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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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danken von dem einen zum anderen Bekannten.
Spitzer? Was kümmerte sich der um ihn, er hatte
ja nicht mal Skat mit ihm gespielt! Loni? Ihr
reizendes Bild war plötzlich verblaßt und verschwom¬
men! Hatte er sie wirklich erst gestern zu lieben ge¬
glaubt? War sie es, die ihn nicht hatte schlafen
lassen? Es schien fast unbegreiflich. Er sah auch sie
zwischen den Blumenbeeten sitzen und sagen: "Jetzt
kann er nimmer den Muckerl herausstreichen, aber daß
es so schnell gehn würd', hätt' ich mir net denkt, gelt
Papa?" Und sie setzte dem Jockerl nachdenklich einen
Kranz von Gänseblumen auf seinen dicken rothen
Kopf. Einer war da, einer war sein Freund, hätte
es werden können, wenn er sich bewährt hätte.
Wolff! Wolff! Verrathener Freund! Wirst Du's
je erfahren, daß ich untreu gewesen? Wird das
kleine Mädchen Dir Alles sagen? Ach, es war viel¬
leicht Alles eine Strafe für mein Vergehen!

Wieder lag er regungslos, die Hände gefaltet,
in Trauer und Zerknirschung. Dann hörte er von
Neuem Schritte auf der Treppe; sie werden mich fort¬
schaffen wollen, dachte er, nicht ohne Bitterkeit, denn
es war ihm ein Wohlgefühl, so still liegen zu dürfen.
Jetzt glaubte er die Stimme der Wirthin zu ver¬
nehmen. "Frau Huber," rief er laut, "beruhigen
Sie sich, ich will selbst ins Krankenhaus;" -- und
als keine Antwort kam, tastete er nach dem Tischchen

Frapan, Bittersüß. 6

danken von dem einen zum anderen Bekannten.
Spitzer? Was kümmerte ſich der um ihn, er hatte
ja nicht mal Skat mit ihm geſpielt! Loni? Ihr
reizendes Bild war plötzlich verblaßt und verſchwom¬
men! Hatte er ſie wirklich erſt geſtern zu lieben ge¬
glaubt? War ſie es, die ihn nicht hatte ſchlafen
laſſen? Es ſchien faſt unbegreiflich. Er ſah auch ſie
zwiſchen den Blumenbeeten ſitzen und ſagen: „Jetzt
kann er nimmer den Muckerl herausſtreichen, aber daß
es ſo ſchnell gehn würd', hätt' ich mir net denkt, gelt
Papa?“ Und ſie ſetzte dem Jockerl nachdenklich einen
Kranz von Gänſeblumen auf ſeinen dicken rothen
Kopf. Einer war da, einer war ſein Freund, hätte
es werden können, wenn er ſich bewährt hätte.
Wolff! Wolff! Verrathener Freund! Wirſt Du's
je erfahren, daß ich untreu geweſen? Wird das
kleine Mädchen Dir Alles ſagen? Ach, es war viel¬
leicht Alles eine Strafe für mein Vergehen!

Wieder lag er regungslos, die Hände gefaltet,
in Trauer und Zerknirſchung. Dann hörte er von
Neuem Schritte auf der Treppe; ſie werden mich fort¬
ſchaffen wollen, dachte er, nicht ohne Bitterkeit, denn
es war ihm ein Wohlgefühl, ſo ſtill liegen zu dürfen.
Jetzt glaubte er die Stimme der Wirthin zu ver¬
nehmen. „Frau Huber,“ rief er laut, „beruhigen
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als keine Antwort kam, taſtete er nach dem Tiſchchen

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[81/0097] danken von dem einen zum anderen Bekannten. Spitzer? Was kümmerte ſich der um ihn, er hatte ja nicht mal Skat mit ihm geſpielt! Loni? Ihr reizendes Bild war plötzlich verblaßt und verſchwom¬ men! Hatte er ſie wirklich erſt geſtern zu lieben ge¬ glaubt? War ſie es, die ihn nicht hatte ſchlafen laſſen? Es ſchien faſt unbegreiflich. Er ſah auch ſie zwiſchen den Blumenbeeten ſitzen und ſagen: „Jetzt kann er nimmer den Muckerl herausſtreichen, aber daß es ſo ſchnell gehn würd', hätt' ich mir net denkt, gelt Papa?“ Und ſie ſetzte dem Jockerl nachdenklich einen Kranz von Gänſeblumen auf ſeinen dicken rothen Kopf. Einer war da, einer war ſein Freund, hätte es werden können, wenn er ſich bewährt hätte. Wolff! Wolff! Verrathener Freund! Wirſt Du's je erfahren, daß ich untreu geweſen? Wird das kleine Mädchen Dir Alles ſagen? Ach, es war viel¬ leicht Alles eine Strafe für mein Vergehen! Wieder lag er regungslos, die Hände gefaltet, in Trauer und Zerknirſchung. Dann hörte er von Neuem Schritte auf der Treppe; ſie werden mich fort¬ ſchaffen wollen, dachte er, nicht ohne Bitterkeit, denn es war ihm ein Wohlgefühl, ſo ſtill liegen zu dürfen. Jetzt glaubte er die Stimme der Wirthin zu ver¬ nehmen. „Frau Huber,“ rief er laut, „beruhigen Sie ſich, ich will ſelbſt ins Krankenhaus;“ — und als keine Antwort kam, taſtete er nach dem Tiſchchen Frapan, Bitterſüß. 6

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/97>, abgerufen am 06.05.2024.