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Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895.

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die ganze Zeit über so sehr vernachlässigt, dass ich sicherlich den Eindruck erweckt haben dürfte, man sei nun durch diesen kleinen Kunstgriff in den Stand gesetzt, des psychischen Hindernisses gegen eine kathartische Cur Herr zu werden. Allein diess zu glauben, wäre ein arger Irrthum; es gibt dergleichen Profite nicht in der Therapie, soviel ich sehe; zur grossen Veränderung wird hier wie überall grosse Arbeit erfordert. Die Druckprocedur ist weiter nichts als ein Kniff, das abwehrlustige Ich für eine Weile zu überrumpeln; in allen ernsteren Fällen besinnt es sich wieder auf seine Absichten und setzt seinen Widerstand fort.

Ich habe der verschiedenen Formen zu gedenken, in welchen dieser Widerstand auftritt. Zunächst das erste oder zweite Mal misslingt der Druckversuch gewöhnlich. Der Kranke äussert dann sehr enttäuscht: "Ich habe geglaubt, es wird mir etwas einfallen, aber ich habe nur gedacht, wie gespannt ich darauf bin; gekommen ist nichts." Solches Sich-in-Positursetzen des Patienten ist noch nicht zu den Hindernissen zu zählen; man sagt darauf: "Sie waren eben zu neugierig; das zweite Mal wird es dafür gehen." Und es geht dann wirklich. Es ist merkwürdig, wie vollständig oft die Kranken - und die gefügigsten und intelligentesten mit - an die Verabredung vergessen können, zu der sie sich doch vorher verstanden haben. Sie haben versprochen, alles zu sagen, was ihnen unter dem Drucke der Hand einfällt, gleichgiltig, ob es ihnen beziehungsvoll erscheint oder nicht, und ob es ihnen angenehm zu sagen ist oder nicht, also ohne Auswahl, ohne Beeinflussung durch Kritik oder Affect. Sie halten sich aber nicht an dieses Versprechen, es geht offenbar über ihre Kräfte. Allemal stockt die Arbeit, immer wieder behaupten sie, diesmal sei ihnen nichts eingefallen. Man darf ihnen diess nicht glauben, man muss dann immer annehmen und auch äussern, sie hielten etwas zurück, weil sie es für unwichtig halten oder peinlich empfinden. Man besteht darauf, man wiederholt den Druck, man stellt sich unfehlbar, bis man wirklich etwas zu hören bekömmt. Dann fügt der Kranke hinzu: "Das hätte ich Ihnen schon das erste Mal sagen können." - Warum haben Sie es nicht gesagt? - "Ich hab' mir nicht denken können, dass es das sein sollte. Erst als es jedesmal wiedergekommen ist, habe ich mich entschlossen, es zu sagen". - Oder: "Ich habe gehofft, gerade das wird es nicht sein; das kann ich mir ersparen zu sagen; erst als es sich nicht verdrängen liess, habe ich gemerkt, es wird mir nichts geschenkt." - So verräth der Kranke nachträglich die Motive eines Widerstandes,

die ganze Zeit über so sehr vernachlässigt, dass ich sicherlich den Eindruck erweckt haben dürfte, man sei nun durch diesen kleinen Kunstgriff in den Stand gesetzt, des psychischen Hindernisses gegen eine kathartische Cur Herr zu werden. Allein diess zu glauben, wäre ein arger Irrthum; es gibt dergleichen Profite nicht in der Therapie, soviel ich sehe; zur grossen Veränderung wird hier wie überall grosse Arbeit erfordert. Die Druckprocedur ist weiter nichts als ein Kniff, das abwehrlustige Ich für eine Weile zu überrumpeln; in allen ernsteren Fällen besinnt es sich wieder auf seine Absichten und setzt seinen Widerstand fort.

Ich habe der verschiedenen Formen zu gedenken, in welchen dieser Widerstand auftritt. Zunächst das erste oder zweite Mal misslingt der Druckversuch gewöhnlich. Der Kranke äussert dann sehr enttäuscht: „Ich habe geglaubt, es wird mir etwas einfallen, aber ich habe nur gedacht, wie gespannt ich darauf bin; gekommen ist nichts.“ Solches Sich-in-Positursetzen des Patienten ist noch nicht zu den Hindernissen zu zählen; man sagt darauf: „Sie waren eben zu neugierig; das zweite Mal wird es dafür gehen.“ Und es geht dann wirklich. Es ist merkwürdig, wie vollständig oft die Kranken – und die gefügigsten und intelligentesten mit – an die Verabredung vergessen können, zu der sie sich doch vorher verstanden haben. Sie haben versprochen, alles zu sagen, was ihnen unter dem Drucke der Hand einfällt, gleichgiltig, ob es ihnen beziehungsvoll erscheint oder nicht, und ob es ihnen angenehm zu sagen ist oder nicht, also ohne Auswahl, ohne Beeinflussung durch Kritik oder Affect. Sie halten sich aber nicht an dieses Versprechen, es geht offenbar über ihre Kräfte. Allemal stockt die Arbeit, immer wieder behaupten sie, diesmal sei ihnen nichts eingefallen. Man darf ihnen diess nicht glauben, man muss dann immer annehmen und auch äussern, sie hielten etwas zurück, weil sie es für unwichtig halten oder peinlich empfinden. Man besteht darauf, man wiederholt den Druck, man stellt sich unfehlbar, bis man wirklich etwas zu hören bekömmt. Dann fügt der Kranke hinzu: „Das hätte ich Ihnen schon das erste Mal sagen können.“ – Warum haben Sie es nicht gesagt? – „Ich hab’ mir nicht denken können, dass es das sein sollte. Erst als es jedesmal wiedergekommen ist, habe ich mich entschlossen, es zu sagen“. – Oder: „Ich habe gehofft, gerade das wird es nicht sein; das kann ich mir ersparen zu sagen; erst als es sich nicht verdrängen liess, habe ich gemerkt, es wird mir nichts geschenkt.“ – So verräth der Kranke nachträglich die Motive eines Widerstandes,

