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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

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Bilder malt. So etwas bemerkt man auf den ersten
Blick; Madonnen und Grablegung Christi, wie die
Meister in der alten Pinakothek, und in neuerer Zeit
Fugel u. A. m. wißt Ihr. Ich hatte mich so in
Acht genommen, ihn zu stören, aber Putzi, der ja
sonst der wohlerzogenste Hund der Welt ist, verstand
meinen Wink nicht, sondern sprang plötzlich mit freu¬
digem Gebell an ihm in die Höhe, so daß der Maler
zusammenfuhr. Papa und Mama waren schon wieder
voraus, und ich stand nun da, ganz roth vor
Schrecken und entschuldigte Putzi, so gut ich konnte.
Der Maler sah mich aber gar nicht an, sondern sagte
nur zu Putzi: "Also jetzt bist du auch auf'm Runkel¬
stein gewesen? Wirst du aber ein gelehrtes Hunderl!"
Ob das Spott sein sollte? Nachher fiel mir Allerlei
ein, was ich hätte antworten können, jetzt aber wußte
ich gar nichts zu sagen und ging schnell weiter. Wie
gern hätte ich einen Blick in sein Skizzenbuch gewor¬
fen, aber er sollte nicht glauben, daß ich eben so un¬
delikat sei, wie Putzi; der hatte ihn durch sein un¬
zeitiges Bellen gewiß aus einer Weihestimmung ge¬
rissen !

Ein sehr komisches, nettes Ehepaar aus Pom¬
mern haben wir kennen gelernt, ebenfalls durch Putzi,
der die dicke kleine Frau ansprang. Sie schrie erst
auf, als sie aber Putzi's Engelsköpfchen erblickte, rief
sie: "O, du süßes Thier, willst du mir bange

Bilder malt. So etwas bemerkt man auf den erſten
Blick; Madonnen und Grablegung Chriſti, wie die
Meiſter in der alten Pinakothek, und in neuerer Zeit
Fugel u. A. m. wißt Ihr. Ich hatte mich ſo in
Acht genommen, ihn zu ſtören, aber Putzi, der ja
ſonſt der wohlerzogenſte Hund der Welt iſt, verſtand
meinen Wink nicht, ſondern ſprang plötzlich mit freu¬
digem Gebell an ihm in die Höhe, ſo daß der Maler
zuſammenfuhr. Papa und Mama waren ſchon wieder
voraus, und ich ſtand nun da, ganz roth vor
Schrecken und entſchuldigte Putzi, ſo gut ich konnte.
Der Maler ſah mich aber gar nicht an, ſondern ſagte
nur zu Putzi: „Alſo jetzt biſt du auch auf'm Runkel¬
ſtein geweſen? Wirſt du aber ein gelehrtes Hunderl!“
Ob das Spott ſein ſollte? Nachher fiel mir Allerlei
ein, was ich hätte antworten können, jetzt aber wußte
ich gar nichts zu ſagen und ging ſchnell weiter. Wie
gern hätte ich einen Blick in ſein Skizzenbuch gewor¬
fen, aber er ſollte nicht glauben, daß ich eben ſo un¬
delikat ſei, wie Putzi; der hatte ihn durch ſein un¬
zeitiges Bellen gewiß aus einer Weiheſtimmung ge¬
riſſen !

Ein ſehr komiſches, nettes Ehepaar aus Pom¬
mern haben wir kennen gelernt, ebenfalls durch Putzi,
der die dicke kleine Frau anſprang. Sie ſchrie erſt
auf, als ſie aber Putzi's Engelsköpfchen erblickte, rief
ſie: „O, du ſüßes Thier, willſt du mir bange

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[204/0220] Bilder malt. So etwas bemerkt man auf den erſten Blick; Madonnen und Grablegung Chriſti, wie die Meiſter in der alten Pinakothek, und in neuerer Zeit Fugel u. A. m. wißt Ihr. Ich hatte mich ſo in Acht genommen, ihn zu ſtören, aber Putzi, der ja ſonſt der wohlerzogenſte Hund der Welt iſt, verſtand meinen Wink nicht, ſondern ſprang plötzlich mit freu¬ digem Gebell an ihm in die Höhe, ſo daß der Maler zuſammenfuhr. Papa und Mama waren ſchon wieder voraus, und ich ſtand nun da, ganz roth vor Schrecken und entſchuldigte Putzi, ſo gut ich konnte. Der Maler ſah mich aber gar nicht an, ſondern ſagte nur zu Putzi: „Alſo jetzt biſt du auch auf'm Runkel¬ ſtein geweſen? Wirſt du aber ein gelehrtes Hunderl!“ Ob das Spott ſein ſollte? Nachher fiel mir Allerlei ein, was ich hätte antworten können, jetzt aber wußte ich gar nichts zu ſagen und ging ſchnell weiter. Wie gern hätte ich einen Blick in ſein Skizzenbuch gewor¬ fen, aber er ſollte nicht glauben, daß ich eben ſo un¬ delikat ſei, wie Putzi; der hatte ihn durch ſein un¬ zeitiges Bellen gewiß aus einer Weiheſtimmung ge¬ riſſen ! Ein ſehr komiſches, nettes Ehepaar aus Pom¬ mern haben wir kennen gelernt, ebenfalls durch Putzi, der die dicke kleine Frau anſprang. Sie ſchrie erſt auf, als ſie aber Putzi's Engelsköpfchen erblickte, rief ſie: „O, du ſüßes Thier, willſt du mir bange

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Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/220>, abgerufen am 02.05.2024.