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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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Schnurrbart, den er beständig zauste. Sie hatte das
Busensträußchen eben wieder abgenommen und ver¬
theilte die Blumen, wozu sie allerlei muthwillige
Sprüche sagte, die zwar meistens gar keine Beziehung
zu ihr oder diesen Männern hatten, aber doch laut
belacht wurden. Zuletzt hielt sie nur noch ein leeres
Zweiglein, das als Stiel gedient hatte, in der Hand.
Sie reichte es mit einer graziösen Verbeugung Alfred
hin und summte dazu: "Wer nicht liebt Wein, Weib
und Gesang" --

"Fräulein, Fräulein, das hat ja der Luther ge¬
sagt," unterbrach sie ein kleiner Schwarzhaariger mit
scherzhaftem Fingerdrohen.

"Der Luther?" fragte sie zweifelhaft, "warum
nicht?"

"Der Luther war doch ein Ketzer!" ermahnte der
Schwarze unter dem Lachen der Uebrigen.

"Ach geh, Muckerl," rief das Fräulein, den Kopf
zurückwerfend, "das haben unsere katholischen Herren
lang' gewußt, eh sie's der Luther gelehrt hat."

Wieder lachte Alles.

"Aber hat denn der Luther Euch Katholiken
gelehrt?" fragte der Schwarze in scheinbarer Ver¬
wunderung.

Die Kleine gerieth in die Enge.

"Geschwätz!" sagte sie, mit dem Fuß auf den
Kiesboden stampfend. "Wer hat wen was gelehrt?

Schnurrbart, den er beſtändig zauſte. Sie hatte das
Buſenſträußchen eben wieder abgenommen und ver¬
theilte die Blumen, wozu ſie allerlei muthwillige
Sprüche ſagte, die zwar meiſtens gar keine Beziehung
zu ihr oder dieſen Männern hatten, aber doch laut
belacht wurden. Zuletzt hielt ſie nur noch ein leeres
Zweiglein, das als Stiel gedient hatte, in der Hand.
Sie reichte es mit einer graziöſen Verbeugung Alfred
hin und ſummte dazu: „Wer nicht liebt Wein, Weib
und Geſang“ —

„Fräulein, Fräulein, das hat ja der Luther ge¬
ſagt,“ unterbrach ſie ein kleiner Schwarzhaariger mit
ſcherzhaftem Fingerdrohen.

„Der Luther?“ fragte ſie zweifelhaft, „warum
nicht?“

„Der Luther war doch ein Ketzer!“ ermahnte der
Schwarze unter dem Lachen der Uebrigen.

„Ach geh, Muckerl,“ rief das Fräulein, den Kopf
zurückwerfend, „das haben unſere katholiſchen Herren
lang' gewußt, eh ſie's der Luther gelehrt hat.“

Wieder lachte Alles.

„Aber hat denn der Luther Euch Katholiken
gelehrt?“ fragte der Schwarze in ſcheinbarer Ver¬
wunderung.

Die Kleine gerieth in die Enge.

„Geſchwätz!“ ſagte ſie, mit dem Fuß auf den
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[31/0047] Schnurrbart, den er beſtändig zauſte. Sie hatte das Buſenſträußchen eben wieder abgenommen und ver¬ theilte die Blumen, wozu ſie allerlei muthwillige Sprüche ſagte, die zwar meiſtens gar keine Beziehung zu ihr oder dieſen Männern hatten, aber doch laut belacht wurden. Zuletzt hielt ſie nur noch ein leeres Zweiglein, das als Stiel gedient hatte, in der Hand. Sie reichte es mit einer graziöſen Verbeugung Alfred hin und ſummte dazu: „Wer nicht liebt Wein, Weib und Geſang“ — „Fräulein, Fräulein, das hat ja der Luther ge¬ ſagt,“ unterbrach ſie ein kleiner Schwarzhaariger mit ſcherzhaftem Fingerdrohen. „Der Luther?“ fragte ſie zweifelhaft, „warum nicht?“ „Der Luther war doch ein Ketzer!“ ermahnte der Schwarze unter dem Lachen der Uebrigen. „Ach geh, Muckerl,“ rief das Fräulein, den Kopf zurückwerfend, „das haben unſere katholiſchen Herren lang' gewußt, eh ſie's der Luther gelehrt hat.“ Wieder lachte Alles. „Aber hat denn der Luther Euch Katholiken gelehrt?“ fragte der Schwarze in ſcheinbarer Ver¬ wunderung. Die Kleine gerieth in die Enge. „Geſchwätz!“ ſagte ſie, mit dem Fuß auf den Kiesboden ſtampfend. „Wer hat wen was gelehrt?

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/47>, abgerufen am 09.11.2024.