man nur in Rücksicht der Vergleichung des Gehirns mit seinen Nerven sagen könne: der Mensch habe das größte Gehirn. So wie aber die Verstandeskräfte abnehmen, und nach Mannigfaltigkeit der Umstände in verschiedenen Menschen abnehmen mußten, so nimmt auch das Verhältniß des Gehirns gegen die Nerven- maaße ab. Er führt den Pater Charlevoix an, nach welchem die Negern von Guinea sehr beschränkte Geisteskräfte haben; viele unter ihnen schienen voll- kommen dumm, es gäbe, die nicht über drey zäh- len könnten, von selbst dächten sie nichts, hätten kein Gedächtniß, und das Vergangene seye ihnen eben so unbekannt als das Zukünftige, sie seyen sehr verschwie- gen u. s. w. Paw sagt: "Als die Europäer in West- indien im fünfzehnten Jahrhunderte ankamen, so war daselbst nicht ein Amerikaner, der schreiben oder lesen konnte; und noch in unsern Tagen findet man nicht einen denkenden Amerikaner. (Wir haben in Wien an Herrn Angelo eine Ausnahme) -- -- -- Der Verstand ist nicht allen Völkern unseres festen Landes gleich verliehen worden: die unter der heißen Zone verbrannten Neger, und die unter dem Polarzirkel ge- frornen Lappländer haben keine philosophische Abhand- lungen geschrieben, und werden auch keine niemals schreiben; aber man hat auf der ganzen neuen Welt, Trotz der großen Verschiedenheit der Himmelsgegenden keinen Menschen von einer Fähigkeit gefunden, womit er den andern übertroffen hätte. -- -- Es sind fast dreyhundert Jahre verflossen, daß Amerika entdeckt worden ist; man hat seit dieser Zeit nicht unterlassen,
Ame-
man nur in Ruͤckſicht der Vergleichung des Gehirns mit ſeinen Nerven ſagen koͤnne: der Menſch habe das groͤßte Gehirn. So wie aber die Verſtandeskraͤfte abnehmen, und nach Mannigfaltigkeit der Umſtaͤnde in verſchiedenen Menſchen abnehmen mußten, ſo nimmt auch das Verhaͤltniß des Gehirns gegen die Nerven- maaße ab. Er fuͤhrt den Pater Charlevoix an, nach welchem die Negern von Guinea ſehr beſchraͤnkte Geiſteskraͤfte haben; viele unter ihnen ſchienen voll- kommen dumm, es gaͤbe, die nicht uͤber drey zaͤh- len koͤnnten, von ſelbſt daͤchten ſie nichts, haͤtten kein Gedaͤchtniß, und das Vergangene ſeye ihnen eben ſo unbekannt als das Zukuͤnftige, ſie ſeyen ſehr verſchwie- gen u. ſ. w. Paw ſagt: „Als die Europaͤer in Weſt- indien im fuͤnfzehnten Jahrhunderte ankamen, ſo war daſelbſt nicht ein Amerikaner, der ſchreiben oder leſen konnte; und noch in unſern Tagen findet man nicht einen denkenden Amerikaner. (Wir haben in Wien an Herrn Angelo eine Ausnahme) — — — Der Verſtand iſt nicht allen Voͤlkern unſeres feſten Landes gleich verliehen worden: die unter der heißen Zone verbrannten Neger, und die unter dem Polarzirkel ge- frornen Lapplaͤnder haben keine philoſophiſche Abhand- lungen geſchrieben, und werden auch keine niemals ſchreiben; aber man hat auf der ganzen neuen Welt, Trotz der großen Verſchiedenheit der Himmelsgegenden keinen Menſchen von einer Faͤhigkeit gefunden, womit er den andern uͤbertroffen haͤtte. — — Es ſind faſt dreyhundert Jahre verfloſſen, daß Amerika entdeckt worden iſt; man hat ſeit dieſer Zeit nicht unterlaſſen,
Ame-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0123"n="104"/>
man nur in Ruͤckſicht der Vergleichung des Gehirns<lb/>
mit ſeinen Nerven ſagen koͤnne: der Menſch habe das<lb/>
groͤßte Gehirn. So wie aber die Verſtandeskraͤfte<lb/>
