Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.geheimnißvoll, aber unzweifelhaft das Schönste verheißend. Richard mußte ihn sogleich lesen und begriff ihre Begeisterung nicht recht. Sie kreiste fortwährend um den Tisch herum und sprach wie im Fieber. Einige Damen wünschten ihre Bekanntschaft zu machen, der Kunsthändler lud sie zu morgen Mittag in seinen Salon ein. Lore dichtete eine lange Geschichte dazu. Sie hatten wahrscheinlich jenes wandernde Bild "Am Brunnen" gesehen, wollten aber mit der Malerin persönlich unterhandeln und waren deshalb nach München gekommen. Das schien ihr ganz selbstverständlich. Hausdörffer verschwendete eine Menge Worte, um sie vor zu großen Erwartungen zu behüten, aber er hatte nie Glück mit solchen Vorstellungen. "Rabengekrächz!" machte sie ärgerlich, "komm, Nolz, beiß ihn, er will mir die Freude verderben!" Nolz knurrte ihn an, als habe er nie auf seinen Knieen geschnarcht. "Sie kommen doch morgen jedenfalls wieder? Sie müssen doch hören," rief ihm die Malerin über die Treppe nach. "Ja, ich werde zwei Taschentücher einstecken," brummte er zurück. Am andern Morgen sollte die Begegnung stattfinden. - Hausdörffer machte sich um sechs Uhr, nach Schluß des physiologischen Instituts, mit einer unbestimmten Unruhe auf den Weg nach der Theresienstraße. geheimnißvoll, aber unzweifelhaft das Schönste verheißend. Richard mußte ihn sogleich lesen und begriff ihre Begeisterung nicht recht. Sie kreiste fortwährend um den Tisch herum und sprach wie im Fieber. Einige Damen wünschten ihre Bekanntschaft zu machen, der Kunsthändler lud sie zu morgen Mittag in seinen Salon ein. Lore dichtete eine lange Geschichte dazu. Sie hatten wahrscheinlich jenes wandernde Bild „Am Brunnen“ gesehen, wollten aber mit der Malerin persönlich unterhandeln und waren deshalb nach München gekommen. Das schien ihr ganz selbstverständlich. Hausdörffer verschwendete eine Menge Worte, um sie vor zu großen Erwartungen zu behüten, aber er hatte nie Glück mit solchen Vorstellungen. „Rabengekrächz!“ machte sie ärgerlich, „komm, Nolz, beiß ihn, er will mir die Freude verderben!“ Nolz knurrte ihn an, als habe er nie auf seinen Knieen geschnarcht. „Sie kommen doch morgen jedenfalls wieder? Sie müssen doch hören,“ rief ihm die Malerin über die Treppe nach. „Ja, ich werde zwei Taschentücher einstecken,“ brummte er zurück. Am andern Morgen sollte die Begegnung stattfinden. – Hausdörffer machte sich um sechs Uhr, nach Schluß des physiologischen Instituts, mit einer unbestimmten Unruhe auf den Weg nach der Theresienstraße. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0196" n="188"/> geheimnißvoll, aber unzweifelhaft das Schönste verheißend. Richard mußte ihn sogleich lesen und begriff ihre Begeisterung nicht recht. Sie kreiste fortwährend um den Tisch herum und sprach wie im Fieber. Einige Damen wünschten ihre Bekanntschaft zu machen, der Kunsthändler lud sie zu morgen Mittag in seinen Salon ein. Lore dichtete eine lange Geschichte dazu. Sie hatten wahrscheinlich jenes wandernde Bild „Am Brunnen“ gesehen, wollten aber mit der Malerin persönlich unterhandeln und waren deshalb nach München gekommen. Das schien ihr ganz selbstverständlich. Hausdörffer verschwendete eine Menge Worte, um sie vor zu großen Erwartungen zu behüten, aber er hatte nie Glück mit solchen Vorstellungen.</p> <p>„Rabengekrächz!“ machte sie ärgerlich, „komm, Nolz, beiß ihn, er will mir die Freude verderben!“</p> <p>Nolz knurrte ihn an, als habe er nie auf seinen Knieen geschnarcht.</p> <p>„Sie kommen doch morgen jedenfalls wieder? Sie müssen doch hören,“ rief ihm die Malerin über die Treppe nach.</p> <p>„Ja, ich werde zwei Taschentücher einstecken,“ brummte er zurück.</p> <p>Am andern Morgen sollte die Begegnung stattfinden. – Hausdörffer machte sich um sechs Uhr, nach Schluß des physiologischen Instituts, mit einer unbestimmten Unruhe auf den Weg nach der Theresienstraße. </p> </div> </body> </text> </TEI> [188/0196]
geheimnißvoll, aber unzweifelhaft das Schönste verheißend. Richard mußte ihn sogleich lesen und begriff ihre Begeisterung nicht recht. Sie kreiste fortwährend um den Tisch herum und sprach wie im Fieber. Einige Damen wünschten ihre Bekanntschaft zu machen, der Kunsthändler lud sie zu morgen Mittag in seinen Salon ein. Lore dichtete eine lange Geschichte dazu. Sie hatten wahrscheinlich jenes wandernde Bild „Am Brunnen“ gesehen, wollten aber mit der Malerin persönlich unterhandeln und waren deshalb nach München gekommen. Das schien ihr ganz selbstverständlich. Hausdörffer verschwendete eine Menge Worte, um sie vor zu großen Erwartungen zu behüten, aber er hatte nie Glück mit solchen Vorstellungen.
„Rabengekrächz!“ machte sie ärgerlich, „komm, Nolz, beiß ihn, er will mir die Freude verderben!“
Nolz knurrte ihn an, als habe er nie auf seinen Knieen geschnarcht.
„Sie kommen doch morgen jedenfalls wieder? Sie müssen doch hören,“ rief ihm die Malerin über die Treppe nach.
„Ja, ich werde zwei Taschentücher einstecken,“ brummte er zurück.
Am andern Morgen sollte die Begegnung stattfinden. – Hausdörffer machte sich um sechs Uhr, nach Schluß des physiologischen Instituts, mit einer unbestimmten Unruhe auf den Weg nach der Theresienstraße.
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