Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.Dachbalken hingen so tief, daß sie den Kopf bücken mußte. In dieser Haltung mit den vorgestreckten Händen schien ihm etwas traurig Resignirtes zu liegen. ,Wenn es nur keine Auseinandersetzung gibt! Macht sie mir Vorwürfe, so lauf' ich fort', sagte er sich. Er war seit dem Erlebniß mit Toni's Mutter ganz empfindlich und scheu geworden. Hastig wandte er alle Aufmerksamkeit auf die Bilder und Skizzen an den Wänden. "Viel Neues hinzugekommen?" "Nicht eben viel. Das Stillleben da hab' ich ausgeführt und verkauft." Er blickte sie rasch an, sie sprach das Wort "verkauft" mit einer so lebhaften Betonung. "Und da ist das Beste, was ich diesen Sommer gemacht habe." Sie zeigte nach einer Oelskizze; es war das verlorene Profil und der volle feste Nacken eines rothhaarigen Mädchens, es schien geradezu weißes Licht von dem frischen Fleisch auszugehen. "Schade, daß es nicht fertig ist." Hausdörffer war ganz gepackt. Die Malerin zuckte die Achseln. "Darum ging ich überhaupt nach diesem dummen Gauting," sagte sie zornig, "das heißt, das war mein künstlerischer Antrieb. Ein sehr schönes Modell, - sie war unser Zimmermädchen dort, ich sah ihr einmal zu, wie sie sich bei offenem Fenster wusch." Dachbalken hingen so tief, daß sie den Kopf bücken mußte. In dieser Haltung mit den vorgestreckten Händen schien ihm etwas traurig Resignirtes zu liegen. ‚Wenn es nur keine Auseinandersetzung gibt! Macht sie mir Vorwürfe, so lauf’ ich fort‘, sagte er sich. Er war seit dem Erlebniß mit Toni’s Mutter ganz empfindlich und scheu geworden. Hastig wandte er alle Aufmerksamkeit auf die Bilder und Skizzen an den Wänden. „Viel Neues hinzugekommen?“ „Nicht eben viel. Das Stillleben da hab’ ich ausgeführt und verkauft.“ Er blickte sie rasch an, sie sprach das Wort „verkauft“ mit einer so lebhaften Betonung. „Und da ist das Beste, was ich diesen Sommer gemacht habe.“ Sie zeigte nach einer Oelskizze; es war das verlorene Profil und der volle feste Nacken eines rothhaarigen Mädchens, es schien geradezu weißes Licht von dem frischen Fleisch auszugehen. „Schade, daß es nicht fertig ist.“ Hausdörffer war ganz gepackt. Die Malerin zuckte die Achseln. „Darum ging ich überhaupt nach diesem dummen Gauting,“ sagte sie zornig, „das heißt, das war mein künstlerischer Antrieb. Ein sehr schönes Modell, – sie war unser Zimmermädchen dort, ich sah ihr einmal zu, wie sie sich bei offenem Fenster wusch.“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0181" n="173"/> Dachbalken hingen so tief, daß sie den Kopf bücken mußte. In dieser Haltung mit den vorgestreckten Händen schien ihm etwas traurig Resignirtes zu liegen. ‚Wenn es nur keine Auseinandersetzung gibt! Macht sie mir Vorwürfe, so lauf’ ich fort‘, sagte er sich. Er war seit dem Erlebniß mit Toni’s Mutter ganz empfindlich und scheu geworden. Hastig wandte er alle Aufmerksamkeit auf die Bilder und Skizzen an den Wänden.</p> <p>„Viel Neues hinzugekommen?“</p> <p>„Nicht eben viel. Das Stillleben da hab’ ich ausgeführt und verkauft.“</p> <p>Er blickte sie rasch an, sie sprach das Wort „verkauft“ mit einer so lebhaften Betonung.</p> <p>„Und da ist das Beste, was ich diesen Sommer gemacht habe.“</p> <p>Sie zeigte nach einer Oelskizze; es war das verlorene Profil und der volle feste Nacken eines rothhaarigen Mädchens, es schien geradezu weißes Licht von dem frischen Fleisch auszugehen.</p> <p>„Schade, daß es nicht fertig ist.“ Hausdörffer war ganz gepackt.</p> <p>Die Malerin zuckte die Achseln. „Darum ging ich überhaupt nach diesem dummen Gauting,“ sagte sie zornig, „das heißt, das war mein künstlerischer Antrieb. Ein sehr schönes Modell, – sie war unser Zimmermädchen dort, ich sah ihr einmal zu, wie sie sich bei offenem Fenster wusch.“</p> </div> </body> </text> </TEI> [173/0181]
Dachbalken hingen so tief, daß sie den Kopf bücken mußte. In dieser Haltung mit den vorgestreckten Händen schien ihm etwas traurig Resignirtes zu liegen. ‚Wenn es nur keine Auseinandersetzung gibt! Macht sie mir Vorwürfe, so lauf’ ich fort‘, sagte er sich. Er war seit dem Erlebniß mit Toni’s Mutter ganz empfindlich und scheu geworden. Hastig wandte er alle Aufmerksamkeit auf die Bilder und Skizzen an den Wänden.
„Viel Neues hinzugekommen?“
„Nicht eben viel. Das Stillleben da hab’ ich ausgeführt und verkauft.“
Er blickte sie rasch an, sie sprach das Wort „verkauft“ mit einer so lebhaften Betonung.
„Und da ist das Beste, was ich diesen Sommer gemacht habe.“
Sie zeigte nach einer Oelskizze; es war das verlorene Profil und der volle feste Nacken eines rothhaarigen Mädchens, es schien geradezu weißes Licht von dem frischen Fleisch auszugehen.
„Schade, daß es nicht fertig ist.“ Hausdörffer war ganz gepackt.
Die Malerin zuckte die Achseln. „Darum ging ich überhaupt nach diesem dummen Gauting,“ sagte sie zornig, „das heißt, das war mein künstlerischer Antrieb. Ein sehr schönes Modell, – sie war unser Zimmermädchen dort, ich sah ihr einmal zu, wie sie sich bei offenem Fenster wusch.“
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |