Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Theobald nickte und schritt durch den hallenden Schwibbogen ins Freie. Er hatte den Thorwärter wohl verstanden; aber was lag es ihm in diesem Augenblicke daran, für einen Verschwörer angesehen zu werden? Ja, wär' ich's, rief er abermals laut vor sich hin, ich weiß es, sie selbst würde mich segnen, wenn ich diese starren Banden sprengen könnte, die auch ihr Leben, ihr Wünschen und Hoffen wie zermalmende Ketten umspannen. Er gedachte die Höhe hinanzusteigen, die sich längs dem Flusse erhebt, um, durch das stille Sommerland streifend, die Qual seiner Gedanken zur Ruhe zu bringen; aber kaum war er einige Schritte gegangen, als rascher Hufschlag hinter ihm über die Brücke herandröhnte. Es waren zwei Reiter, in deren Einem er von Weitem schon den Obersten erkannte. Nein, der soll mich jetzt nicht sehen, dachte Theobald in einer plötzlichen Anwandlung jenes bittern Schamgefühles, das die Scene vor dem Rathhause in ihm erweckt, jetzt nicht; ja hätt' ich die Büchse zur Hand, die er mir heute als Dienstpfand geben gewollt! Kaum zehn Schritte vor ihm stand die Herberge zum Klösterli, die sich auf dem steilen Aarborde erhebt, und dort hinein verschwand er, während die beiden Reiter mit verhängten Zügeln die Straßen hinanjagten. Hinter dem Hause, gegen Fluß und Stadt gewendet, lag eine stille Sommerlaube, und in diese ließ sich Theobald eine Kanne Wein bringen. Es war ein Plätzlein, um die Eindrücke der letzten Stunde noch einmal Theobald nickte und schritt durch den hallenden Schwibbogen ins Freie. Er hatte den Thorwärter wohl verstanden; aber was lag es ihm in diesem Augenblicke daran, für einen Verschwörer angesehen zu werden? Ja, wär' ich's, rief er abermals laut vor sich hin, ich weiß es, sie selbst würde mich segnen, wenn ich diese starren Banden sprengen könnte, die auch ihr Leben, ihr Wünschen und Hoffen wie zermalmende Ketten umspannen. Er gedachte die Höhe hinanzusteigen, die sich längs dem Flusse erhebt, um, durch das stille Sommerland streifend, die Qual seiner Gedanken zur Ruhe zu bringen; aber kaum war er einige Schritte gegangen, als rascher Hufschlag hinter ihm über die Brücke herandröhnte. Es waren zwei Reiter, in deren Einem er von Weitem schon den Obersten erkannte. Nein, der soll mich jetzt nicht sehen, dachte Theobald in einer plötzlichen Anwandlung jenes bittern Schamgefühles, das die Scene vor dem Rathhause in ihm erweckt, jetzt nicht; ja hätt' ich die Büchse zur Hand, die er mir heute als Dienstpfand geben gewollt! Kaum zehn Schritte vor ihm stand die Herberge zum Klösterli, die sich auf dem steilen Aarborde erhebt, und dort hinein verschwand er, während die beiden Reiter mit verhängten Zügeln die Straßen hinanjagten. Hinter dem Hause, gegen Fluß und Stadt gewendet, lag eine stille Sommerlaube, und in diese ließ sich Theobald eine Kanne Wein bringen. Es war ein Plätzlein, um die Eindrücke der letzten Stunde noch einmal <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <pb facs="#f0062"/> <p>Theobald nickte und schritt durch den hallenden Schwibbogen ins Freie. Er hatte den Thorwärter wohl verstanden; aber was lag es ihm in diesem Augenblicke daran, für einen Verschwörer angesehen zu werden? Ja, wär' ich's, rief er abermals laut vor sich hin, ich weiß es, sie selbst würde mich segnen, wenn ich diese starren Banden sprengen könnte, die auch ihr Leben, ihr Wünschen und Hoffen wie zermalmende Ketten umspannen. Er gedachte die Höhe hinanzusteigen, die sich längs dem Flusse erhebt, um, durch das stille Sommerland streifend, die Qual seiner Gedanken zur Ruhe zu bringen; aber kaum war er einige Schritte gegangen, als rascher Hufschlag hinter ihm über die Brücke herandröhnte. Es waren zwei Reiter, in deren Einem er von Weitem schon den Obersten erkannte. Nein, der soll mich jetzt nicht sehen, dachte Theobald in einer plötzlichen Anwandlung jenes bittern Schamgefühles, das die Scene vor dem Rathhause in ihm erweckt, jetzt nicht; ja hätt' ich die Büchse zur Hand, die er mir heute als Dienstpfand geben gewollt!</p><lb/> <p>Kaum zehn Schritte vor ihm stand die Herberge zum Klösterli, die sich auf dem steilen Aarborde erhebt, und dort hinein verschwand er, während die beiden Reiter mit verhängten Zügeln die Straßen hinanjagten.</p><lb/> <p>Hinter dem Hause, gegen Fluß und Stadt gewendet, lag eine stille Sommerlaube, und in diese ließ sich Theobald eine Kanne Wein bringen. Es war ein Plätzlein, um die Eindrücke der letzten Stunde noch einmal<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0062]
Theobald nickte und schritt durch den hallenden Schwibbogen ins Freie. Er hatte den Thorwärter wohl verstanden; aber was lag es ihm in diesem Augenblicke daran, für einen Verschwörer angesehen zu werden? Ja, wär' ich's, rief er abermals laut vor sich hin, ich weiß es, sie selbst würde mich segnen, wenn ich diese starren Banden sprengen könnte, die auch ihr Leben, ihr Wünschen und Hoffen wie zermalmende Ketten umspannen. Er gedachte die Höhe hinanzusteigen, die sich längs dem Flusse erhebt, um, durch das stille Sommerland streifend, die Qual seiner Gedanken zur Ruhe zu bringen; aber kaum war er einige Schritte gegangen, als rascher Hufschlag hinter ihm über die Brücke herandröhnte. Es waren zwei Reiter, in deren Einem er von Weitem schon den Obersten erkannte. Nein, der soll mich jetzt nicht sehen, dachte Theobald in einer plötzlichen Anwandlung jenes bittern Schamgefühles, das die Scene vor dem Rathhause in ihm erweckt, jetzt nicht; ja hätt' ich die Büchse zur Hand, die er mir heute als Dienstpfand geben gewollt!
Kaum zehn Schritte vor ihm stand die Herberge zum Klösterli, die sich auf dem steilen Aarborde erhebt, und dort hinein verschwand er, während die beiden Reiter mit verhängten Zügeln die Straßen hinanjagten.
Hinter dem Hause, gegen Fluß und Stadt gewendet, lag eine stille Sommerlaube, und in diese ließ sich Theobald eine Kanne Wein bringen. Es war ein Plätzlein, um die Eindrücke der letzten Stunde noch einmal
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/62>, abgerufen am 05.07.2024. |