Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

habe mir dieses grosse Fest zu meinem Geburts-
tage aufgespart. Tausend Erinnerungen und
Gefühle werden da auf mich einstürmen an die-
sem merkwürdigen Tage, wo die Kraft meines
Volkes hochaufschäumte, wie diese Fluth, die thür-
menden Felsen überwand, und dann, auch in
den Abgrund fiel. Wird dieser mächtigen Welle,
eine zweite folgen? Es würde mir sehr unlieb
seyn wenn ich morgen die beiden Reisenden,
dort fände, von welchen man in Woodhouse
erzählte; ich wäre gern allein. Heute sahen
wir in einer ziemlichen Entfernung einige mensch-
liche Figuren auf einer Hügelspitze sitzen. Js-
mael, dessen Auge am weitesten trägt, behaup-
tete sie schrieben, wie ich es oft Abends zu thun
pflegte; wahrscheinlich aber zeichneten sie. Mein
Herz fühlte sich zu ihnen hingezogen, so mäch-
tig wirkt der Trieb der Geselligkeit im Men-
schen überall, und doch möchte ich, wie gesagt,
gerade morgen nicht gern mit ihnen zusammen
treffen, an einem Tage, wo ich so viel abzu-
machen gedenke mit meinem eigenen Herzen.
Mein ganzes Leben, wird mit den Bildern
aller meiner Geliebten, an mir vorüber gehen.

Hier

habe mir dieſes groſſe Feſt zu meinem Geburts-
tage aufgeſpart. Tauſend Erinnerungen und
Gefuͤhle werden da auf mich einſtuͤrmen an die-
ſem merkwuͤrdigen Tage, wo die Kraft meines
Volkes hochaufſchaͤumte, wie dieſe Fluth, die thuͤr-
menden Felſen uͤberwand, und dann, auch in
den Abgrund fiel. Wird dieſer maͤchtigen Welle,
eine zweite folgen? Es wuͤrde mir ſehr unlieb
ſeyn wenn ich morgen die beiden Reiſenden,
dort faͤnde, von welchen man in Woodhouſe
erzaͤhlte; ich waͤre gern allein. Heute ſahen
wir in einer ziemlichen Entfernung einige menſch-
liche Figuren auf einer Huͤgelſpitze ſitzen. Js-
mael, deſſen Auge am weiteſten traͤgt, behaup-
tete ſie ſchrieben, wie ich es oft Abends zu thun
pflegte; wahrſcheinlich aber zeichneten ſie. Mein
Herz fuͤhlte ſich zu ihnen hingezogen, ſo maͤch-
tig wirkt der Trieb der Geſelligkeit im Men-
ſchen uͤberall, und doch moͤchte ich, wie geſagt,
gerade morgen nicht gern mit ihnen zuſammen
treffen, an einem Tage, wo ich ſo viel abzu-
machen gedenke mit meinem eigenen Herzen.
Mein ganzes Leben, wird mit den Bildern
aller meiner Geliebten, an mir voruͤber gehen.

Hier
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0056" n="48"/>
habe mir die&#x017F;es gro&#x017F;&#x017F;e Fe&#x017F;t zu meinem Geburts-<lb/>
tage aufge&#x017F;part. Tau&#x017F;end Erinnerungen und<lb/>
Gefu&#x0364;hle werden da auf mich ein&#x017F;tu&#x0364;rmen an die-<lb/>
&#x017F;em merkwu&#x0364;rdigen Tage, wo die Kraft meines<lb/>
Volkes hochauf&#x017F;cha&#x0364;umte, wie die&#x017F;e Fluth, die thu&#x0364;r-<lb/>
menden Fel&#x017F;en u&#x0364;berwand, und dann, auch in<lb/>
den Abgrund fiel. Wird die&#x017F;er ma&#x0364;chtigen Welle,<lb/>
eine zweite folgen? Es wu&#x0364;rde mir &#x017F;ehr unlieb<lb/>
&#x017F;eyn wenn ich morgen die beiden Rei&#x017F;enden,<lb/>
dort fa&#x0364;nde, von welchen man in Woodhou&#x017F;e<lb/>
erza&#x0364;hlte; ich wa&#x0364;re gern allein. Heute &#x017F;ahen<lb/>
wir in einer ziemlichen Entfernung einige men&#x017F;ch-<lb/>
liche Figuren auf einer Hu&#x0364;gel&#x017F;pitze &#x017F;itzen. Js-<lb/>
mael, de&#x017F;&#x017F;en Auge am weite&#x017F;ten tra&#x0364;gt, behaup-<lb/>
tete &#x017F;ie &#x017F;chrieben, wie ich es oft Abends zu thun<lb/>
pflegte; wahr&#x017F;cheinlich aber zeichneten &#x017F;ie. Mein<lb/>
Herz fu&#x0364;hlte &#x017F;ich zu ihnen hingezogen, &#x017F;o ma&#x0364;ch-<lb/>
tig wirkt der Trieb der Ge&#x017F;elligkeit im Men-<lb/>
&#x017F;chen u&#x0364;berall, und doch mo&#x0364;chte ich, wie ge&#x017F;agt,<lb/>
gerade morgen nicht gern mit ihnen zu&#x017F;ammen<lb/>
treffen, an einem Tage, wo ich &#x017F;o viel abzu-<lb/>
machen gedenke mit meinem eigenen Herzen.<lb/>
Mein ganzes Leben, wird mit den Bildern<lb/>
aller meiner Geliebten, an mir voru&#x0364;ber gehen.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Hier</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0056] habe mir dieſes groſſe Feſt zu meinem Geburts- tage aufgeſpart. Tauſend Erinnerungen und Gefuͤhle werden da auf mich einſtuͤrmen an die- ſem merkwuͤrdigen Tage, wo die Kraft meines Volkes hochaufſchaͤumte, wie dieſe Fluth, die thuͤr- menden Felſen uͤberwand, und dann, auch in den Abgrund fiel. Wird dieſer maͤchtigen Welle, eine zweite folgen? Es wuͤrde mir ſehr unlieb ſeyn wenn ich morgen die beiden Reiſenden, dort faͤnde, von welchen man in Woodhouſe erzaͤhlte; ich waͤre gern allein. Heute ſahen wir in einer ziemlichen Entfernung einige menſch- liche Figuren auf einer Huͤgelſpitze ſitzen. Js- mael, deſſen Auge am weiteſten traͤgt, behaup- tete ſie ſchrieben, wie ich es oft Abends zu thun pflegte; wahrſcheinlich aber zeichneten ſie. Mein Herz fuͤhlte ſich zu ihnen hingezogen, ſo maͤch- tig wirkt der Trieb der Geſelligkeit im Men- ſchen uͤberall, und doch moͤchte ich, wie geſagt, gerade morgen nicht gern mit ihnen zuſammen treffen, an einem Tage, wo ich ſo viel abzu- machen gedenke mit meinem eigenen Herzen. Mein ganzes Leben, wird mit den Bildern aller meiner Geliebten, an mir voruͤber gehen. Hier

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/56
Zitationshilfe: Frölich, Henriette: Virginia oder die Kolonie von Kentucky. Bd. 2. Hrsg. v. Jerta. Berlin, 1820, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/froelich_virginia02_1820/56>, abgerufen am 21.11.2024.