Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Wirth kurz abbrechend; haltet davon, was Euch beliebt, Herr -- Theobald fühlte sich betroffen von dem Ernste des Mannes, den er noch nie ernsthaft gesehen, und nachdenklich begann er, ohne eigentlich zu wissen, was er wollte, die Straße abwärts zu gehen. Die Gerüchte, wie sie bisher die Stadt aufgeregt, waren ihm zu fremdartig und bunt vorgekommen, als daß sie seinen muthigen Sinn hätten beunruhigen können, und dies um so weniger, als er auch an jenem Orte, an dem seine Gedanken Tag und Nacht mit tausend Ohren lauschten, noch keine besondere Aengstlichkeit bemerkt hatte. Aber jetzt schienen denn doch die Dinge eine bestimmtere Gestalt annehmen zu wollen, und Theobald fiel mit einem Male die Erinnerung schwül aufs Herz, daß in der großen catilinarischen Verschwörung zu Rom die Häuser Derjenigen, die dem Untergange geweiht werden sollten, ebenfalls mit solchen unscheinbaren Merkmalen bezeichnet worden waren. Warum sollte ein solches Mittel nicht auch hier angewendet werden und der Ankerwirth mit seiner Vermuthung das Ziel getroffen haben? -- Seine Schritte beschleunigten sich über dieser Vorstellung, und ohne Anhalt lenkte er am Münster vorbei in die Straße, in welcher das Haus des Obersten lag. Fast eine ganze Reihe dieser Straße bestand aus vornehmen Patrizierhäusern, die ohne Ausnahme mit den verhängnisvollen Zeichen, bald roth, bald [schwarz] beschrieben waren; das Haus des Obersten trug seine Wirth kurz abbrechend; haltet davon, was Euch beliebt, Herr — Theobald fühlte sich betroffen von dem Ernste des Mannes, den er noch nie ernsthaft gesehen, und nachdenklich begann er, ohne eigentlich zu wissen, was er wollte, die Straße abwärts zu gehen. Die Gerüchte, wie sie bisher die Stadt aufgeregt, waren ihm zu fremdartig und bunt vorgekommen, als daß sie seinen muthigen Sinn hätten beunruhigen können, und dies um so weniger, als er auch an jenem Orte, an dem seine Gedanken Tag und Nacht mit tausend Ohren lauschten, noch keine besondere Aengstlichkeit bemerkt hatte. Aber jetzt schienen denn doch die Dinge eine bestimmtere Gestalt annehmen zu wollen, und Theobald fiel mit einem Male die Erinnerung schwül aufs Herz, daß in der großen catilinarischen Verschwörung zu Rom die Häuser Derjenigen, die dem Untergange geweiht werden sollten, ebenfalls mit solchen unscheinbaren Merkmalen bezeichnet worden waren. Warum sollte ein solches Mittel nicht auch hier angewendet werden und der Ankerwirth mit seiner Vermuthung das Ziel getroffen haben? — Seine Schritte beschleunigten sich über dieser Vorstellung, und ohne Anhalt lenkte er am Münster vorbei in die Straße, in welcher das Haus des Obersten lag. Fast eine ganze Reihe dieser Straße bestand aus vornehmen Patrizierhäusern, die ohne Ausnahme mit den verhängnisvollen Zeichen, bald roth, bald [schwarz] beschrieben waren; das Haus des Obersten trug seine <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0046"/> Wirth kurz abbrechend; haltet davon, was Euch beliebt, Herr —</p><lb/> <p>Theobald fühlte sich betroffen von dem Ernste des Mannes, den er noch nie ernsthaft gesehen, und nachdenklich begann er, ohne eigentlich zu wissen, was er wollte, die Straße abwärts zu gehen. Die Gerüchte, wie sie bisher die Stadt aufgeregt, waren ihm zu fremdartig und bunt vorgekommen, als daß sie seinen muthigen Sinn hätten beunruhigen können, und dies um so weniger, als er auch an jenem Orte, an dem seine Gedanken Tag und Nacht mit tausend Ohren lauschten, noch keine besondere Aengstlichkeit bemerkt hatte. Aber jetzt schienen denn doch die Dinge eine bestimmtere Gestalt annehmen zu wollen, und Theobald fiel mit einem Male die Erinnerung schwül aufs Herz, daß in der großen catilinarischen Verschwörung zu Rom die Häuser Derjenigen, die dem Untergange geweiht werden sollten, ebenfalls mit solchen unscheinbaren Merkmalen bezeichnet worden waren. Warum sollte ein solches Mittel nicht auch hier angewendet werden und der Ankerwirth mit seiner Vermuthung das Ziel getroffen haben? — Seine Schritte beschleunigten sich über dieser Vorstellung, und ohne Anhalt lenkte er am Münster vorbei in die Straße, in welcher das Haus des Obersten lag. Fast eine ganze Reihe dieser Straße bestand aus vornehmen Patrizierhäusern, die ohne Ausnahme mit den verhängnisvollen Zeichen, bald roth, bald <supplied>schwarz</supplied> beschrieben waren; das Haus des Obersten trug seine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0046]
Wirth kurz abbrechend; haltet davon, was Euch beliebt, Herr —
Theobald fühlte sich betroffen von dem Ernste des Mannes, den er noch nie ernsthaft gesehen, und nachdenklich begann er, ohne eigentlich zu wissen, was er wollte, die Straße abwärts zu gehen. Die Gerüchte, wie sie bisher die Stadt aufgeregt, waren ihm zu fremdartig und bunt vorgekommen, als daß sie seinen muthigen Sinn hätten beunruhigen können, und dies um so weniger, als er auch an jenem Orte, an dem seine Gedanken Tag und Nacht mit tausend Ohren lauschten, noch keine besondere Aengstlichkeit bemerkt hatte. Aber jetzt schienen denn doch die Dinge eine bestimmtere Gestalt annehmen zu wollen, und Theobald fiel mit einem Male die Erinnerung schwül aufs Herz, daß in der großen catilinarischen Verschwörung zu Rom die Häuser Derjenigen, die dem Untergange geweiht werden sollten, ebenfalls mit solchen unscheinbaren Merkmalen bezeichnet worden waren. Warum sollte ein solches Mittel nicht auch hier angewendet werden und der Ankerwirth mit seiner Vermuthung das Ziel getroffen haben? — Seine Schritte beschleunigten sich über dieser Vorstellung, und ohne Anhalt lenkte er am Münster vorbei in die Straße, in welcher das Haus des Obersten lag. Fast eine ganze Reihe dieser Straße bestand aus vornehmen Patrizierhäusern, die ohne Ausnahme mit den verhängnisvollen Zeichen, bald roth, bald schwarz beschrieben waren; das Haus des Obersten trug seine
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/46>, abgerufen am 16.02.2025. |