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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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Nach dergleichen Ausdrücken sollte man erwar-
ten, daß er den Thieren eine umständliche Kenntniß
ihrer Bestandtheile, Werkzeuge und ihres Kräftenma-
ßes zuschreiben werde. Indessen drücket er sich den-
noch nirgendwo so bestimmt aus. Es wäre in der That
eine zu erhabne Meinung von dem sonst so weit unter
den Menschen gesetzten Thiere, wenn man z. B. der
Wasserschnecke eine Kenntniß von den Eigenschaften
der Luft, und von ihrer verhältnißmäßigen Schwere
mit dem Wasser, von dem Nutzen und Gebrauch ei-
nes Botes und von der Einrichtung und der wechselsei-
tigen Einwirkung ihre eigenen Bestandtheile zutrauen
wollte; Und doch müste sie alles dieses wissen, wenn
sie mittelst einer, aus der Kenntniß ihrer Natur und
ihrer Kräfte, entstandenen Empfindung dazu bestimmt
werden sollte, sich dann in den Hintergrund ihres
Gehäuses zurückzuziehen, wo sie zu Boden sinken will;
und wo sie die Lust anwandelt, auf die Oberfläche em-
por zu schwimmen, heraus zu kriechen, vermittelst ei-
nes dadurch bewirkten Luftleeren Raumes, sich leich-
ter, als das Wasser, zu machen, und endlich ihre
angeborne Wohnung als ein Schiffchen zu gebrauchen.
Eben so wäre es, wenn man der Biene die Gesetze
der Linien, Winkeln und des Raumes, sammt der
Kenntniß ihrer natürlichen Kräfte und Werkzeuge, als
ein innerlich auf anschauliche Weise empfundenes Erb-
theil zueignete.

Er versteht also unter der innern Empfindung
"alle Empfindung der Thiere von ihrer eignen Natur,
welche nicht durch den äußern Eindruck in die Sinne

entsteht.

Nach dergleichen Ausdruͤcken ſollte man erwar-
ten, daß er den Thieren eine umſtaͤndliche Kenntniß
ihrer Beſtandtheile, Werkzeuge und ihres Kraͤftenma-
ßes zuſchreiben werde. Indeſſen druͤcket er ſich den-
noch nirgendwo ſo beſtimmt aus. Es waͤre in der That
eine zu erhabne Meinung von dem ſonſt ſo weit unter
den Menſchen geſetzten Thiere, wenn man z. B. der
Waſſerſchnecke eine Kenntniß von den Eigenſchaften
der Luft, und von ihrer verhaͤltnißmaͤßigen Schwere
mit dem Waſſer, von dem Nutzen und Gebrauch ei-
nes Botes und von der Einrichtung und der wechſelſei-
tigen Einwirkung ihre eigenen Beſtandtheile zutrauen
wollte; Und doch muͤſte ſie alles dieſes wiſſen, wenn
ſie mittelſt einer, aus der Kenntniß ihrer Natur und
ihrer Kraͤfte, entſtandenen Empfindung dazu beſtimmt
werden ſollte, ſich dann in den Hintergrund ihres
Gehaͤuſes zuruͤckzuziehen, wo ſie zu Boden ſinken will;
und wo ſie die Luſt anwandelt, auf die Oberflaͤche em-
por zu ſchwimmen, heraus zu kriechen, vermittelſt ei-
nes dadurch bewirkten Luftleeren Raumes, ſich leich-
ter, als das Waſſer, zu machen, und endlich ihre
angeborne Wohnung als ein Schiffchen zu gebrauchen.
Eben ſo waͤre es, wenn man der Biene die Geſetze
der Linien, Winkeln und des Raumes, ſammt der
Kenntniß ihrer natuͤrlichen Kraͤfte und Werkzeuge, als
ein innerlich auf anſchauliche Weiſe empfundenes Erb-
theil zueignete.

Er verſteht alſo unter der innern Empfindung
“alle Empfindung der Thiere von ihrer eignen Natur,
welche nicht durch den aͤußern Eindruck in die Sinne

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[89/0108] Nach dergleichen Ausdruͤcken ſollte man erwar- ten, daß er den Thieren eine umſtaͤndliche Kenntniß ihrer Beſtandtheile, Werkzeuge und ihres Kraͤftenma- ßes zuſchreiben werde. Indeſſen druͤcket er ſich den- noch nirgendwo ſo beſtimmt aus. Es waͤre in der That eine zu erhabne Meinung von dem ſonſt ſo weit unter den Menſchen geſetzten Thiere, wenn man z. B. der Waſſerſchnecke eine Kenntniß von den Eigenſchaften der Luft, und von ihrer verhaͤltnißmaͤßigen Schwere mit dem Waſſer, von dem Nutzen und Gebrauch ei- nes Botes und von der Einrichtung und der wechſelſei- tigen Einwirkung ihre eigenen Beſtandtheile zutrauen wollte; Und doch muͤſte ſie alles dieſes wiſſen, wenn ſie mittelſt einer, aus der Kenntniß ihrer Natur und ihrer Kraͤfte, entſtandenen Empfindung dazu beſtimmt werden ſollte, ſich dann in den Hintergrund ihres Gehaͤuſes zuruͤckzuziehen, wo ſie zu Boden ſinken will; und wo ſie die Luſt anwandelt, auf die Oberflaͤche em- por zu ſchwimmen, heraus zu kriechen, vermittelſt ei- nes dadurch bewirkten Luftleeren Raumes, ſich leich- ter, als das Waſſer, zu machen, und endlich ihre angeborne Wohnung als ein Schiffchen zu gebrauchen. Eben ſo waͤre es, wenn man der Biene die Geſetze der Linien, Winkeln und des Raumes, ſammt der Kenntniß ihrer natuͤrlichen Kraͤfte und Werkzeuge, als ein innerlich auf anſchauliche Weiſe empfundenes Erb- theil zueignete. Er verſteht alſo unter der innern Empfindung “alle Empfindung der Thiere von ihrer eignen Natur, welche nicht durch den aͤußern Eindruck in die Sinne entſteht.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/108>, abgerufen am 03.05.2024.