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die ganze Zeit über so sehr vernachlässigt, dass ich sicherlich den Eindruck erweckt haben dürfte, man sei nun durch diesen kleinen Kunstgriff in den Stand gesetzt, des psychischen Hindernisses gegen eine kathartische Cur Herr zu werden. Allein diess zu glauben, wäre ein arger Irrthum; es gibt dergleichen Profite nicht in der Therapie, soviel ich sehe; zur grossen Veränderung wird hier wie überall grosse Arbeit erfordert. Die Druckprocedur ist weiter nichts als ein Kniff, das abwehrlustige Ich für eine Weile zu überrumpeln; in allen ernsteren Fällen besinnt es sich wieder auf seine Absichten und setzt seinen Widerstand fort.</p>
          <p>Ich habe der verschiedenen Formen zu gedenken, in welchen dieser Widerstand auftritt. Zunächst das erste oder zweite Mal misslingt der Druckversuch gewöhnlich. Der Kranke äussert dann sehr enttäuscht: &#x201E;Ich habe geglaubt, es wird mir etwas einfallen, aber ich habe nur gedacht, wie gespannt ich darauf bin; gekommen ist nichts.&#x201C; Solches Sich-in-Positursetzen des Patienten ist noch nicht zu den Hindernissen zu zählen; man sagt darauf: &#x201E;Sie waren eben zu neugierig; das zweite Mal wird es dafür gehen.&#x201C; Und es geht dann wirklich. Es ist merkwürdig, wie vollständig oft die Kranken &#x2013; und die gefügigsten und intelligentesten mit &#x2013; an die Verabredung vergessen können, zu der sie sich doch vorher verstanden haben. Sie haben versprochen, alles zu sagen, was ihnen unter dem Drucke der Hand einfällt, gleichgiltig, ob es ihnen beziehungsvoll erscheint oder nicht, und ob es ihnen angenehm zu sagen ist oder nicht, also ohne Auswahl, ohne Beeinflussung durch Kritik oder Affect. Sie halten sich aber nicht an dieses Versprechen, es geht offenbar über ihre Kräfte. Allemal stockt die Arbeit, immer wieder behaupten sie, diesmal sei ihnen nichts eingefallen. Man darf ihnen diess nicht glauben, man muss dann immer annehmen und auch äussern, sie hielten etwas zurück, weil sie es für unwichtig halten oder peinlich empfinden. Man besteht darauf, man wiederholt den Druck, man stellt sich unfehlbar, bis man wirklich etwas zu hören bekömmt. Dann fügt der Kranke hinzu: &#x201E;Das hätte ich Ihnen schon das erste Mal sagen können.&#x201C; &#x2013; Warum haben Sie es nicht gesagt? &#x2013; &#x201E;Ich hab&#x2019; mir nicht denken können, dass es <hi rendition="#g">das</hi> sein sollte. Erst als es jedesmal wiedergekommen ist, habe ich mich entschlossen, es zu sagen&#x201C;. &#x2013; Oder: &#x201E;Ich habe gehofft, gerade das wird es nicht sein; das kann ich mir ersparen zu sagen; erst als es sich nicht verdrängen liess, habe ich gemerkt, es wird mir nichts geschenkt.&#x201C; &#x2013; So verräth der Kranke nachträglich die Motive eines Widerstandes,
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[244/0250] die ganze Zeit über so sehr vernachlässigt, dass ich sicherlich den Eindruck erweckt haben dürfte, man sei nun durch diesen kleinen Kunstgriff in den Stand gesetzt, des psychischen Hindernisses gegen eine kathartische Cur Herr zu werden. Allein diess zu glauben, wäre ein arger Irrthum; es gibt dergleichen Profite nicht in der Therapie, soviel ich sehe; zur grossen Veränderung wird hier wie überall grosse Arbeit erfordert. Die Druckprocedur ist weiter nichts als ein Kniff, das abwehrlustige Ich für eine Weile zu überrumpeln; in allen ernsteren Fällen besinnt es sich wieder auf seine Absichten und setzt seinen Widerstand fort. Ich habe der verschiedenen Formen zu gedenken, in welchen dieser Widerstand auftritt. Zunächst das erste oder zweite Mal misslingt der Druckversuch gewöhnlich. Der Kranke äussert dann sehr enttäuscht: „Ich habe geglaubt, es wird mir etwas einfallen, aber ich habe nur gedacht, wie gespannt ich darauf bin; gekommen ist nichts.“ Solches Sich-in-Positursetzen des Patienten ist noch nicht zu den Hindernissen zu zählen; man sagt darauf: „Sie waren eben zu neugierig; das zweite Mal wird es dafür gehen.“ Und es geht dann wirklich. Es ist merkwürdig, wie vollständig oft die Kranken – und die gefügigsten und intelligentesten mit – an die Verabredung vergessen können, zu der sie sich doch vorher verstanden haben. Sie haben versprochen, alles zu sagen, was ihnen unter dem Drucke der Hand einfällt, gleichgiltig, ob es ihnen beziehungsvoll erscheint oder nicht, und ob es ihnen angenehm zu sagen ist oder nicht, also ohne Auswahl, ohne Beeinflussung durch Kritik oder Affect. Sie halten sich aber nicht an dieses Versprechen, es geht offenbar über ihre Kräfte. Allemal stockt die Arbeit, immer wieder behaupten sie, diesmal sei ihnen nichts eingefallen. Man darf ihnen diess nicht glauben, man muss dann immer annehmen und auch äussern, sie hielten etwas zurück, weil sie es für unwichtig halten oder peinlich empfinden. Man besteht darauf, man wiederholt den Druck, man stellt sich unfehlbar, bis man wirklich etwas zu hören bekömmt. Dann fügt der Kranke hinzu: „Das hätte ich Ihnen schon das erste Mal sagen können.“ – Warum haben Sie es nicht gesagt? – „Ich hab’ mir nicht denken können, dass es das sein sollte. Erst als es jedesmal wiedergekommen ist, habe ich mich entschlossen, es zu sagen“. – Oder: „Ich habe gehofft, gerade das wird es nicht sein; das kann ich mir ersparen zu sagen; erst als es sich nicht verdrängen liess, habe ich gemerkt, es wird mir nichts geschenkt.“ – So verräth der Kranke nachträglich die Motive eines Widerstandes,

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Zitationshilfe: Breuer, Josef und Freud, Sigmund: Studien über Hysterie. Leipzig u. a., 1895, S. 244. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/freud_hysterie_1895/250>, abgerufen am 22.11.2024.