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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Eine gewisse Gabe Belladona, ein wenig zu
viel Wein, ein verdorbener Magen, in dem Unter-
leibe zurückgehaltene oder unordentlich bewegte Aus-
würfe, machen aus dem verständigsten Mann den
ausschweifendsten Thoren, aus dem Weltweisen einen
Zögling des Tollhauses, und aus dem sanften einen
Wütterich. -- Haben wir unsern Körper durch starke
Arbeiten ermüdet, so sinkt auch die Seele in Unthätig-
keit, und der schärfste Witz wird stumpf. Haben wir
ihn durch lange Zeit nicht mit Nahrung gestärkt: so
sehen wir Erscheinungen, oder werden aus Hunger
rasend; haben wir unser Blut durch Wachen, oder
zu starke Bewegung überhitzt, so nimmt uns ein fie-
berhafter Wahnwitz allen Verstand. -- Ohne Orga-
nisation, ohne Sinneswerkzeuge hört die Seele nicht,
sieht nicht, riecht nicht, u. s. w. Ein wenig zu viel
Blut abgezapft nimmt alles Bewustseyn; ein paar
Tropfen ausgetrettene Feuchtigkeit im Gehirne, eini-
ge Gran Mohnsaft machen eine unüberwindliche Schlaf-

sucht
Corpus, & obtusis ceciderunt viribus artus
Claudicat ingenium, delirat linquaque, mensque,
Omnia deficiunt, atque uno temporc desunt.
Quin etiam morbis in corporis avius errat
Saepe animus, dementit enim, deliraque fatus,
Ergo
-- -- -- Das Gemälde ist allermeist richtig, aber
die Folgerung in den folgenden Versen ist übereilt.
dissolvi quoque convenit omnem animai
Naturam, ceu fumus in altas aeris auras:
Quandoquidem gigni pariter, pariterque videmus
Crescere, & (ut docui) fimul aevo fessa fatiscit.

Lucretius de rerum natura lib. III.
v. 446. & seqq.

Eine gewiſſe Gabe Belladona, ein wenig zu
viel Wein, ein verdorbener Magen, in dem Unter-
leibe zuruͤckgehaltene oder unordentlich bewegte Aus-
wuͤrfe, machen aus dem verſtaͤndigſten Mann den
ausſchweifendſten Thoren, aus dem Weltweiſen einen
Zoͤgling des Tollhauſes, und aus dem ſanften einen
Wuͤtterich. — Haben wir unſern Koͤrper durch ſtarke
Arbeiten ermuͤdet, ſo ſinkt auch die Seele in Unthaͤtig-
keit, und der ſchaͤrfſte Witz wird ſtumpf. Haben wir
ihn durch lange Zeit nicht mit Nahrung geſtaͤrkt: ſo
ſehen wir Erſcheinungen, oder werden aus Hunger
raſend; haben wir unſer Blut durch Wachen, oder
zu ſtarke Bewegung uͤberhitzt, ſo nimmt uns ein fie-
berhafter Wahnwitz allen Verſtand. — Ohne Orga-
niſation, ohne Sinneswerkzeuge hoͤrt die Seele nicht,
ſieht nicht, riecht nicht, u. ſ. w. Ein wenig zu viel
Blut abgezapft nimmt alles Bewuſtſeyn; ein paar
Tropfen ausgetrettene Feuchtigkeit im Gehirne, eini-
ge Gran Mohnſaft machen eine unuͤberwindliche Schlaf-

ſucht
Corpus, & obtuſis ceciderunt viribus artus
Claudicat ingenium, delirat linquaque, mensque,
Omnia deficiunt, atque uno temporc deſunt.
Quin etiam morbis in corporis avius errat
Sæpe animus, dementit enim, deliraque fatus,
Ergo
— — — Das Gemaͤlde iſt allermeiſt richtig, aber
die Folgerung in den folgenden Verſen iſt uͤbereilt.
diſſolvi quoque convenit omnem animai
Naturam, ceu fumus in altas aeris auras:
Quandoquidem gigni pariter, pariterque videmus
Creſcere, & (ut docui) fimul ævo feſſa fatiſcit.

Lucretius de rerum natura lib. III.
v. 446. & ſeqq.
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[184/0203] Eine gewiſſe Gabe Belladona, ein wenig zu viel Wein, ein verdorbener Magen, in dem Unter- leibe zuruͤckgehaltene oder unordentlich bewegte Aus- wuͤrfe, machen aus dem verſtaͤndigſten Mann den ausſchweifendſten Thoren, aus dem Weltweiſen einen Zoͤgling des Tollhauſes, und aus dem ſanften einen Wuͤtterich. — Haben wir unſern Koͤrper durch ſtarke Arbeiten ermuͤdet, ſo ſinkt auch die Seele in Unthaͤtig- keit, und der ſchaͤrfſte Witz wird ſtumpf. Haben wir ihn durch lange Zeit nicht mit Nahrung geſtaͤrkt: ſo ſehen wir Erſcheinungen, oder werden aus Hunger raſend; haben wir unſer Blut durch Wachen, oder zu ſtarke Bewegung uͤberhitzt, ſo nimmt uns ein fie- berhafter Wahnwitz allen Verſtand. — Ohne Orga- niſation, ohne Sinneswerkzeuge hoͤrt die Seele nicht, ſieht nicht, riecht nicht, u. ſ. w. Ein wenig zu viel Blut abgezapft nimmt alles Bewuſtſeyn; ein paar Tropfen ausgetrettene Feuchtigkeit im Gehirne, eini- ge Gran Mohnſaft machen eine unuͤberwindliche Schlaf- ſucht *) *) Corpus, & obtuſis ceciderunt viribus artus Claudicat ingenium, delirat linquaque, mensque, Omnia deficiunt, atque uno temporc deſunt. Quin etiam morbis in corporis avius errat Sæpe animus, dementit enim, deliraque fatus, Ergo — — — Das Gemaͤlde iſt allermeiſt richtig, aber die Folgerung in den folgenden Verſen iſt uͤbereilt. diſſolvi quoque convenit omnem animai Naturam, ceu fumus in altas aeris auras: Quandoquidem gigni pariter, pariterque videmus Creſcere, & (ut docui) fimul ævo feſſa fatiſcit. Lucretius de rerum natura lib. III. v. 446. & ſeqq.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/203>, abgerufen am 21.11.2024.