Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.lange Gesichter und manch geheimen Aerger gegen den Fremden und den Ankerwirth; aber wer nicht als der Leichtgläubigste ausgelacht werden wollte, mußte sich drein ergeben, oder auf Kosten des armen Bölzlein und des Thorwarts selbst mit lachen. Damit war die Sache jedoch keineswegs abgethan, und die Neugierde zog bloß ein feineres Röcklein an, um vom Bärengraben eine Runde durch die Gemächer der vornehmen Frauen- und Töchterwelt zu machen, und überall fand sie als willkommener Gast offene Thüren, wo sie anklopfen mochte. So kam es, daß der bald allbeschäftigte Geselle des Meister Hänni am Abend froh war, sich von seinen vielen Arbeitsgängen ermüdet auf sein Kämmerlein zurückzuziehen, von wo dann bis in die tiefe Nacht bald wehmüthige, bald hoffnungssüße Geigentöne auf den stillen Bärenplatz herabklangen; manchmal auch erhob sich ein Lied da droben von bebenden Zithertönen begleitet, dem die ganze Nachbarschaft in der Runde die Fenster öffnete, um es als erquickenden Schlafgruß ins Haus hereinzulassen. Doch das war auch ziemlich Alles, was man von dem räthselhaften Fremden in sichere Erfahrung bringen konnte; denn wie mancher kluge Mund ihm auch den langen Tag hindurch eine wohlüberdachte Frage gestellt und wie manches schöne Auge groß aufblickend, gleichsam ein stummes Bittgesuch stellend, an ihm gehangen -- es wußte nach Wochen noch Niemand mehr von ihm zu sagen, als daß er aus Köln gebürtig und Theobald lange Gesichter und manch geheimen Aerger gegen den Fremden und den Ankerwirth; aber wer nicht als der Leichtgläubigste ausgelacht werden wollte, mußte sich drein ergeben, oder auf Kosten des armen Bölzlein und des Thorwarts selbst mit lachen. Damit war die Sache jedoch keineswegs abgethan, und die Neugierde zog bloß ein feineres Röcklein an, um vom Bärengraben eine Runde durch die Gemächer der vornehmen Frauen- und Töchterwelt zu machen, und überall fand sie als willkommener Gast offene Thüren, wo sie anklopfen mochte. So kam es, daß der bald allbeschäftigte Geselle des Meister Hänni am Abend froh war, sich von seinen vielen Arbeitsgängen ermüdet auf sein Kämmerlein zurückzuziehen, von wo dann bis in die tiefe Nacht bald wehmüthige, bald hoffnungssüße Geigentöne auf den stillen Bärenplatz herabklangen; manchmal auch erhob sich ein Lied da droben von bebenden Zithertönen begleitet, dem die ganze Nachbarschaft in der Runde die Fenster öffnete, um es als erquickenden Schlafgruß ins Haus hereinzulassen. Doch das war auch ziemlich Alles, was man von dem räthselhaften Fremden in sichere Erfahrung bringen konnte; denn wie mancher kluge Mund ihm auch den langen Tag hindurch eine wohlüberdachte Frage gestellt und wie manches schöne Auge groß aufblickend, gleichsam ein stummes Bittgesuch stellend, an ihm gehangen — es wußte nach Wochen noch Niemand mehr von ihm zu sagen, als daß er aus Köln gebürtig und Theobald <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="3"> <p><pb facs="#f0039"/> lange Gesichter und manch geheimen Aerger gegen den Fremden und den Ankerwirth; aber wer nicht als der Leichtgläubigste ausgelacht werden wollte, mußte sich drein ergeben, oder auf Kosten des armen Bölzlein und des Thorwarts selbst mit lachen. Damit war die Sache jedoch keineswegs abgethan, und die Neugierde zog bloß ein feineres Röcklein an, um vom Bärengraben eine Runde durch die Gemächer der vornehmen Frauen- und Töchterwelt zu machen, und überall fand sie als willkommener Gast offene Thüren, wo sie anklopfen mochte. So kam es, daß der bald allbeschäftigte Geselle des Meister Hänni am Abend froh war, sich von seinen vielen Arbeitsgängen ermüdet auf sein Kämmerlein zurückzuziehen, von wo dann bis in die tiefe Nacht bald wehmüthige, bald hoffnungssüße Geigentöne auf den stillen Bärenplatz herabklangen; manchmal auch erhob sich ein Lied da droben von bebenden Zithertönen begleitet, dem die ganze Nachbarschaft in der Runde die Fenster öffnete, um es als erquickenden Schlafgruß ins Haus hereinzulassen. Doch das war auch ziemlich Alles, was man von dem räthselhaften Fremden in sichere Erfahrung bringen konnte; denn wie mancher kluge Mund ihm auch den langen Tag hindurch eine wohlüberdachte Frage gestellt und wie manches schöne Auge groß aufblickend, gleichsam ein stummes Bittgesuch stellend, an ihm gehangen — es wußte nach Wochen noch Niemand mehr von ihm zu sagen, als daß er aus Köln gebürtig und Theobald<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0039]
lange Gesichter und manch geheimen Aerger gegen den Fremden und den Ankerwirth; aber wer nicht als der Leichtgläubigste ausgelacht werden wollte, mußte sich drein ergeben, oder auf Kosten des armen Bölzlein und des Thorwarts selbst mit lachen. Damit war die Sache jedoch keineswegs abgethan, und die Neugierde zog bloß ein feineres Röcklein an, um vom Bärengraben eine Runde durch die Gemächer der vornehmen Frauen- und Töchterwelt zu machen, und überall fand sie als willkommener Gast offene Thüren, wo sie anklopfen mochte. So kam es, daß der bald allbeschäftigte Geselle des Meister Hänni am Abend froh war, sich von seinen vielen Arbeitsgängen ermüdet auf sein Kämmerlein zurückzuziehen, von wo dann bis in die tiefe Nacht bald wehmüthige, bald hoffnungssüße Geigentöne auf den stillen Bärenplatz herabklangen; manchmal auch erhob sich ein Lied da droben von bebenden Zithertönen begleitet, dem die ganze Nachbarschaft in der Runde die Fenster öffnete, um es als erquickenden Schlafgruß ins Haus hereinzulassen. Doch das war auch ziemlich Alles, was man von dem räthselhaften Fremden in sichere Erfahrung bringen konnte; denn wie mancher kluge Mund ihm auch den langen Tag hindurch eine wohlüberdachte Frage gestellt und wie manches schöne Auge groß aufblickend, gleichsam ein stummes Bittgesuch stellend, an ihm gehangen — es wußte nach Wochen noch Niemand mehr von ihm zu sagen, als daß er aus Köln gebürtig und Theobald
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/39>, abgerufen am 16.02.2025. |