Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.licherweise mit Raub und Brand heimzusuchen und, des Kindes im Mutterleibe nicht schonend, die Mauern derselben dem Erdboden gleich zu machen; ein andermal lautete der Bericht, es sei nur auf die Baretli und großen Häuser abgesehen und wer von der mindern Burgerschaft Kopf und Herz am rechten Flecke habe, werde mithelfen dabei; der dritte Tag hinwieder brachte die Kunde, es sei eine französische Heerschaar bereits durch das Münsterthal bis gegen Biel vorgedrungen, die dem Patriziate helfen wolle, auf den Trümmern der alten Republik einen Königsthron zu errichten. Woher diese Gerüchte kamen, wollte Niemand sagen noch wissen, sie waren am hellen Tage plötzlich auf offener Straße da, oder kamen in die verschlossene Schlafkammer geschlichen wie schwere Nachtträume; soviel nur war gewiß, daß sie aller Orten Unruhe, Angst und Schrecken verbreiteten. In den Werkstätten begann die Arbeit zu stocken, die Männer suchten ihre Waffen hervor, um sie in schlagfertigen Zustand zu setzen, und die Frauen, die sich auf den Straßen zeigten, huschten eilfertigen Schrittes davon, als ob ihnen ein unsichtbarer Feind auf der Ferse folge. Zwar zogen auch die obrigkeitlichen Ausrufer in feierlicher Amtstracht mit Handglocke und Trommel durch die Stadt, um die Burgerschaft zur Ruhe und gewohnten Hantierung zu ermahnen, indem auf die Entdeckung der Erfinder oder absichtlichen Verbreiter der "einfältigen" Gerüchte, wie es hieß, ansehnliche Belohnungen gesetzt wurden; aber licherweise mit Raub und Brand heimzusuchen und, des Kindes im Mutterleibe nicht schonend, die Mauern derselben dem Erdboden gleich zu machen; ein andermal lautete der Bericht, es sei nur auf die Baretli und großen Häuser abgesehen und wer von der mindern Burgerschaft Kopf und Herz am rechten Flecke habe, werde mithelfen dabei; der dritte Tag hinwieder brachte die Kunde, es sei eine französische Heerschaar bereits durch das Münsterthal bis gegen Biel vorgedrungen, die dem Patriziate helfen wolle, auf den Trümmern der alten Republik einen Königsthron zu errichten. Woher diese Gerüchte kamen, wollte Niemand sagen noch wissen, sie waren am hellen Tage plötzlich auf offener Straße da, oder kamen in die verschlossene Schlafkammer geschlichen wie schwere Nachtträume; soviel nur war gewiß, daß sie aller Orten Unruhe, Angst und Schrecken verbreiteten. In den Werkstätten begann die Arbeit zu stocken, die Männer suchten ihre Waffen hervor, um sie in schlagfertigen Zustand zu setzen, und die Frauen, die sich auf den Straßen zeigten, huschten eilfertigen Schrittes davon, als ob ihnen ein unsichtbarer Feind auf der Ferse folge. Zwar zogen auch die obrigkeitlichen Ausrufer in feierlicher Amtstracht mit Handglocke und Trommel durch die Stadt, um die Burgerschaft zur Ruhe und gewohnten Hantierung zu ermahnen, indem auf die Entdeckung der Erfinder oder absichtlichen Verbreiter der „einfältigen“ Gerüchte, wie es hieß, ansehnliche Belohnungen gesetzt wurden; aber <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0041"/> licherweise mit Raub und Brand heimzusuchen und, des Kindes im Mutterleibe nicht schonend, die Mauern derselben dem Erdboden gleich zu machen; ein andermal lautete der Bericht, es sei nur auf die Baretli und großen Häuser abgesehen und wer von der mindern Burgerschaft Kopf und Herz am rechten Flecke habe, werde mithelfen dabei; der dritte Tag hinwieder brachte die Kunde, es sei eine französische Heerschaar bereits durch das Münsterthal bis gegen Biel vorgedrungen, die dem Patriziate helfen wolle, auf den Trümmern der alten Republik einen Königsthron zu errichten. Woher diese Gerüchte kamen, wollte Niemand sagen noch wissen, sie waren am hellen Tage plötzlich auf offener Straße da, oder kamen in die verschlossene Schlafkammer geschlichen wie schwere Nachtträume; soviel nur war gewiß, daß sie aller Orten Unruhe, Angst und Schrecken verbreiteten. In den Werkstätten begann die Arbeit zu stocken, die Männer suchten ihre Waffen hervor, um sie in schlagfertigen Zustand zu setzen, und die Frauen, die sich auf den Straßen zeigten, huschten eilfertigen Schrittes davon, als ob ihnen ein unsichtbarer Feind auf der Ferse folge. Zwar zogen auch die obrigkeitlichen Ausrufer in feierlicher Amtstracht mit Handglocke und Trommel durch die Stadt, um die Burgerschaft zur Ruhe und gewohnten Hantierung zu ermahnen, indem auf die Entdeckung der Erfinder oder absichtlichen Verbreiter der „einfältigen“ Gerüchte, wie es hieß, ansehnliche Belohnungen gesetzt wurden; aber<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0041]
licherweise mit Raub und Brand heimzusuchen und, des Kindes im Mutterleibe nicht schonend, die Mauern derselben dem Erdboden gleich zu machen; ein andermal lautete der Bericht, es sei nur auf die Baretli und großen Häuser abgesehen und wer von der mindern Burgerschaft Kopf und Herz am rechten Flecke habe, werde mithelfen dabei; der dritte Tag hinwieder brachte die Kunde, es sei eine französische Heerschaar bereits durch das Münsterthal bis gegen Biel vorgedrungen, die dem Patriziate helfen wolle, auf den Trümmern der alten Republik einen Königsthron zu errichten. Woher diese Gerüchte kamen, wollte Niemand sagen noch wissen, sie waren am hellen Tage plötzlich auf offener Straße da, oder kamen in die verschlossene Schlafkammer geschlichen wie schwere Nachtträume; soviel nur war gewiß, daß sie aller Orten Unruhe, Angst und Schrecken verbreiteten. In den Werkstätten begann die Arbeit zu stocken, die Männer suchten ihre Waffen hervor, um sie in schlagfertigen Zustand zu setzen, und die Frauen, die sich auf den Straßen zeigten, huschten eilfertigen Schrittes davon, als ob ihnen ein unsichtbarer Feind auf der Ferse folge. Zwar zogen auch die obrigkeitlichen Ausrufer in feierlicher Amtstracht mit Handglocke und Trommel durch die Stadt, um die Burgerschaft zur Ruhe und gewohnten Hantierung zu ermahnen, indem auf die Entdeckung der Erfinder oder absichtlichen Verbreiter der „einfältigen“ Gerüchte, wie es hieß, ansehnliche Belohnungen gesetzt wurden; aber
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/41>, abgerufen am 16.02.2025. |