Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der ehrsame Meister ließ seine Augen abermals ängstlich herumgehen. Eine Meinung? flüsterte er dann, die hab' ich freilich, und sie geht dahin, daß die Rathsherren ihre Häuser haben ankreiden lassen, damit die Franzosen, die uns einen König bringen sollen, wissen, woran sie seien, und nur die Häuser der mindern Burger mit Mord und Plünderung heimsuchen. Ach, so ist's gemeint, machte Theobald halb spöttisch, halb ärgerlich die Achsel zuckend, da thut Ihr am Besten, Meister, Ihr kreidet Euere eigene Thüre ebenfalls an. Mit diesem Bescheid wendete er sich nach einem Seitengäßchen, um in die nächstliegende Hauptstraße zu gelangen. Aber hier wiederholte sich das nämliche Spiel, indem hart an ihm vorbei eine Gruppe zog, die an einem der nächsten Häuser stehen blieb. Theobald erkannte unter den schweigsamen Männern den Ankerwirth und beschloß, sogleich sich an diesen um bessere Auskunft zu wenden, als er von Meister Bölzlein erhalten; aber auch das sonst stets von einem pfiffigen Lächeln durchleuchtete Antlitz war jetzt in düstere Falten gelegt. Am besten ist's, Herr, erwiderte der Ankerwirth auf die an ihn gerichtete Frage, indem er seinen ehemaligen Gast ein wenig auf die Seite zog, am besten ist's, man fragt nicht zuviel über diese Geschichten und macht sich im Stillen seine Meinung darüber; dann kann uns später, geh' es wie es wolle, wenigstens Niemand haftbar machen dafür. Der ehrsame Meister ließ seine Augen abermals ängstlich herumgehen. Eine Meinung? flüsterte er dann, die hab' ich freilich, und sie geht dahin, daß die Rathsherren ihre Häuser haben ankreiden lassen, damit die Franzosen, die uns einen König bringen sollen, wissen, woran sie seien, und nur die Häuser der mindern Burger mit Mord und Plünderung heimsuchen. Ach, so ist's gemeint, machte Theobald halb spöttisch, halb ärgerlich die Achsel zuckend, da thut Ihr am Besten, Meister, Ihr kreidet Euere eigene Thüre ebenfalls an. Mit diesem Bescheid wendete er sich nach einem Seitengäßchen, um in die nächstliegende Hauptstraße zu gelangen. Aber hier wiederholte sich das nämliche Spiel, indem hart an ihm vorbei eine Gruppe zog, die an einem der nächsten Häuser stehen blieb. Theobald erkannte unter den schweigsamen Männern den Ankerwirth und beschloß, sogleich sich an diesen um bessere Auskunft zu wenden, als er von Meister Bölzlein erhalten; aber auch das sonst stets von einem pfiffigen Lächeln durchleuchtete Antlitz war jetzt in düstere Falten gelegt. Am besten ist's, Herr, erwiderte der Ankerwirth auf die an ihn gerichtete Frage, indem er seinen ehemaligen Gast ein wenig auf die Seite zog, am besten ist's, man fragt nicht zuviel über diese Geschichten und macht sich im Stillen seine Meinung darüber; dann kann uns später, geh' es wie es wolle, wenigstens Niemand haftbar machen dafür. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <pb facs="#f0044"/> <p>Der ehrsame Meister ließ seine Augen abermals ängstlich herumgehen. Eine Meinung? flüsterte er dann, die hab' ich freilich, und sie geht dahin, daß die Rathsherren ihre Häuser haben ankreiden lassen, damit die Franzosen, die uns einen König bringen sollen, wissen, woran sie seien, und nur die Häuser der mindern Burger mit Mord und Plünderung heimsuchen.</p><lb/> <p>Ach, so ist's gemeint, machte Theobald halb spöttisch, halb ärgerlich die Achsel zuckend, da thut Ihr am Besten, Meister, Ihr kreidet Euere eigene Thüre ebenfalls an. Mit diesem Bescheid wendete er sich nach einem Seitengäßchen, um in die nächstliegende Hauptstraße zu gelangen.</p><lb/> <p>Aber hier wiederholte sich das nämliche Spiel, indem hart an ihm vorbei eine Gruppe zog, die an einem der nächsten Häuser stehen blieb. Theobald erkannte unter den schweigsamen Männern den Ankerwirth und beschloß, sogleich sich an diesen um bessere Auskunft zu wenden, als er von Meister Bölzlein erhalten; aber auch das sonst stets von einem pfiffigen Lächeln durchleuchtete Antlitz war jetzt in düstere Falten gelegt. Am besten ist's, Herr, erwiderte der Ankerwirth auf die an ihn gerichtete Frage, indem er seinen ehemaligen Gast ein wenig auf die Seite zog, am besten ist's, man fragt nicht zuviel über diese Geschichten und macht sich im Stillen seine Meinung darüber; dann kann uns später, geh' es wie es wolle, wenigstens Niemand haftbar machen dafür.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0044]
Der ehrsame Meister ließ seine Augen abermals ängstlich herumgehen. Eine Meinung? flüsterte er dann, die hab' ich freilich, und sie geht dahin, daß die Rathsherren ihre Häuser haben ankreiden lassen, damit die Franzosen, die uns einen König bringen sollen, wissen, woran sie seien, und nur die Häuser der mindern Burger mit Mord und Plünderung heimsuchen.
Ach, so ist's gemeint, machte Theobald halb spöttisch, halb ärgerlich die Achsel zuckend, da thut Ihr am Besten, Meister, Ihr kreidet Euere eigene Thüre ebenfalls an. Mit diesem Bescheid wendete er sich nach einem Seitengäßchen, um in die nächstliegende Hauptstraße zu gelangen.
Aber hier wiederholte sich das nämliche Spiel, indem hart an ihm vorbei eine Gruppe zog, die an einem der nächsten Häuser stehen blieb. Theobald erkannte unter den schweigsamen Männern den Ankerwirth und beschloß, sogleich sich an diesen um bessere Auskunft zu wenden, als er von Meister Bölzlein erhalten; aber auch das sonst stets von einem pfiffigen Lächeln durchleuchtete Antlitz war jetzt in düstere Falten gelegt. Am besten ist's, Herr, erwiderte der Ankerwirth auf die an ihn gerichtete Frage, indem er seinen ehemaligen Gast ein wenig auf die Seite zog, am besten ist's, man fragt nicht zuviel über diese Geschichten und macht sich im Stillen seine Meinung darüber; dann kann uns später, geh' es wie es wolle, wenigstens Niemand haftbar machen dafür.
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/44>, abgerufen am 16.02.2025. |