Frapan, Ilse [i. e. Ilse Akunian]: Flügel auf! Novellen. Berlin, 1895.habe mit den zwei Welten: eine solche Geschmacklosigkeit, hierher zu ziehen! Äußerst verwirrt sah er aus, als er endlich erschien, mit Backen, die vor Verlegenheit brannten, und wild um den Kopf stehendem Haar. Wahrhaftig, er paßte in diese Umgebung. Wie ein verhungerter Dorfschulmeister! "Aber, lieber Doktor!" begann Mama vorwurfsvoll. Nun war sein Gesicht ernst genug, er begrüßte sie stumm und bat mit einer Handbewegung: "Gehen wir vielleicht der Landstraße nach?" Sie gingen. "Aber, lieber Doktor, ich begreife Sie nicht! Was ist das für eine Marotte?" Er murmelte, es sei sehr gut so, er kenne Dachau in- und auswendig, da oben in seiner Mansarde sei es ruhig und billig. "Und lustig scheint es auch herzugehen, nach Ihrem Lachen zu schließen." Nun glitt ein Zwinkern um seine Lippen. "Wenn Sie's denn wissen wollen - ich lag gerade im Bett, als Sie klopften, hatte mich todtmüde gelaufen." "Ach so!" und dann, in mütterlich besorgtem Ton: "Wie haben wir uns um Sie geängstigt! Was für Geschichten machen Sie uns!" "So haben Sie meinen Brief nicht bekommen?" stotterte er mit neidischen Blicken nach den Spatzen, die so gute Flügel hatten, und so tapfer Gebrauch davon machten. habe mit den zwei Welten: eine solche Geschmacklosigkeit, hierher zu ziehen! Äußerst verwirrt sah er aus, als er endlich erschien, mit Backen, die vor Verlegenheit brannten, und wild um den Kopf stehendem Haar. Wahrhaftig, er paßte in diese Umgebung. Wie ein verhungerter Dorfschulmeister! „Aber, lieber Doktor!“ begann Mama vorwurfsvoll. Nun war sein Gesicht ernst genug, er begrüßte sie stumm und bat mit einer Handbewegung: „Gehen wir vielleicht der Landstraße nach?“ Sie gingen. „Aber, lieber Doktor, ich begreife Sie nicht! Was ist das für eine Marotte?“ Er murmelte, es sei sehr gut so, er kenne Dachau in- und auswendig, da oben in seiner Mansarde sei es ruhig und billig. „Und lustig scheint es auch herzugehen, nach Ihrem Lachen zu schließen.“ Nun glitt ein Zwinkern um seine Lippen. „Wenn Sie’s denn wissen wollen – ich lag gerade im Bett, als Sie klopften, hatte mich todtmüde gelaufen.“ „Ach so!“ und dann, in mütterlich besorgtem Ton: „Wie haben wir uns um Sie geängstigt! Was für Geschichten machen Sie uns!“ „So haben Sie meinen Brief nicht bekommen?“ stotterte er mit neidischen Blicken nach den Spatzen, die so gute Flügel hatten, und so tapfer Gebrauch davon machten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0170" n="162"/> habe mit den zwei Welten: eine solche Geschmacklosigkeit, hierher zu ziehen! Äußerst verwirrt sah er aus, als er endlich erschien, mit Backen, die vor Verlegenheit brannten, und wild um den Kopf stehendem Haar. Wahrhaftig, er paßte in diese Umgebung. Wie ein verhungerter Dorfschulmeister!</p> <p>„Aber, lieber Doktor!“ begann Mama vorwurfsvoll. Nun war sein Gesicht ernst genug, er begrüßte sie stumm und bat mit einer Handbewegung: „Gehen wir vielleicht der Landstraße nach?“ Sie gingen.</p> <p>„Aber, lieber Doktor, ich begreife Sie nicht! Was ist das für eine Marotte?“</p> <p>Er murmelte, es sei sehr gut so, er kenne Dachau in- und auswendig, da oben in seiner Mansarde sei es ruhig und billig.</p> <p>„Und lustig scheint es auch herzugehen, nach Ihrem Lachen zu schließen.“</p> <p>Nun glitt ein Zwinkern um seine Lippen.</p> <p>„Wenn Sie’s denn wissen wollen – ich lag gerade im Bett, als Sie klopften, hatte mich todtmüde gelaufen.“</p> <p>„Ach so!“ und dann, in mütterlich besorgtem Ton: „Wie haben wir uns um Sie geängstigt! Was für Geschichten machen Sie uns!“</p> <p>„So haben Sie meinen Brief nicht bekommen?“ stotterte er mit neidischen Blicken nach den Spatzen, die so gute Flügel hatten, und so tapfer Gebrauch davon machten.</p> </div> </body> </text> </TEI> [162/0170]
habe mit den zwei Welten: eine solche Geschmacklosigkeit, hierher zu ziehen! Äußerst verwirrt sah er aus, als er endlich erschien, mit Backen, die vor Verlegenheit brannten, und wild um den Kopf stehendem Haar. Wahrhaftig, er paßte in diese Umgebung. Wie ein verhungerter Dorfschulmeister!
„Aber, lieber Doktor!“ begann Mama vorwurfsvoll. Nun war sein Gesicht ernst genug, er begrüßte sie stumm und bat mit einer Handbewegung: „Gehen wir vielleicht der Landstraße nach?“ Sie gingen.
„Aber, lieber Doktor, ich begreife Sie nicht! Was ist das für eine Marotte?“
Er murmelte, es sei sehr gut so, er kenne Dachau in- und auswendig, da oben in seiner Mansarde sei es ruhig und billig.
„Und lustig scheint es auch herzugehen, nach Ihrem Lachen zu schließen.“
Nun glitt ein Zwinkern um seine Lippen.
„Wenn Sie’s denn wissen wollen – ich lag gerade im Bett, als Sie klopften, hatte mich todtmüde gelaufen.“
„Ach so!“ und dann, in mütterlich besorgtem Ton: „Wie haben wir uns um Sie geängstigt! Was für Geschichten machen Sie uns!“
„So haben Sie meinen Brief nicht bekommen?“ stotterte er mit neidischen Blicken nach den Spatzen, die so gute Flügel hatten, und so tapfer Gebrauch davon machten.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-10-26T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-10-26T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |