Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.artigen Plunder auf allen Straßen herumzutragen, besonders wenn sie auch einmal für sich allein sein wollen? ... Wie war's denn mit dem französischen Marquis, der vor einem Jahre fast zwei Monate lang in meinem Hause logirte ... he? Uebrigens haltet davon, was Ihr wollt, Bölzlein, das ist Eure Sache; aber ich wette, wenn der Fremde nur auf einem Ziegenbock eingeritten und dafür beim Distelzwang drüben abgestiegen wäre, so ließet Ihr ihn schon ohne Widerrede für einen Kaiserprinzen gelten. Obgleich nun dieser Ausfall weder sehr zart noch rücksichtsvoll war, so hatte doch Meister Bölzlein schon der Weinkanne wegen, die auf dem Tische stand, Grundes genug, um jeder liebsamen Meinungsverschiedenheit mit dem Ankerwirth auszuweichen. Daneben war er auch sonst noch froh über die Entdeckung und ließ seine ohnehin nicht sehr ernst gemeinten Zweifel um so lieber fallen, als er nun seinem Gevatter Thorwart in der Verbreitung einer großen, geheimnißvollen Neuigkeit zuvorzukommen gedachte. -- Der Ankerwirth dagegen legte sein Gesicht in ebenso ernste als geheimnißvolle Falten, als schon nach kaum einer Stunde ein Trüppchen sonst selten bei ihm gesehener Gäste nach dem andern die Gaststube zu füllen begann. Bis zur Feierabendstunde hatte das große Geheimniß die Runde gemacht, und am folgenden Morgen blieb nur noch die Räthselfrage zu lösen, was wohl den fremden Prinzen auf so seltsame Weise nach einer löblichen Stadt Bern artigen Plunder auf allen Straßen herumzutragen, besonders wenn sie auch einmal für sich allein sein wollen? … Wie war's denn mit dem französischen Marquis, der vor einem Jahre fast zwei Monate lang in meinem Hause logirte … he? Uebrigens haltet davon, was Ihr wollt, Bölzlein, das ist Eure Sache; aber ich wette, wenn der Fremde nur auf einem Ziegenbock eingeritten und dafür beim Distelzwang drüben abgestiegen wäre, so ließet Ihr ihn schon ohne Widerrede für einen Kaiserprinzen gelten. Obgleich nun dieser Ausfall weder sehr zart noch rücksichtsvoll war, so hatte doch Meister Bölzlein schon der Weinkanne wegen, die auf dem Tische stand, Grundes genug, um jeder liebsamen Meinungsverschiedenheit mit dem Ankerwirth auszuweichen. Daneben war er auch sonst noch froh über die Entdeckung und ließ seine ohnehin nicht sehr ernst gemeinten Zweifel um so lieber fallen, als er nun seinem Gevatter Thorwart in der Verbreitung einer großen, geheimnißvollen Neuigkeit zuvorzukommen gedachte. — Der Ankerwirth dagegen legte sein Gesicht in ebenso ernste als geheimnißvolle Falten, als schon nach kaum einer Stunde ein Trüppchen sonst selten bei ihm gesehener Gäste nach dem andern die Gaststube zu füllen begann. Bis zur Feierabendstunde hatte das große Geheimniß die Runde gemacht, und am folgenden Morgen blieb nur noch die Räthselfrage zu lösen, was wohl den fremden Prinzen auf so seltsame Weise nach einer löblichen Stadt Bern <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0014"/> artigen Plunder auf allen Straßen herumzutragen, besonders wenn sie auch einmal für sich allein sein wollen? … Wie war's denn mit dem französischen Marquis, der vor einem Jahre fast zwei Monate lang in meinem Hause logirte … he? Uebrigens haltet davon, was Ihr wollt, Bölzlein, das ist Eure Sache; aber ich wette, wenn der Fremde nur auf einem Ziegenbock eingeritten und dafür beim Distelzwang drüben abgestiegen wäre, so ließet Ihr ihn schon ohne Widerrede für einen Kaiserprinzen gelten.</p><lb/> <p>Obgleich nun dieser Ausfall weder sehr zart noch rücksichtsvoll war, so hatte doch Meister Bölzlein schon der Weinkanne wegen, die auf dem Tische stand, Grundes genug, um jeder liebsamen Meinungsverschiedenheit mit dem Ankerwirth auszuweichen. Daneben war er auch sonst noch froh über die Entdeckung und ließ seine ohnehin nicht sehr ernst gemeinten Zweifel um so lieber fallen, als er nun seinem Gevatter Thorwart in der Verbreitung einer großen, geheimnißvollen Neuigkeit zuvorzukommen gedachte. — Der Ankerwirth dagegen legte sein Gesicht in ebenso ernste als geheimnißvolle Falten, als schon nach kaum einer Stunde ein Trüppchen sonst selten bei ihm gesehener Gäste nach dem andern die Gaststube zu füllen begann. Bis zur Feierabendstunde hatte das große Geheimniß die Runde gemacht, und am folgenden Morgen blieb nur noch die Räthselfrage zu lösen, was wohl den fremden Prinzen auf so seltsame Weise nach einer löblichen Stadt Bern<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0014]
artigen Plunder auf allen Straßen herumzutragen, besonders wenn sie auch einmal für sich allein sein wollen? … Wie war's denn mit dem französischen Marquis, der vor einem Jahre fast zwei Monate lang in meinem Hause logirte … he? Uebrigens haltet davon, was Ihr wollt, Bölzlein, das ist Eure Sache; aber ich wette, wenn der Fremde nur auf einem Ziegenbock eingeritten und dafür beim Distelzwang drüben abgestiegen wäre, so ließet Ihr ihn schon ohne Widerrede für einen Kaiserprinzen gelten.
Obgleich nun dieser Ausfall weder sehr zart noch rücksichtsvoll war, so hatte doch Meister Bölzlein schon der Weinkanne wegen, die auf dem Tische stand, Grundes genug, um jeder liebsamen Meinungsverschiedenheit mit dem Ankerwirth auszuweichen. Daneben war er auch sonst noch froh über die Entdeckung und ließ seine ohnehin nicht sehr ernst gemeinten Zweifel um so lieber fallen, als er nun seinem Gevatter Thorwart in der Verbreitung einer großen, geheimnißvollen Neuigkeit zuvorzukommen gedachte. — Der Ankerwirth dagegen legte sein Gesicht in ebenso ernste als geheimnißvolle Falten, als schon nach kaum einer Stunde ein Trüppchen sonst selten bei ihm gesehener Gäste nach dem andern die Gaststube zu füllen begann. Bis zur Feierabendstunde hatte das große Geheimniß die Runde gemacht, und am folgenden Morgen blieb nur noch die Räthselfrage zu lösen, was wohl den fremden Prinzen auf so seltsame Weise nach einer löblichen Stadt Bern
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Zitationshilfe: | Frey, Jacob: Das erfüllte Versprechen. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–107. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frey_versprechen_1910/14>, abgerufen am 26.07.2024. |