Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.das ist mir ganz gleichgültig. Wenn Du nicht begreifen kannst, daß Du Dir Platz machen mußt, so rathe ich Dir, bleibe um Gottes willen bei Deiner Nähmaschine und dem Kochtopf, es sind ja auch da immer Hände nöthig. Die Geschichte aber mit dem verkauften Armband und dem Arbeiten im Bette ist mir zu romantisch und sentimental und erscheint mir sehr unnütz, wo ein kräftiges Auftreten Deinerseits Dir mit einemmal alles verschaffen würde: Licht und Zeit und die Achtung Deiner Alten. Übrigens habe ich Dir einen Fünfmarkschein eingelegt, für den Fall, daß Du wieder Stearinlichter kaufen mußt. Ich bin ja zum Glück nicht so waschlappig wie mein Fräulein Cousine. Onkel Markwort, mein geehrter Herr Vormund, hat sich nie getraut, mir meine nöthigen Bedürfnisse zu beschneiden. Nein, Lisbeth, wir Männer sind doch ganz andere Kerle als ihr Weiber. Ein Mädchen von zwanzig Jahren und keinen Pfennig Geld! Ich konnte nur staunen, als ich es las. Also ein Bild bekomme ich nicht? Du hast nicht mal soviel Courage, Dein eigenes Bild aus dem Familienalbum zu nehmen? Gut, so laß es bleiben, aber dann kriegst Du meins ebensowenig. Du wirst sowieso wohl bald hingehen und Deiner Mutter reuevoll beichten, was für gefährliche Bücher ich Dir geschickt habe. Mater peccavi, ich seh Dich schon. das ist mir ganz gleichgültig. Wenn Du nicht begreifen kannst, daß Du Dir Platz machen mußt, so rathe ich Dir, bleibe um Gottes willen bei Deiner Nähmaschine und dem Kochtopf, es sind ja auch da immer Hände nöthig. Die Geschichte aber mit dem verkauften Armband und dem Arbeiten im Bette ist mir zu romantisch und sentimental und erscheint mir sehr unnütz, wo ein kräftiges Auftreten Deinerseits Dir mit einemmal alles verschaffen würde: Licht und Zeit und die Achtung Deiner Alten. Übrigens habe ich Dir einen Fünfmarkschein eingelegt, für den Fall, daß Du wieder Stearinlichter kaufen mußt. Ich bin ja zum Glück nicht so waschlappig wie mein Fräulein Cousine. Onkel Markwort, mein geehrter Herr Vormund, hat sich nie getraut, mir meine nöthigen Bedürfnisse zu beschneiden. Nein, Lisbeth, wir Männer sind doch ganz andere Kerle als ihr Weiber. Ein Mädchen von zwanzig Jahren und keinen Pfennig Geld! Ich konnte nur staunen, als ich es las. Also ein Bild bekomme ich nicht? Du hast nicht mal soviel Courage, Dein eigenes Bild aus dem Familienalbum zu nehmen? Gut, so laß es bleiben, aber dann kriegst Du meins ebensowenig. Du wirst sowieso wohl bald hingehen und Deiner Mutter reuevoll beichten, was für gefährliche Bücher ich Dir geschickt habe. Mater peccavi, ich seh Dich schon. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="letter" n="2"> <p><pb facs="#f0325" n="317"/> das ist mir ganz gleichgültig. Wenn Du nicht begreifen kannst, daß Du Dir Platz machen mußt, so rathe ich Dir, bleibe um Gottes willen bei Deiner Nähmaschine und dem Kochtopf, es sind ja auch da immer Hände nöthig.</p> <p>Die Geschichte aber mit dem verkauften Armband und dem Arbeiten im Bette ist mir zu romantisch und sentimental und erscheint mir sehr unnütz, wo ein kräftiges Auftreten Deinerseits Dir mit einemmal alles verschaffen würde: Licht und Zeit und die Achtung Deiner Alten. Übrigens habe ich Dir einen Fünfmarkschein eingelegt, für den Fall, daß Du wieder Stearinlichter kaufen mußt. Ich bin ja zum Glück nicht so waschlappig wie mein Fräulein Cousine. Onkel Markwort, mein geehrter Herr Vormund, hat sich nie getraut, mir meine nöthigen Bedürfnisse zu beschneiden. Nein, Lisbeth, wir Männer sind doch ganz andere Kerle als ihr Weiber. Ein Mädchen von zwanzig Jahren und keinen Pfennig Geld! Ich konnte nur staunen, als ich es las.</p> <p>Also ein Bild bekomme ich nicht? Du hast nicht mal soviel Courage, Dein eigenes Bild aus dem Familienalbum zu nehmen? Gut, so laß es bleiben, aber dann kriegst Du meins ebensowenig. Du wirst sowieso wohl bald hingehen und Deiner Mutter reuevoll beichten, was für gefährliche Bücher ich Dir geschickt habe. <hi rendition="#aq">Mater peccavi</hi>, ich seh Dich schon.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [317/0325]
das ist mir ganz gleichgültig. Wenn Du nicht begreifen kannst, daß Du Dir Platz machen mußt, so rathe ich Dir, bleibe um Gottes willen bei Deiner Nähmaschine und dem Kochtopf, es sind ja auch da immer Hände nöthig.
Die Geschichte aber mit dem verkauften Armband und dem Arbeiten im Bette ist mir zu romantisch und sentimental und erscheint mir sehr unnütz, wo ein kräftiges Auftreten Deinerseits Dir mit einemmal alles verschaffen würde: Licht und Zeit und die Achtung Deiner Alten. Übrigens habe ich Dir einen Fünfmarkschein eingelegt, für den Fall, daß Du wieder Stearinlichter kaufen mußt. Ich bin ja zum Glück nicht so waschlappig wie mein Fräulein Cousine. Onkel Markwort, mein geehrter Herr Vormund, hat sich nie getraut, mir meine nöthigen Bedürfnisse zu beschneiden. Nein, Lisbeth, wir Männer sind doch ganz andere Kerle als ihr Weiber. Ein Mädchen von zwanzig Jahren und keinen Pfennig Geld! Ich konnte nur staunen, als ich es las.
Also ein Bild bekomme ich nicht? Du hast nicht mal soviel Courage, Dein eigenes Bild aus dem Familienalbum zu nehmen? Gut, so laß es bleiben, aber dann kriegst Du meins ebensowenig. Du wirst sowieso wohl bald hingehen und Deiner Mutter reuevoll beichten, was für gefährliche Bücher ich Dir geschickt habe. Mater peccavi, ich seh Dich schon.
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Zitationshilfe: | Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 317. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/325>, abgerufen am 23.07.2024. |