Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

ein Ende haben. Das wäre doch dann auch ein ganz anderes Zusammentreffen, ein Wiederbegegnen, nachdem man sich schon innerlich kennt, sich schon zärtliche und intime Dinge gesagt hat.

Als er längere Zeit ohne Erwiderung blieb - sein erster Blick, wenn er nach einem Ausgang sein Zimmer betrat, galt immer dem ersehnten Briefchen -, fing er an, kühl und skeptisch zu werden. Es hat sich da Jemand einen Witz mit ihm erlaubt, aber er ist nicht der Geck, der sich nasführen läßt. Seine Doktorin Röslin, die ihm jetzt zuweilen Harfe vorspielte und mit einer kleinen, etwas zitternden Stimme italienische Liedchen dazu sang, war eigentlich viel poetischer, so als Figur betrachtet - diese preciöse und capriciöse Unbekannte stand doch ganz in der Luft. Lieber Gott, was für ein Leben die alte Dame geführt hatte! Sie erzählte ihm, wie das mit dem Bräutigam gewesen war. Der Vater hatte sie verlobt, sie kannte ihn wenig, aber man sagte ihr, daß er sehr zart und schwächlich sei und sterben würde, wenn sie ihr Jawort nicht gäbe. Da war sie schnell bereit gewesen und hatte ihn lieb gewonnen; es hieß, ihr heiterer Einfluß werde ihn gesund machen. Aber eben, als alle die besten Hoffnungen hegten, hatte er die furchtbaren Anfälle bekommen, das erste Mal vor einem Gartenfest, das dem Brautpaar zu Ehren veranstaltet wurde. Man fand ihn nach langem Warten besinnungslos und blutend in

ein Ende haben. Das wäre doch dann auch ein ganz anderes Zusammentreffen, ein Wiederbegegnen, nachdem man sich schon innerlich kennt, sich schon zärtliche und intime Dinge gesagt hat.

Als er längere Zeit ohne Erwiderung blieb – sein erster Blick, wenn er nach einem Ausgang sein Zimmer betrat, galt immer dem ersehnten Briefchen –, fing er an, kühl und skeptisch zu werden. Es hat sich da Jemand einen Witz mit ihm erlaubt, aber er ist nicht der Geck, der sich nasführen läßt. Seine Doktorin Röslin, die ihm jetzt zuweilen Harfe vorspielte und mit einer kleinen, etwas zitternden Stimme italienische Liedchen dazu sang, war eigentlich viel poetischer, so als Figur betrachtet – diese preciöse und capriciöse Unbekannte stand doch ganz in der Luft. Lieber Gott, was für ein Leben die alte Dame geführt hatte! Sie erzählte ihm, wie das mit dem Bräutigam gewesen war. Der Vater hatte sie verlobt, sie kannte ihn wenig, aber man sagte ihr, daß er sehr zart und schwächlich sei und sterben würde, wenn sie ihr Jawort nicht gäbe. Da war sie schnell bereit gewesen und hatte ihn lieb gewonnen; es hieß, ihr heiterer Einfluß werde ihn gesund machen. Aber eben, als alle die besten Hoffnungen hegten, hatte er die furchtbaren Anfälle bekommen, das erste Mal vor einem Gartenfest, das dem Brautpaar zu Ehren veranstaltet wurde. Man fand ihn nach langem Warten besinnungslos und blutend in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0057" n="49"/>
ein Ende haben. Das wäre doch dann auch ein ganz anderes Zusammentreffen, ein Wiederbegegnen, nachdem man sich schon innerlich kennt, sich schon zärtliche und intime Dinge gesagt hat.</p>
        <p>Als er längere Zeit ohne Erwiderung blieb &#x2013; sein erster Blick, wenn er nach einem Ausgang sein Zimmer betrat, galt immer dem ersehnten Briefchen &#x2013;, fing er an, kühl und skeptisch zu werden. Es hat sich da Jemand einen Witz mit ihm erlaubt, aber er ist nicht der Geck, der sich nasführen läßt. Seine Doktorin Röslin, die ihm jetzt zuweilen Harfe vorspielte und mit einer kleinen, etwas zitternden Stimme italienische Liedchen dazu sang, war eigentlich viel poetischer, so als Figur betrachtet &#x2013; diese preciöse und capriciöse Unbekannte stand doch ganz in der Luft. Lieber Gott, was für ein Leben die alte Dame geführt hatte! Sie erzählte ihm, wie das mit dem Bräutigam gewesen war. Der Vater hatte sie verlobt, sie kannte ihn wenig, aber man sagte ihr, daß er sehr zart und schwächlich sei und sterben würde, wenn sie ihr Jawort nicht gäbe. Da war sie schnell bereit gewesen und hatte ihn lieb gewonnen; es hieß, ihr heiterer Einfluß werde ihn gesund machen. Aber eben, als alle die besten Hoffnungen hegten, hatte er die furchtbaren Anfälle bekommen, das erste Mal vor einem Gartenfest, das dem Brautpaar zu Ehren veranstaltet wurde. Man fand ihn nach langem Warten besinnungslos und blutend in
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0057] ein Ende haben. Das wäre doch dann auch ein ganz anderes Zusammentreffen, ein Wiederbegegnen, nachdem man sich schon innerlich kennt, sich schon zärtliche und intime Dinge gesagt hat. Als er längere Zeit ohne Erwiderung blieb – sein erster Blick, wenn er nach einem Ausgang sein Zimmer betrat, galt immer dem ersehnten Briefchen –, fing er an, kühl und skeptisch zu werden. Es hat sich da Jemand einen Witz mit ihm erlaubt, aber er ist nicht der Geck, der sich nasführen läßt. Seine Doktorin Röslin, die ihm jetzt zuweilen Harfe vorspielte und mit einer kleinen, etwas zitternden Stimme italienische Liedchen dazu sang, war eigentlich viel poetischer, so als Figur betrachtet – diese preciöse und capriciöse Unbekannte stand doch ganz in der Luft. Lieber Gott, was für ein Leben die alte Dame geführt hatte! Sie erzählte ihm, wie das mit dem Bräutigam gewesen war. Der Vater hatte sie verlobt, sie kannte ihn wenig, aber man sagte ihr, daß er sehr zart und schwächlich sei und sterben würde, wenn sie ihr Jawort nicht gäbe. Da war sie schnell bereit gewesen und hatte ihn lieb gewonnen; es hieß, ihr heiterer Einfluß werde ihn gesund machen. Aber eben, als alle die besten Hoffnungen hegten, hatte er die furchtbaren Anfälle bekommen, das erste Mal vor einem Gartenfest, das dem Brautpaar zu Ehren veranstaltet wurde. Man fand ihn nach langem Warten besinnungslos und blutend in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/57
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/57>, abgerufen am 23.11.2024.