Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Sie lächelte, aber gezwungen. "Es ist wegen des Nachhausewegs; vom Bahnhof sind es noch gute zehn Minuten." Er guckte sie neugierig an. "Fürchten Sie sich, Fräulein?" "Ich gar nicht, aber zu Hause sehen sie es nicht gern." Sie brach erröthend ab, als ob sie schon zu viel gesagt habe. Auch er schwieg eine Weile, während er ihr Gesicht, ihren Anzug, der dunkel und bescheiden war, nachdenklich prüfte. Wenn sie so viel mit einem Wildfremden gesprochen, so war es geschehen, weil er ihr gar nicht fremd vorkam. Sie mochte sein Gesicht, vielleicht war das der Grund; ein scharfes, bestimmtes Gesicht, nicht sehr jung, etwas sarkastische Mundwinkel, aber gute freundliche Augen. Er sah ernsthaft und klug aus, trug feine Kleider und elegante Handschuhe, die er während der ganzen Fahrt nicht abgestreift hatte, während das Fräulein die ihrigen beständig aus- und anzog, immer bemüht, die gespaltenen Spitzen, aus denen es rosa hervorleuchtete, vor ihrem Gegenüber zu verbergen. Plötzlich - sie waren schon über Flottbeck hinaus - bog er sich wieder vor: "Darf ich fragen, ob Sie vielleicht in Wedel die Familie Markwort kennen?" "Den Pastor, meinen Sie?" "Ja, und -" - er zögerte - "auch -" Sie lächelte, aber gezwungen. „Es ist wegen des Nachhausewegs; vom Bahnhof sind es noch gute zehn Minuten.“ Er guckte sie neugierig an. „Fürchten Sie sich, Fräulein?“ „Ich gar nicht, aber zu Hause sehen sie es nicht gern.“ Sie brach erröthend ab, als ob sie schon zu viel gesagt habe. Auch er schwieg eine Weile, während er ihr Gesicht, ihren Anzug, der dunkel und bescheiden war, nachdenklich prüfte. Wenn sie so viel mit einem Wildfremden gesprochen, so war es geschehen, weil er ihr gar nicht fremd vorkam. Sie mochte sein Gesicht, vielleicht war das der Grund; ein scharfes, bestimmtes Gesicht, nicht sehr jung, etwas sarkastische Mundwinkel, aber gute freundliche Augen. Er sah ernsthaft und klug aus, trug feine Kleider und elegante Handschuhe, die er während der ganzen Fahrt nicht abgestreift hatte, während das Fräulein die ihrigen beständig aus- und anzog, immer bemüht, die gespaltenen Spitzen, aus denen es rosa hervorleuchtete, vor ihrem Gegenüber zu verbergen. Plötzlich – sie waren schon über Flottbeck hinaus – bog er sich wieder vor: „Darf ich fragen, ob Sie vielleicht in Wedel die Familie Markwort kennen?“ „Den Pastor, meinen Sie?“ „Ja, und –“ – er zögerte – „auch –“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0359" n="351"/> <p>Sie lächelte, aber gezwungen. „Es ist wegen des Nachhausewegs; vom Bahnhof sind es noch gute zehn Minuten.“</p> <p>Er guckte sie neugierig an. „Fürchten Sie sich, Fräulein?“</p> <p>„Ich gar nicht, aber zu Hause sehen sie es nicht gern.“</p> <p>Sie brach erröthend ab, als ob sie schon zu viel gesagt habe.</p> <p>Auch er schwieg eine Weile, während er ihr Gesicht, ihren Anzug, der dunkel und bescheiden war, nachdenklich prüfte. Wenn sie so viel mit einem Wildfremden gesprochen, so war es geschehen, weil er ihr gar nicht fremd vorkam. Sie mochte sein Gesicht, vielleicht war das der Grund; ein scharfes, bestimmtes Gesicht, nicht sehr jung, etwas sarkastische Mundwinkel, aber gute freundliche Augen. Er sah ernsthaft und klug aus, trug feine Kleider und elegante Handschuhe, die er während der ganzen Fahrt nicht abgestreift hatte, während das Fräulein die ihrigen beständig aus- und anzog, immer bemüht, die gespaltenen Spitzen, aus denen es rosa hervorleuchtete, vor ihrem Gegenüber zu verbergen. Plötzlich – sie waren schon über Flottbeck hinaus – bog er sich wieder vor: „Darf ich fragen, ob Sie vielleicht in Wedel die Familie Markwort kennen?“</p> <p>„Den Pastor, meinen Sie?“</p> <p>„Ja, und –“ – er zögerte – „auch –“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [351/0359]
Sie lächelte, aber gezwungen. „Es ist wegen des Nachhausewegs; vom Bahnhof sind es noch gute zehn Minuten.“
Er guckte sie neugierig an. „Fürchten Sie sich, Fräulein?“
„Ich gar nicht, aber zu Hause sehen sie es nicht gern.“
Sie brach erröthend ab, als ob sie schon zu viel gesagt habe.
Auch er schwieg eine Weile, während er ihr Gesicht, ihren Anzug, der dunkel und bescheiden war, nachdenklich prüfte. Wenn sie so viel mit einem Wildfremden gesprochen, so war es geschehen, weil er ihr gar nicht fremd vorkam. Sie mochte sein Gesicht, vielleicht war das der Grund; ein scharfes, bestimmtes Gesicht, nicht sehr jung, etwas sarkastische Mundwinkel, aber gute freundliche Augen. Er sah ernsthaft und klug aus, trug feine Kleider und elegante Handschuhe, die er während der ganzen Fahrt nicht abgestreift hatte, während das Fräulein die ihrigen beständig aus- und anzog, immer bemüht, die gespaltenen Spitzen, aus denen es rosa hervorleuchtete, vor ihrem Gegenüber zu verbergen. Plötzlich – sie waren schon über Flottbeck hinaus – bog er sich wieder vor: „Darf ich fragen, ob Sie vielleicht in Wedel die Familie Markwort kennen?“
„Den Pastor, meinen Sie?“
„Ja, und –“ – er zögerte – „auch –“
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