Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.

Bild:
<< vorherige Seite

gewesen" - Nein, der Verlust von der Stimm', sag' ich. Gelt, Mann, die Seele'einsamkeit, die Verzweiflung von dem armen Mädle! Bis ein's so weit kommt! Und hat doch gewußt: jetzt zu Ostern kommt die Lotte Schaible auf Besuch!"

Der Souffleur senkt plötzlich den Kopf, als habe ihn etwas an die Schläfe getroffen. "Frau," macht er heiser, "wir müssen uns noch - gedulden, - ja, guck mi groß an, i hab au no so e Hiobs-Botschaft, aber, Gott sei Lob und Dank, was Herzzerreißend's ist's net, bloß, daß die Lotte, - sie ist g'sund und wohl, - bloß kommen kann's net - - Na, jetzt is' raus, aber essen kann i net, un Du au net, i seh' scho', und die Laubfrösch' - - ."

Das alte Pärchen hockte auf dem Küchentisch nieder und weinte die Aufregung und Enttäuschung aus, bis sich zuletzt die Frau mit einer heldenmüthigen Anstrengung aufrichtete: "'s Kind ist g'sund, - 's ist e Sünd' z' weinen. Was schreibt sie denn?" Sie zog den Mann in die Stube. Einen abschiednehmenden Blick warf sie nach dem Hackbrett in der Küche. "Es halt' bis Abend, ich richt's zum Nachtesse, - aber dem Julius, dem herzlose Kracher, möcht i's a'streiche, wie er uns zum besten hat! Jetzt ha'n mir kei' Ostere." Sie rieb sich die Augen, schnäuzte sich dröhnend und griff nach dem dünnen Briefchen. "Ach, die ,Schöpfung'! Guck au die Lotte! Jetz' weiß die in Frankfurt, daß

gewesen“ – Nein, der Verlust von der Stimm’, sag’ ich. Gelt, Mann, die Seele’einsamkeit, die Verzweiflung von dem armen Mädle! Bis ein’s so weit kommt! Und hat doch gewußt: jetzt zu Ostern kommt die Lotte Schaible auf Besuch!“

Der Souffleur senkt plötzlich den Kopf, als habe ihn etwas an die Schläfe getroffen. „Frau,“ macht er heiser, „wir müssen uns noch – gedulden, – ja, guck mi groß an, i hab au no so e Hiobs-Botschaft, aber, Gott sei Lob und Dank, was Herzzerreißend’s ist’s net, bloß, daß die Lotte, – sie ist g’sund und wohl, – bloß kommen kann’s net – – Na, jetzt is’ raus, aber essen kann i net, un Du au net, i seh’ scho’, und die Laubfrösch’ – – .“

