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Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791.

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in allen Klimaten behält er seinen aufrechten Gang,
und die Superiorität seiner Form."*)

Diesen erhabenen Vorzug des Menschen glaubte
auch Büffon nur in der Seele, und deren Eigenschaften
suchen zu dürfen. -- "Allein, sagt eben dieser Zim-
mermann
, wo hat der Grönländer, oder Eskimo und
Kanader große Talente oder Erfindungskraft nöthig,
sich gegen die Kälte zu schüzen? Er, der mit offner
Brust, unbedeckten Gliedern sich seinem Winter aussetzt,
der rohes Seehundfleisch so gut, als gekochtes ver-
dauet? Den Neger brennt die perpenticulare Sonne,
die bloßen Fußsohlen bersten ihm auf dem glühenden
Sande, und er bleibt stark und gesund. Der Fuchs,
Biber, Murmelthier und Hamster machen sich durch
ihren Instinkt Höhlen; was hat also der Mensch dar-
innen voraus? die Seele nützt freylich den vortrefli-
chen Bau unsers Körpers; sie erhebt den Menschen
über alle Kreatur, schaft ihm aller Orten Bequem-
lichkeit und leichtes Fortkommen, giebt ihm Pelz und
Sonnenschirm, Stahl, Feureisen und Waffen; aber
nie könnte sie ihn durch alle ihre Stärke dazu machen,
was er jetzt ist, nämlich zum Bewohner aller Him-
melsstriche, wäre sie nicht mit dem dauerhaftesten,
biegsamsten Körper verbunden."

Bedenken wir noch, wie die verschiedenen Kräfte
der Geschöpfe mit der stufenweisen Vervollkommnung
ihrer Organisation stufenweis veredelt werden; daß die
Kräften der Anziehung und Bildung im Krystall und
in den Metallen, schon in den Pflanzen zu Trieben der

Nah-
*) Herder.

in allen Klimaten behaͤlt er ſeinen aufrechten Gang,
und die Superioritaͤt ſeiner Form.〟*)

Dieſen erhabenen Vorzug des Menſchen glaubte
auch Büffon nur in der Seele, und deren Eigenſchaften
ſuchen zu duͤrfen. — „Allein, ſagt eben dieſer Zim-
mermann
, wo hat der Groͤnlaͤnder, oder Eskimo und
Kanader große Talente oder Erfindungskraft noͤthig,
ſich gegen die Kaͤlte zu ſchuͤzen? Er, der mit offner
Bruſt, unbedeckten Gliedern ſich ſeinem Winter ausſetzt,
der rohes Seehundfleiſch ſo gut, als gekochtes ver-
dauet? Den Neger brennt die perpenticulare Sonne,
die bloßen Fußſohlen berſten ihm auf dem gluͤhenden
Sande, und er bleibt ſtark und geſund. Der Fuchs,
Biber, Murmelthier und Hamſter machen ſich durch
ihren Inſtinkt Hoͤhlen; was hat alſo der Menſch dar-
innen voraus? die Seele nuͤtzt freylich den vortrefli-
chen Bau unſers Koͤrpers; ſie erhebt den Menſchen
uͤber alle Kreatur, ſchaft ihm aller Orten Bequem-
lichkeit und leichtes Fortkommen, giebt ihm Pelz und
Sonnenſchirm, Stahl, Feureiſen und Waffen; aber
nie koͤnnte ſie ihn durch alle ihre Staͤrke dazu machen,
was er jetzt iſt, naͤmlich zum Bewohner aller Him-
melsſtriche, waͤre ſie nicht mit dem dauerhafteſten,
biegſamſten Koͤrper verbunden.“

Bedenken wir noch, wie die verſchiedenen Kraͤfte
der Geſchoͤpfe mit der ſtufenweiſen Vervollkommnung
ihrer Organiſation ſtufenweis veredelt werden; daß die
Kraͤften der Anziehung und Bildung im Kryſtall und
in den Metallen, ſchon in den Pflanzen zu Trieben der

Nah-
*) Herder.
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[85/0104] in allen Klimaten behaͤlt er ſeinen aufrechten Gang, und die Superioritaͤt ſeiner Form.〟 *) Dieſen erhabenen Vorzug des Menſchen glaubte auch Büffon nur in der Seele, und deren Eigenſchaften ſuchen zu duͤrfen. — „Allein, ſagt eben dieſer Zim- mermann, wo hat der Groͤnlaͤnder, oder Eskimo und Kanader große Talente oder Erfindungskraft noͤthig, ſich gegen die Kaͤlte zu ſchuͤzen? Er, der mit offner Bruſt, unbedeckten Gliedern ſich ſeinem Winter ausſetzt, der rohes Seehundfleiſch ſo gut, als gekochtes ver- dauet? Den Neger brennt die perpenticulare Sonne, die bloßen Fußſohlen berſten ihm auf dem gluͤhenden Sande, und er bleibt ſtark und geſund. Der Fuchs, Biber, Murmelthier und Hamſter machen ſich durch ihren Inſtinkt Hoͤhlen; was hat alſo der Menſch dar- innen voraus? die Seele nuͤtzt freylich den vortrefli- chen Bau unſers Koͤrpers; ſie erhebt den Menſchen uͤber alle Kreatur, ſchaft ihm aller Orten Bequem- lichkeit und leichtes Fortkommen, giebt ihm Pelz und Sonnenſchirm, Stahl, Feureiſen und Waffen; aber nie koͤnnte ſie ihn durch alle ihre Staͤrke dazu machen, was er jetzt iſt, naͤmlich zum Bewohner aller Him- melsſtriche, waͤre ſie nicht mit dem dauerhafteſten, biegſamſten Koͤrper verbunden.“ Bedenken wir noch, wie die verſchiedenen Kraͤfte der Geſchoͤpfe mit der ſtufenweiſen Vervollkommnung ihrer Organiſation ſtufenweis veredelt werden; daß die Kraͤften der Anziehung und Bildung im Kryſtall und in den Metallen, ſchon in den Pflanzen zu Trieben der Nah- *) Herder.

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Zitationshilfe: Gall, Franz Joseph: Philosophisch-medizinische Untersuchungen über Natur und Kunst im kranken und gesunden Zustand des Menschen. Wien, 1791, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_untersuchungen_1791/104>, abgerufen am 22.11.2024.