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Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865.

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das Delta 5 englische Meilen breit ist, der andere unweit
Heliopolis, wo es eine Breite von 16 engl. Meilen hat.
Man trieb die Bohrlöcher bis zu einer Tiefe von 60 und
72 Fuß und brachte Landschnecken, Knochen und häufig auch
Stücke von Töpferwaare und Backsteinen zum Vorschein.
Die thierischen Reste gehörten ohne Ausnahme noch lebenden
Arten an; am häufigsten fanden sich Knochen von Ochsen,
Schweinen, Hunden, Kameelen und Eseln. Seit ihrer Ein-
bettung in den Schwemmboden des Nils ist mithin die
ägyptische Fauna, namentlich die der Hausthiere, unverän-
dert geblieben. Wichtiger jedoch sind die Spuren menschli-
cher Jndustrie, die aus derselben Tiefe zu Tage gefördert
wurden. Das Nildelta ist bekanntlich ein Product der pe-
riodischen Anschwellungen und Ueberschwemmungen des Nils.
Wenn es nun richtig ist, was genaue Messungen über die
allmähliche Ansammlung des Nilschlammes ergeben haben,
daß bei Memphis die Zunahme des Bodens in einem Jahr-
hundert höchstens 5 Zoll beträgt, -- im unteren Delta be-
trägt sie kaum die Hälfte -- so berechnet sich für die all-
mähliche Erhöhung des Bodens um 60 resp. 72 Fuß eine
Dauer von 14,400 resp. 17,300 Jahren. Vor so langer
Zeit mußte demnach Unterägypten auch schon von Menschen
bewohnt sein, welche die Backsteine und Töpferwaare ver-
fertigten, wovon Bruchstücke aus derselben Tiefe zum Vor-
schein kamen, und welche mit den heutigen Bewohnern jenes
alten Culturlandes ungefähr dieselben Hausthiere hatten.

Das sind, geehrte Anwesende, die wichtigsten That-
sachen und Beobachtungen, die in der neueren Zeit über die
vorhistorische Existenz des Menschen sind gesammelt worden,
und aus denen die Fachmänner ihre Schlüsse auf das wahr-
scheinliche Alter des menschlichen Geschlechts abgeleitet haben.
Es konnte von vorn herein meine Aufgabe nicht sein, das

das Delta 5 engliſche Meilen breit iſt, der andere unweit
Heliopolis, wo es eine Breite von 16 engl. Meilen hat.
Man trieb die Bohrlöcher bis zu einer Tiefe von 60 und
72 Fuß und brachte Landſchnecken, Knochen und häufig auch
Stücke von Töpferwaare und Backſteinen zum Vorſchein.
Die thieriſchen Reſte gehörten ohne Ausnahme noch lebenden
Arten an; am häufigſten fanden ſich Knochen von Ochſen,
Schweinen, Hunden, Kameelen und Eſeln. Seit ihrer Ein-
bettung in den Schwemmboden des Nils iſt mithin die
ägyptiſche Fauna, namentlich die der Hausthiere, unverän-
dert geblieben. Wichtiger jedoch ſind die Spuren menſchli-
cher Jnduſtrie, die aus derſelben Tiefe zu Tage gefördert
wurden. Das Nildelta iſt bekanntlich ein Product der pe-
riodiſchen Anſchwellungen und Ueberſchwemmungen des Nils.
Wenn es nun richtig iſt, was genaue Meſſungen über die
allmähliche Anſammlung des Nilſchlammes ergeben haben,
daß bei Memphis die Zunahme des Bodens in einem Jahr-
hundert höchſtens 5 Zoll beträgt, — im unteren Delta be-
trägt ſie kaum die Hälfte — ſo berechnet ſich für die all-
mähliche Erhöhung des Bodens um 60 reſp. 72 Fuß eine
Dauer von 14,400 reſp. 17,300 Jahren. Vor ſo langer
Zeit mußte demnach Unterägypten auch ſchon von Menſchen
bewohnt ſein, welche die Backſteine und Töpferwaare ver-
fertigten, wovon Bruchſtücke aus derſelben Tiefe zum Vor-
ſchein kamen, und welche mit den heutigen Bewohnern jenes
alten Culturlandes ungefähr dieſelben Hausthiere hatten.

Das ſind, geehrte Anweſende, die wichtigſten That-
ſachen und Beobachtungen, die in der neueren Zeit über die
vorhiſtoriſche Exiſtenz des Menſchen ſind geſammelt worden,
und aus denen die Fachmänner ihre Schlüſſe auf das wahr-
ſcheinliche Alter des menſchlichen Geſchlechts abgeleitet haben.
Es konnte von vorn herein meine Aufgabe nicht ſein, das

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[39/0043] das Delta 5 engliſche Meilen breit iſt, der andere unweit Heliopolis, wo es eine Breite von 16 engl. Meilen hat. Man trieb die Bohrlöcher bis zu einer Tiefe von 60 und 72 Fuß und brachte Landſchnecken, Knochen und häufig auch Stücke von Töpferwaare und Backſteinen zum Vorſchein. Die thieriſchen Reſte gehörten ohne Ausnahme noch lebenden Arten an; am häufigſten fanden ſich Knochen von Ochſen, Schweinen, Hunden, Kameelen und Eſeln. Seit ihrer Ein- bettung in den Schwemmboden des Nils iſt mithin die ägyptiſche Fauna, namentlich die der Hausthiere, unverän- dert geblieben. Wichtiger jedoch ſind die Spuren menſchli- cher Jnduſtrie, die aus derſelben Tiefe zu Tage gefördert wurden. Das Nildelta iſt bekanntlich ein Product der pe- riodiſchen Anſchwellungen und Ueberſchwemmungen des Nils. Wenn es nun richtig iſt, was genaue Meſſungen über die allmähliche Anſammlung des Nilſchlammes ergeben haben, daß bei Memphis die Zunahme des Bodens in einem Jahr- hundert höchſtens 5 Zoll beträgt, — im unteren Delta be- trägt ſie kaum die Hälfte — ſo berechnet ſich für die all- mähliche Erhöhung des Bodens um 60 reſp. 72 Fuß eine Dauer von 14,400 reſp. 17,300 Jahren. Vor ſo langer Zeit mußte demnach Unterägypten auch ſchon von Menſchen bewohnt ſein, welche die Backſteine und Töpferwaare ver- fertigten, wovon Bruchſtücke aus derſelben Tiefe zum Vor- ſchein kamen, und welche mit den heutigen Bewohnern jenes alten Culturlandes ungefähr dieſelben Hausthiere hatten. Das ſind, geehrte Anweſende, die wichtigſten That- ſachen und Beobachtungen, die in der neueren Zeit über die vorhiſtoriſche Exiſtenz des Menſchen ſind geſammelt worden, und aus denen die Fachmänner ihre Schlüſſe auf das wahr- ſcheinliche Alter des menſchlichen Geſchlechts abgeleitet haben. Es konnte von vorn herein meine Aufgabe nicht ſein, das

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Zitationshilfe: Fuhlrott, Carl: Der fossile Mensch aus dem Neanderthal und sein Verhältniß zum Alter des Menschengeschlechts. Duisburg, 1865, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fuhlrott_neanderthaler_1865/43>, abgerufen am 27.04.2024.