Das alte Pärchen hockte auf dem Küchentisch nieder und weinte die Aufregung und Enttäuschung aus, bis sich zuletzt die Frau mit einer heldenmüthigen Anstrengung aufrichtete: „’s Kind ist g’sund, – ’s ist e Sünd’ z’ weinen. Was schreibt sie denn?“ Sie zog den Mann in die Stube. Einen abschiednehmenden Blick warf sie nach dem Hackbrett in der Küche. „Es halt’ bis Abend, ich richt’s zum Nachtesse, – aber dem Julius, dem herzlose Kracher, möcht i’s a’streiche, wie er uns zum besten hat! Jetzt ha’n mir kei’ Ostere.“ Sie rieb sich die Augen, schnäuzte sich dröhnend und griff nach dem dünnen Briefchen. „Ach, die ‚Schöpfung‘! Guck au die Lotte! Jetz’ weiß die in Frankfurt, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0291" n="283"/>
gewesen&#x201C; &#x2013; Nein, der Verlust von der Stimm&#x2019;, sag&#x2019; ich. Gelt, Mann, die Seele&#x2019;einsamkeit, die Verzweiflung von dem armen Mädle! Bis ein&#x2019;s so weit kommt! Und hat doch gewußt: jetzt zu Ostern kommt die Lotte Schaible auf Besuch!&#x201C;</p>
        <p>Der Souffleur senkt plötzlich den Kopf, als habe ihn etwas an die Schläfe getroffen. &#x201E;Frau,&#x201C; macht er heiser, &#x201E;wir müssen uns noch &#x2013; gedulden, &#x2013; ja, guck mi groß an, i hab au no so e Hiobs-Botschaft, aber, Gott sei Lob und Dank, was Herzzerreißend&#x2019;s ist&#x2019;s net, bloß, daß die Lotte, &#x2013; sie ist g&#x2019;sund und wohl, &#x2013; bloß kommen kann&#x2019;s net &#x2013; &#x2013; Na, jetzt is&#x2019; raus, aber essen kann i net, un Du au net, i seh&#x2019; scho&#x2019;, und die Laubfrösch&#x2019; &#x2013; &#x2013; .&#x201C;</p>
        <p>Das alte Pärchen hockte auf dem Küchentisch nieder und weinte die Aufregung und Enttäuschung aus, bis sich zuletzt die Frau mit einer heldenmüthigen Anstrengung aufrichtete: &#x201E;&#x2019;s Kind ist g&#x2019;sund, &#x2013; &#x2019;s ist e Sünd&#x2019; z&#x2019; weinen. Was schreibt sie denn?&#x201C; Sie zog den Mann in die Stube. Einen abschiednehmenden Blick warf sie nach dem Hackbrett in der Küche. &#x201E;Es halt&#x2019; bis Abend, ich richt&#x2019;s zum Nachtesse, &#x2013; aber dem Julius, dem herzlose Kracher, möcht i&#x2019;s a&#x2019;streiche, wie er uns zum besten hat! Jetzt ha&#x2019;n mir kei&#x2019; Ostere.&#x201C; Sie rieb sich die Augen, schnäuzte sich dröhnend und griff nach dem dünnen Briefchen. &#x201E;Ach, die &#x201A;Schöpfung&#x2018;! Guck au die Lotte! Jetz&#x2019; weiß die in Frankfurt, daß
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0291] gewesen“ – Nein, der Verlust von der Stimm’, sag’ ich. Gelt, Mann, die Seele’einsamkeit, die Verzweiflung von dem armen Mädle! Bis ein’s so weit kommt! Und hat doch gewußt: jetzt zu Ostern kommt die Lotte Schaible auf Besuch!“ Der Souffleur senkt plötzlich den Kopf, als habe ihn etwas an die Schläfe getroffen. „Frau,“ macht er heiser, „wir müssen uns noch – gedulden, – ja, guck mi groß an, i hab au no so e Hiobs-Botschaft, aber, Gott sei Lob und Dank, was Herzzerreißend’s ist’s net, bloß, daß die Lotte, – sie ist g’sund und wohl, – bloß kommen kann’s net – – Na, jetzt is’ raus, aber essen kann i net, un Du au net, i seh’ scho’, und die Laubfrösch’ – – .“ Das alte Pärchen hockte auf dem Küchentisch nieder und weinte die Aufregung und Enttäuschung aus, bis sich zuletzt die Frau mit einer heldenmüthigen Anstrengung aufrichtete: „’s Kind ist g’sund, – ’s ist e Sünd’ z’ weinen. Was schreibt sie denn?“ Sie zog den Mann in die Stube. Einen abschiednehmenden Blick warf sie nach dem Hackbrett in der Küche. „Es halt’ bis Abend, ich richt’s zum Nachtesse, – aber dem Julius, dem herzlose Kracher, möcht i’s a’streiche, wie er uns zum besten hat! Jetzt ha’n mir kei’ Ostere.“ Sie rieb sich die Augen, schnäuzte sich dröhnend und griff nach dem dünnen Briefchen. „Ach, die ‚Schöpfung‘! Guck au die Lotte! Jetz’ weiß die in Frankfurt, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-10-26T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-10-26T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/291
Zitationshilfe: Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_fluegel_1895/291>, abgerufen am 23.11.2024.