Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Gesicht flog eine dunkle Glut hinweg, um alsbald einer erschreckenden Blässe Platz zu machen. Mit starren Blicken verfolgte er den Reiter, bis dieser, sich aus dem Sattel schwingend, die Rathhaustreppe hinangestiegen und durch das große Portal verschwunden war; es hatte sich ein ganzer Schwarm herbeigedrängt, um ihm das Pferd zu halten. Ja ... Canaille ... murmelte Theobald und suchte sich dann, ohne der Stöße zu achten, die er dabei ertheilen mußte, einen Ausweg durch das Gedränge zu bahnen. Er schritt die Straße abwärts dem Thore zu, kaum beachtend, wie zu beiden Seiten Thüren und Verkaufsbuden geschlossen waren und selbst die Fensterladen bis in die obersten Stockwerke hinauf in ihre Haken gezogen wurden. Was kümmerten ihn Angst und Furcht dieser Menschen, deren Wille von jedem Windhauche sich biegen ließ. Zu seinem bittern Unmuthe war nun noch die beschämende Vorstellung getreten, daß der Oberst glauben werde, ihn über einer Geberde ohnmächtigen Zornes ertappt zu haben, die dem Uebermüthigen erlaube, der Geringschätzung die Verachtung beizugesellen, und so bemächtigte sich seiner immer mehr jene ingrimmig verzweifelnde Stimmung, in der es kräftige Männchen drängt, unheilbringend und zerstörend in das Leben einzugreifen. Hättest du von dieser Verschwörung gewußt, rief es in ihm, so wäre dir Gelegenheit geboten worden, gegen den unmenschlichen, Alles verhöhnenden Uebermuth dieser Aristokraten mannhaft anzu- Gesicht flog eine dunkle Glut hinweg, um alsbald einer erschreckenden Blässe Platz zu machen. Mit starren Blicken verfolgte er den Reiter, bis dieser, sich aus dem Sattel schwingend, die Rathhaustreppe hinangestiegen und durch das große Portal verschwunden war; es hatte sich ein ganzer Schwarm herbeigedrängt, um ihm das Pferd zu halten. Ja … Canaille … murmelte Theobald und suchte sich dann, ohne der Stöße zu achten, die er dabei ertheilen mußte, einen Ausweg durch das Gedränge zu bahnen. Er schritt die Straße abwärts dem Thore zu, kaum beachtend, wie zu beiden Seiten Thüren und Verkaufsbuden geschlossen waren und selbst die Fensterladen bis in die obersten Stockwerke hinauf in ihre Haken gezogen wurden. Was kümmerten ihn Angst und Furcht dieser Menschen, deren Wille von jedem Windhauche sich biegen ließ. Zu seinem bittern Unmuthe war nun noch die beschämende Vorstellung getreten, daß der Oberst glauben werde, ihn über einer Geberde ohnmächtigen Zornes ertappt zu haben, die dem Uebermüthigen erlaube, der Geringschätzung die Verachtung beizugesellen, und so bemächtigte sich seiner immer mehr jene ingrimmig verzweifelnde Stimmung, in der es kräftige Männchen drängt, unheilbringend und zerstörend in das Leben einzugreifen. Hättest du von dieser Verschwörung gewußt, rief es in ihm, so wäre dir Gelegenheit geboten worden, gegen den unmenschlichen, Alles verhöhnenden Uebermuth dieser Aristokraten mannhaft anzu- <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0060"/> Gesicht flog eine dunkle Glut hinweg, um alsbald einer erschreckenden Blässe Platz zu machen. Mit starren Blicken verfolgte er den Reiter, bis dieser, sich aus dem Sattel schwingend, die Rathhaustreppe hinangestiegen und durch das große Portal verschwunden war; es hatte sich ein ganzer Schwarm herbeigedrängt, um ihm das Pferd zu halten. Ja … Canaille … murmelte Theobald und suchte sich dann, ohne der Stöße zu achten, die er dabei ertheilen mußte, einen Ausweg durch das Gedränge zu bahnen.</p><lb/> <p>Er schritt die Straße abwärts dem Thore zu, kaum beachtend, wie zu beiden Seiten Thüren und Verkaufsbuden geschlossen waren und selbst die Fensterladen bis in die obersten Stockwerke hinauf in ihre Haken gezogen wurden. Was kümmerten ihn Angst und Furcht dieser Menschen, deren Wille von jedem Windhauche sich biegen ließ. Zu seinem bittern Unmuthe war nun noch die beschämende Vorstellung getreten, daß der Oberst glauben werde, ihn über einer Geberde ohnmächtigen Zornes ertappt zu haben, die dem Uebermüthigen erlaube, der Geringschätzung die Verachtung beizugesellen, und so bemächtigte sich seiner immer mehr jene ingrimmig verzweifelnde Stimmung, in der es kräftige Männchen drängt, unheilbringend und zerstörend in das Leben einzugreifen. Hättest du von dieser Verschwörung gewußt, rief es in ihm, so wäre dir Gelegenheit geboten worden, gegen den unmenschlichen, Alles verhöhnenden Uebermuth dieser Aristokraten mannhaft anzu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0060]
Gesicht flog eine dunkle Glut hinweg, um alsbald einer erschreckenden Blässe Platz zu machen. Mit starren Blicken verfolgte er den Reiter, bis dieser, sich aus dem Sattel schwingend, die Rathhaustreppe hinangestiegen und durch das große Portal verschwunden war; es hatte sich ein ganzer Schwarm herbeigedrängt, um ihm das Pferd zu halten. Ja … Canaille … murmelte Theobald und suchte sich dann, ohne der Stöße zu achten, die er dabei ertheilen mußte, einen Ausweg durch das Gedränge zu bahnen.
Er schritt die Straße abwärts dem Thore zu, kaum beachtend, wie zu beiden Seiten Thüren und Verkaufsbuden geschlossen waren und selbst die Fensterladen bis in die obersten Stockwerke hinauf in ihre Haken gezogen wurden. Was kümmerten ihn Angst und Furcht dieser Menschen, deren Wille von jedem Windhauche sich biegen ließ. Zu seinem bittern Unmuthe war nun noch die beschämende Vorstellung getreten, daß der Oberst glauben werde, ihn über einer Geberde ohnmächtigen Zornes ertappt zu haben, die dem Uebermüthigen erlaube, der Geringschätzung die Verachtung beizugesellen, und so bemächtigte sich seiner immer mehr jene ingrimmig verzweifelnde Stimmung, in der es kräftige Männchen drängt, unheilbringend und zerstörend in das Leben einzugreifen. Hättest du von dieser Verschwörung gewußt, rief es in ihm, so wäre dir Gelegenheit geboten worden, gegen den unmenschlichen, Alles verhöhnenden Uebermuth dieser Aristokraten mannhaft anzu-
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/60>, abgerufen am 27.07.2024. |