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Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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sender Eile an ihm vorübergesaus't. Die Richtung, die sie genommen, bestätigte ihn in seiner Vermuthung, und er ließ nun schnell einen seiner Gäule satteln, um ihr, die er schon wieder auf dem Rückwege glaubte, entgegenzureiten, denn er war sehr besorgt, da er die Gefahr mit so jungen Pferden als Mann viel besser würdigte, wie seine kühne Frau.

Es läutete Mittag, als er aus dem Dorfe hinausritt, und sein Herz schlug zum ersten Male seit langer Zeit mit Sehnsucht der armen Frau entgegen, mit welcher er um diese Zeit sich immer zum einfachen Mahle gesetzt, und die er so lange vernachlässigt. Er mochte etwa eine halbe Stunde vom Dorfe entfernt sein, als ihm auf der Chaussee unweit eines ländlichen Gasthauses ein ihm wohlbekannter Müller begegnete. Als der Mann Artmann's ansichtig wurde, lenkte er vom Fußpfade ab und winkte ihm zu halten.

Der Müller kam nun dicht zu ihm heran, und Bernhard erschrak über dessen ernstes, trauriges Gesicht.

Reitet nicht weiter, Artmann, kehrt um und verfügt Euch nach Hause, ich will Euch begleiten.

Was ist's -- sagt es mir, frug Bernhard, dem die fürchterlichsten Ahnungen die Kehle zuschnürten und ihm nicht mehr als diese wenigen Worte hervorzubringen gestatteten.

Geht nicht nach jenem Krug -- dort giebt's einen schrecklichen Anblick! Kehrt um!

sender Eile an ihm vorübergesaus't. Die Richtung, die sie genommen, bestätigte ihn in seiner Vermuthung, und er ließ nun schnell einen seiner Gäule satteln, um ihr, die er schon wieder auf dem Rückwege glaubte, entgegenzureiten, denn er war sehr besorgt, da er die Gefahr mit so jungen Pferden als Mann viel besser würdigte, wie seine kühne Frau.

Es läutete Mittag, als er aus dem Dorfe hinausritt, und sein Herz schlug zum ersten Male seit langer Zeit mit Sehnsucht der armen Frau entgegen, mit welcher er um diese Zeit sich immer zum einfachen Mahle gesetzt, und die er so lange vernachlässigt. Er mochte etwa eine halbe Stunde vom Dorfe entfernt sein, als ihm auf der Chaussee unweit eines ländlichen Gasthauses ein ihm wohlbekannter Müller begegnete. Als der Mann Artmann's ansichtig wurde, lenkte er vom Fußpfade ab und winkte ihm zu halten.

Der Müller kam nun dicht zu ihm heran, und Bernhard erschrak über dessen ernstes, trauriges Gesicht.

Reitet nicht weiter, Artmann, kehrt um und verfügt Euch nach Hause, ich will Euch begleiten.

Was ist's — sagt es mir, frug Bernhard, dem die fürchterlichsten Ahnungen die Kehle zuschnürten und ihm nicht mehr als diese wenigen Worte hervorzubringen gestatteten.

Geht nicht nach jenem Krug — dort giebt's einen schrecklichen Anblick! Kehrt um!

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[0063] sender Eile an ihm vorübergesaus't. Die Richtung, die sie genommen, bestätigte ihn in seiner Vermuthung, und er ließ nun schnell einen seiner Gäule satteln, um ihr, die er schon wieder auf dem Rückwege glaubte, entgegenzureiten, denn er war sehr besorgt, da er die Gefahr mit so jungen Pferden als Mann viel besser würdigte, wie seine kühne Frau. Es läutete Mittag, als er aus dem Dorfe hinausritt, und sein Herz schlug zum ersten Male seit langer Zeit mit Sehnsucht der armen Frau entgegen, mit welcher er um diese Zeit sich immer zum einfachen Mahle gesetzt, und die er so lange vernachlässigt. Er mochte etwa eine halbe Stunde vom Dorfe entfernt sein, als ihm auf der Chaussee unweit eines ländlichen Gasthauses ein ihm wohlbekannter Müller begegnete. Als der Mann Artmann's ansichtig wurde, lenkte er vom Fußpfade ab und winkte ihm zu halten. Der Müller kam nun dicht zu ihm heran, und Bernhard erschrak über dessen ernstes, trauriges Gesicht. Reitet nicht weiter, Artmann, kehrt um und verfügt Euch nach Hause, ich will Euch begleiten. Was ist's — sagt es mir, frug Bernhard, dem die fürchterlichsten Ahnungen die Kehle zuschnürten und ihm nicht mehr als diese wenigen Worte hervorzubringen gestatteten. Geht nicht nach jenem Krug — dort giebt's einen schrecklichen Anblick! Kehrt um!

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T15:13:13Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T15:13:13Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Gall, Luise von: Eine fromme Lüge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 6. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 105–175. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gall_luege_1910/63>, abgerufen am 03.05.2024.