebt,
in welchen die Seele einige Herrſchaft uͤber die Orga-
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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/205>, abgerufen am 21.11.2024.
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