Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.man etwas fertig haben will! Da muß man's halt in Gottesnamen machen; er hatt' es auch der Strohmeier zum Abschied noch gegeben. "Bin ich denn zu nichts Gescheiterem auf der Welt, als um Ihnen mit rothen Backen eine Freude zu machen? Da würd' ich mir leid thun." Aber nun, seit Tonis Ankunft bevorstand, war all die Kümmerei und "Grantigkeit" verflogen. Im allerersten Augenblicke, ja, da hatte er freilich gedacht, schade, daß sie nicht vierzehn Tage später kommen, da wär' ich fertig gewesen! Aber jetzt fand er das unerträglich pedantisch und wunderte sich selbst über diesen Tropfen Tinte in seinem sonst gesundem Blut. Arbeiten, leben - - nein, es ist doch zweierlei, was auch die großen Moralisten und Arbeitsapostel sagen mögen, - eins stört das andre - und das Schönste, das Schönste ist Muße! Hat man keine, so nimmt man sich eine, - man ist doch glücklicher Weise weder Fabrikler noch Börsenmann, sondern freier akademischer Bürger der internationalen Gelehrtenrepublik, der weltumspannenden glücklichen Minorität, Unsterblichkeitsanwärter, Vollkommenheitsanbahner der Menschheit, Hebel der Zivilisation und vor allem Unternehmer, Unternehmer in eigener Person! Wer lacht da in dem verwachsenen Unterholz? Ach so, da spukt wohl der "unbestechliche Martinez", der behauptet, unsere Laboratorien und psychophysiologischen Versuchsstationen man etwas fertig haben will! Da muß man’s halt in Gottesnamen machen; er hatt’ es auch der Strohmeier zum Abschied noch gegeben. „Bin ich denn zu nichts Gescheiterem auf der Welt, als um Ihnen mit rothen Backen eine Freude zu machen? Da würd’ ich mir leid thun.“ Aber nun, seit Tonis Ankunft bevorstand, war all die Kümmerei und „Grantigkeit“ verflogen. Im allerersten Augenblicke, ja, da hatte er freilich gedacht, schade, daß sie nicht vierzehn Tage später kommen, da wär’ ich fertig gewesen! Aber jetzt fand er das unerträglich pedantisch und wunderte sich selbst über diesen Tropfen Tinte in seinem sonst gesundem Blut. Arbeiten, leben – – nein, es ist doch zweierlei, was auch die großen Moralisten und Arbeitsapostel sagen mögen, – eins stört das andre – und das Schönste, das Schönste ist Muße! Hat man keine, so nimmt man sich eine, – man ist doch glücklicher Weise weder Fabrikler noch Börsenmann, sondern freier akademischer Bürger der internationalen Gelehrtenrepublik, der weltumspannenden glücklichen Minorität, Unsterblichkeitsanwärter, Vollkommenheitsanbahner der Menschheit, Hebel der Zivilisation und vor allem Unternehmer, Unternehmer in eigener Person! Wer lacht da in dem verwachsenen Unterholz? Ach so, da spukt wohl der „unbestechliche Martinez“, der behauptet, unsere Laboratorien und psychophysiologischen Versuchsstationen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0097" n="89"/> man etwas fertig haben will! Da muß man’s halt in Gottesnamen machen; er hatt’ es auch der Strohmeier zum Abschied noch gegeben. „Bin ich denn zu nichts Gescheiterem auf der Welt, als um Ihnen mit rothen Backen eine Freude zu machen? Da würd’ ich mir leid thun.“ Aber nun, seit Tonis Ankunft bevorstand, war all die Kümmerei und „Grantigkeit“ verflogen. Im allerersten Augenblicke, ja, da hatte er freilich gedacht, schade, daß sie nicht vierzehn Tage später kommen, da wär’ ich fertig gewesen! Aber jetzt fand er das unerträglich pedantisch und wunderte sich selbst über diesen Tropfen Tinte in seinem sonst gesundem Blut. Arbeiten, leben – – nein, es ist doch zweierlei, was auch die großen Moralisten und Arbeitsapostel sagen mögen, – eins stört das andre – und das Schönste, das Schönste ist Muße! Hat man keine, so nimmt man sich eine, – man ist doch glücklicher Weise weder Fabrikler noch Börsenmann, sondern freier akademischer Bürger der internationalen Gelehrtenrepublik, der weltumspannenden glücklichen Minorität, Unsterblichkeitsanwärter, Vollkommenheitsanbahner der Menschheit, Hebel der Zivilisation und vor allem Unternehmer, Unternehmer in eigener Person! Wer lacht da in dem verwachsenen Unterholz? Ach so, da spukt wohl der „unbestechliche Martinez“, der behauptet, unsere Laboratorien und psychophysiologischen Versuchsstationen </p> </div> </body> </text> </TEI> [89/0097]
man etwas fertig haben will! Da muß man’s halt in Gottesnamen machen; er hatt’ es auch der Strohmeier zum Abschied noch gegeben. „Bin ich denn zu nichts Gescheiterem auf der Welt, als um Ihnen mit rothen Backen eine Freude zu machen? Da würd’ ich mir leid thun.“ Aber nun, seit Tonis Ankunft bevorstand, war all die Kümmerei und „Grantigkeit“ verflogen. Im allerersten Augenblicke, ja, da hatte er freilich gedacht, schade, daß sie nicht vierzehn Tage später kommen, da wär’ ich fertig gewesen! Aber jetzt fand er das unerträglich pedantisch und wunderte sich selbst über diesen Tropfen Tinte in seinem sonst gesundem Blut. Arbeiten, leben – – nein, es ist doch zweierlei, was auch die großen Moralisten und Arbeitsapostel sagen mögen, – eins stört das andre – und das Schönste, das Schönste ist Muße! Hat man keine, so nimmt man sich eine, – man ist doch glücklicher Weise weder Fabrikler noch Börsenmann, sondern freier akademischer Bürger der internationalen Gelehrtenrepublik, der weltumspannenden glücklichen Minorität, Unsterblichkeitsanwärter, Vollkommenheitsanbahner der Menschheit, Hebel der Zivilisation und vor allem Unternehmer, Unternehmer in eigener Person! Wer lacht da in dem verwachsenen Unterholz? Ach so, da spukt wohl der „unbestechliche Martinez“, der behauptet, unsere Laboratorien und psychophysiologischen Versuchsstationen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/97 |
Zitationshilfe: | Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/97>, abgerufen am 17.02.2025. |