abnehmen, und nach Mannigfaltigkeit der Umſtaͤnde<lb/>
in verſchiedenen Menſchen abnehmen mußten, ſo nimmt<lb/>
auch das Verhaͤltniß des Gehirns gegen die Nerven-<lb/>
maaße ab. Er fuͤhrt den <hirendition="#fr">Pater Charlevoix</hi> an,<lb/>
nach welchem die Negern von Guinea ſehr beſchraͤnkte<lb/>
Geiſteskraͤfte haben; viele unter ihnen ſchienen voll-<lb/>
kommen dumm, es gaͤbe, die nicht uͤber drey zaͤh-<lb/>
len koͤnnten, von ſelbſt daͤchten ſie nichts, haͤtten kein<lb/>
Gedaͤchtniß, und das Vergangene ſeye ihnen eben ſo<lb/>
unbekannt als das Zukuͤnftige, ſie ſeyen ſehr verſchwie-<lb/>
gen u. ſ. w. <hirendition="#fr">Paw</hi>ſagt: „Als die Europaͤer in Weſt-<lb/>
indien im fuͤnfzehnten Jahrhunderte ankamen, ſo war<lb/>
daſelbſt nicht ein Amerikaner, der ſchreiben oder leſen<lb/>
konnte; und noch in unſern Tagen findet man nicht<lb/>
einen denkenden Amerikaner. (Wir haben in Wien<lb/>
an Herrn Angelo eine Ausnahme) ——— Der<lb/>
Verſtand iſt nicht allen Voͤlkern unſeres feſten Landes<lb/>
gleich verliehen worden: die unter der heißen Zone<lb/>
verbrannten Neger, und die unter dem Polarzirkel ge-<lb/>
frornen Lapplaͤnder haben keine philoſophiſche Abhand-<lb/>
lungen geſchrieben, und werden auch keine niemals<lb/>ſchreiben; aber man hat auf der ganzen neuen Welt,<lb/>
Trotz der großen Verſchiedenheit der Himmelsgegenden<lb/>
keinen Menſchen von einer Faͤhigkeit gefunden, womit<lb/>
er den andern uͤbertroffen haͤtte. —— Es ſind faſt<lb/>
dreyhundert Jahre verfloſſen, daß Amerika entdeckt<lb/>
worden iſt; man hat ſeit dieſer Zeit nicht unterlaſſen,<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Ame-</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[104/0123]
man nur in Ruͤckſicht der Vergleichung des Gehirns
mit ſeinen Nerven ſagen koͤnne: der Menſch habe das
groͤßte Gehirn. So wie aber die Verſtandeskraͤfte
abnehmen, und nach Mannigfaltigkeit der Umſtaͤnde
in verſchiedenen Menſchen abnehmen mußten, ſo nimmt
auch das Verhaͤltniß des Gehirns gegen die Nerven-
maaße ab. Er fuͤhrt den Pater Charlevoix an,
nach welchem die Negern von Guinea ſehr beſchraͤnkte
Geiſteskraͤfte haben; viele unter ihnen ſchienen voll-
kommen dumm, es gaͤbe, die nicht uͤber drey zaͤh-
len koͤnnten, von ſelbſt daͤchten ſie nichts, haͤtten kein
Gedaͤchtniß, und das Vergangene ſeye ihnen eben ſo
unbekannt als das Zukuͤnftige, ſie ſeyen ſehr verſchwie-
gen u. ſ. w. Paw ſagt: „Als die Europaͤer in Weſt-
indien im fuͤnfzehnten Jahrhunderte ankamen, ſo war
daſelbſt nicht ein Amerikaner, der ſchreiben oder leſen
konnte; und noch in unſern Tagen findet man nicht
einen denkenden Amerikaner. (Wir haben in Wien
an Herrn Angelo eine Ausnahme) — — — Der
Verſtand iſt nicht allen Voͤlkern unſeres feſten Landes
gleich verliehen worden: die unter der heißen Zone
verbrannten Neger, und die unter dem Polarzirkel ge-
frornen Lapplaͤnder haben keine philoſophiſche Abhand-
lungen geſchrieben, und werden auch keine niemals
ſchreiben; aber man hat auf der ganzen neuen Welt,
Trotz der großen Verſchiedenheit der Himmelsgegenden
keinen Menſchen von einer Faͤhigkeit gefunden, womit
er den andern uͤbertroffen haͤtte. — — Es ſind faſt
dreyhundert Jahre verfloſſen, daß Amerika entdeckt
worden iſt; man hat ſeit dieſer Zeit nicht unterlaſſen,
Ame-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/123>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.