Frege, Gottlob: Über Sinn und Bedeutung. In: Zeitschrift für Philosophie und philosophische Kritik, N. F., Bd. 100/1 (1892), S. 25-50.Über Sinn und Bedeutung. Wir haben hier die beiden Gedanken, daß Eisen nicht specifischleichter ist als Wasser, und daß etwas auf dem Wasser schwimmt, wenn es specifisch leichter als Wasser ist. Der Nebensatz drückt wieder den einen und einen Theil des andern Gedankens aus. Wenn wir den früher betrachteten Satz Es ist schwer, alle in der Sprache gegebenen Möglichkeiten zu 1) daß der Nebensatz keinen Wahrheitswerth bedeutet, indem 2) daß der Nebensatz zwar einen Wahrheitswerth bedeutet, Der erste Fall tritt ein Im zweiten Falle kann der Nebensatz doppelt zu nehmen sein, Hieraus geht wohl mit hinreichender Wahrscheinlichkeit hervor, Ztschrft. f. Philos. u. philos. Kritik. 100 Bd. 4
Über Sinn und Bedeutung. Wir haben hier die beiden Gedanken, daß Eiſen nicht ſpecifiſchleichter iſt als Waſſer, und daß etwas auf dem Waſſer ſchwimmt, wenn es ſpecifiſch leichter als Waſſer iſt. Der Nebenſatz drückt wieder den einen und einen Theil des andern Gedankens aus. Wenn wir den früher betrachteten Satz Es iſt ſchwer, alle in der Sprache gegebenen Möglichkeiten zu 1) daß der Nebenſatz keinen Wahrheitswerth bedeutet, indem 2) daß der Nebenſatz zwar einen Wahrheitswerth bedeutet, Der erſte Fall tritt ein Im zweiten Falle kann der Nebenſatz doppelt zu nehmen ſein, Hieraus geht wohl mit hinreichender Wahrſcheinlichkeit hervor, Ztſchrft. f. Philoſ. u. philoſ. Kritik. 100 Bd. 4
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Über Sinn und Bedeutung.
Wir haben hier die beiden Gedanken, daß Eiſen nicht ſpecifiſch
leichter iſt als Waſſer, und daß etwas auf dem Waſſer ſchwimmt,
wenn es ſpecifiſch leichter als Waſſer iſt. Der Nebenſatz drückt
wieder den einen und einen Theil des andern Gedankens aus.
Wenn wir den früher betrachteten Satz
„nachdem Schleswig-Holſtein von Dänemark losgeriſſen
war, entzweiten ſich Preußen und Oeſterreich“
ſo auffaſſen, daß darin der Gedanke ausgedrückt iſt, es ſei einmal
Schleswig-Holſtein von Dänemark losgeriſſen worden, ſo haben
wir erſtens dieſen Gedanken, zweitens den Gedanken, daß zu einer
Zeit, die durch den Nebenſatz näher beſtimmt iſt, Preußen und
Oeſterreich ſich entzweiten. Auch hier drückt dann der Nebenſatz
nicht nur einen Gedanken, ſondern auch einen Theil eines andern
aus. Daher darf man ihn nicht allgemein durch einen andern
deſſelben Wahrheitswerthes erſetzen.
Es iſt ſchwer, alle in der Sprache gegebenen Möglichkeiten zu
erſchöpfen; aber ich hoffe doch im Weſentlichen die Gründe auf¬
gefunden zu haben, warum nicht immer unbeſchadet der Wahrheit
des ganzen Satzgefüges ein Nebenſatz durch einen andrn deſſelben
Wahrheitswerthes vertreten werden kann. Dieſe ſind
1) daß der Nebenſatz keinen Wahrheitswerth bedeutet, indem
er nur einen Theil eines Gedankens ausdrückt;
2) daß der Nebenſatz zwar einen Wahrheitswerth bedeutet,
aber ſich nicht darauf beſchränkt, indem ſein Sinn außer einem
Gedanken auch noch einen Theil eines andern Gedankens umfaßt.
Der erſte Fall tritt ein
a) bei der ungeraden Bedeutung der Worte,
b) wenn ein Theil des Satzes nur unbeſtimmt andeutet,
ſtatt ein Eigenname zu ſein.
Im zweiten Falle kann der Nebenſatz doppelt zu nehmen ſein,
nämlich einmal in gewöhnlicher Bedeutung, das andre Mal in
ungerader Bedeutung; oder es kann der Sinn eines Theiles des
Nebenſatzes zugleich Beſtandtheil eines andern Gedankens ſein, den
mit dem unmittelbar im Nebenſatze ausgedrückten zuſammen den
ganzen Sinn des Haupt- und Nebenſatzes ausmacht.
Hieraus geht wohl mit hinreichender Wahrſcheinlichkeit hervor,
daß die Fälle, wo ein Nebenſatz nicht durch einen andern deſſelben
Wahrheitswertes erſetzbar iſt, nichts gegen unſere Anſicht beweiſen,
Ztſchrft. f. Philoſ. u. philoſ. Kritik. 100 Bd. 4
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