Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.und mehr in nahen und vertrauten Verkehr mit der Namenlosen gerieth, schrieb er, zum erstenmale aus vollem Gefühl heraus, die folgenden Zeilen: Der Tag weiß nichts von dir und lärmt und schreit, Doch wenn die Nacht kommt, herrschest du allein. Dann sitz ich dir zu Füßen, und so weit Wir sonst geschieden sind, dann bist du mein, Und jenseits liegt das Maß für Raum und Zeit. Seltsam berührte es ihn aber, noch ehe er der Doktorin Röslin das Briefchen wie gewöhnlich anvertraut, schon auf seinem Tische die Antwort zu finden. Sie lag da und wartete geduldig, bis er die Oberhemden und Taschentücher weggeräumt haben würde, die von der Waschfrau oben darauf gelegt worden. Blumen waren diesmal nicht dabei, die innige Schwärmerei der Worte bedurfte auch deren nicht. Sie machte einen ganz besonderen Eindruck auf den jungen Mann, es war ein unverdientes Zuviel darin, immer noch viel mehr, als er empfinden konnte. Es klang: Und bist du auch für mich nicht da, Ich freu mich deines Daseins doch, Und bist du nur im Traum mir nah, Du hellest meine Träume noch. Du Stern in meiner Winternacht, Mein Auge hängt an dir in Ruh; Die ganze Welt verschwindet sacht, Und was noch bleibt, bist einzig du. und mehr in nahen und vertrauten Verkehr mit der Namenlosen gerieth, schrieb er, zum erstenmale aus vollem Gefühl heraus, die folgenden Zeilen: Der Tag weiß nichts von dir und lärmt und schreit, Doch wenn die Nacht kommt, herrschest du allein. Dann sitz ich dir zu Füßen, und so weit Wir sonst geschieden sind, dann bist du mein, Und jenseits liegt das Maß für Raum und Zeit. Seltsam berührte es ihn aber, noch ehe er der Doktorin Röslin das Briefchen wie gewöhnlich anvertraut, schon auf seinem Tische die Antwort zu finden. Sie lag da und wartete geduldig, bis er die Oberhemden und Taschentücher weggeräumt haben würde, die von der Waschfrau oben darauf gelegt worden. Blumen waren diesmal nicht dabei, die innige Schwärmerei der Worte bedurfte auch deren nicht. Sie machte einen ganz besonderen Eindruck auf den jungen Mann, es war ein unverdientes Zuviel darin, immer noch viel mehr, als er empfinden konnte. Es klang: Und bist du auch für mich nicht da, Ich freu mich deines Daseins doch, Und bist du nur im Traum mir nah, Du hellest meine Träume noch. Du Stern in meiner Winternacht, Mein Auge hängt an dir in Ruh; Die ganze Welt verschwindet sacht, Und was noch bleibt, bist einzig du. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0066" n="58"/> und mehr in nahen und vertrauten Verkehr mit der Namenlosen gerieth, schrieb er, zum erstenmale aus vollem Gefühl heraus, die folgenden Zeilen:</p> <lg type="poem"> <l>Der Tag weiß nichts von dir und lärmt und schreit,</l><lb/> <l>Doch wenn die Nacht kommt, herrschest du allein.</l><lb/> <l>Dann sitz ich dir zu Füßen, und so weit</l><lb/> <l>Wir sonst geschieden sind, dann bist du mein,</l><lb/> <l>Und jenseits liegt das Maß für Raum und Zeit.</l><lb/> </lg> <p>Seltsam berührte es ihn aber, noch ehe er der Doktorin Röslin das Briefchen wie gewöhnlich anvertraut, schon auf seinem Tische die Antwort zu finden. Sie lag da und wartete geduldig, bis er die Oberhemden und Taschentücher weggeräumt haben würde, die von der Waschfrau oben darauf gelegt worden. Blumen waren diesmal nicht dabei, die innige Schwärmerei der Worte bedurfte auch deren nicht. Sie machte einen ganz besonderen Eindruck auf den jungen Mann, es war ein unverdientes Zuviel darin, immer noch viel mehr, als er empfinden konnte. Es klang:</p> <lg type="poem"> <lg> <l>Und bist du auch für mich nicht da,</l><lb/> <l>Ich freu mich deines Daseins doch,</l><lb/> <l>Und bist du nur im Traum mir nah,</l><lb/> <l>Du hellest meine Träume noch.</l><lb/> </lg> <lg> <l>Du Stern in meiner Winternacht,</l><lb/> <l>Mein Auge hängt an dir in Ruh;</l><lb/> <l>Die ganze Welt verschwindet sacht,</l><lb/> <l>Und was noch bleibt, bist einzig du.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [58/0066]
und mehr in nahen und vertrauten Verkehr mit der Namenlosen gerieth, schrieb er, zum erstenmale aus vollem Gefühl heraus, die folgenden Zeilen:
Der Tag weiß nichts von dir und lärmt und schreit,
Doch wenn die Nacht kommt, herrschest du allein.
Dann sitz ich dir zu Füßen, und so weit
Wir sonst geschieden sind, dann bist du mein,
Und jenseits liegt das Maß für Raum und Zeit.
Seltsam berührte es ihn aber, noch ehe er der Doktorin Röslin das Briefchen wie gewöhnlich anvertraut, schon auf seinem Tische die Antwort zu finden. Sie lag da und wartete geduldig, bis er die Oberhemden und Taschentücher weggeräumt haben würde, die von der Waschfrau oben darauf gelegt worden. Blumen waren diesmal nicht dabei, die innige Schwärmerei der Worte bedurfte auch deren nicht. Sie machte einen ganz besonderen Eindruck auf den jungen Mann, es war ein unverdientes Zuviel darin, immer noch viel mehr, als er empfinden konnte. Es klang:
Und bist du auch für mich nicht da,
Ich freu mich deines Daseins doch,
Und bist du nur im Traum mir nah,
Du hellest meine Träume noch.
Du Stern in meiner Winternacht,
Mein Auge hängt an dir in Ruh;
Die ganze Welt verschwindet sacht,
Und was noch bleibt, bist einzig du.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |