Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ho, ho! Mädle!" schrieen die Gesellen und
rückten drohend auf sie zu.

Einen Augenblick noch herrschte das Schweigen
der Rathlosigkeit, dann sagte plötzlich der Meister mit
rauher, entschiedener Stimme:

"Jetzt, wisset Se was? Se send e Lügnerin!
Descht Ihre eigne Handschrift!"

"'s ischt wohr! 's ischt e Mädeleshandschrift!"
wiederholte der Chor der schwarzen Gesellen.

Ganz versteinert stand das Mädchen; große
Thränen quollen aus ihren dunkeln Augen und rollten,
ohne daß sich das Gesicht verzog, über die bräunlichen
Wangen. Ueber Michels Augen legte sich's wie ein
Schleier, er faßte nach seinem Seitengewehr.

"Das hat mir noch kein Mensch gesagt,"
schluchzte das Mädchen, ihr weißes Tüchlein an die
Augen drückend, "das kann ich mir nicht gefallen
lassen! Meine Ehr' angreifen? Was hab' ich denn
weiter als meine Ehr'?" Und trostlos mit strömen¬
den Augen blickte sie den Beschuldiger an.

"Aber 's ischt doch aso!" schrie der Meister
mit einem Schlag in die Luft.

Im selben Augenblick aber schlug ihn einer über
die Schulter, daß er zusammenknickte, und ein zorn¬
glühendes Gesicht schnaubte ihn an:

"Wirscht Dei' Maul halte? So eppes sagt mer
net, wemmers net beweise ka'!"

„Ho, ho! Mädle!“ ſchrieen die Geſellen und
rückten drohend auf ſie zu.

Einen Augenblick noch herrſchte das Schweigen
der Rathloſigkeit, dann ſagte plötzlich der Meiſter mit
rauher, entſchiedener Stimme:

„Jetzt, wiſſet Se was? Se ſend e Lügnerin!
Deſcht Ihre eigne Handſchrift!“

„'s iſcht wohr! 's iſcht e Mädeleshandſchrift!“
wiederholte der Chor der ſchwarzen Geſellen.

Ganz verſteinert ſtand das Mädchen; große
Thränen quollen aus ihren dunkeln Augen und rollten,
ohne daß ſich das Geſicht verzog, über die bräunlichen
Wangen. Ueber Michels Augen legte ſich's wie ein
Schleier, er faßte nach ſeinem Seitengewehr.

„Das hat mir noch kein Menſch geſagt,“
ſchluchzte das Mädchen, ihr weißes Tüchlein an die
Augen drückend, „das kann ich mir nicht gefallen
laſſen! Meine Ehr' angreifen? Was hab' ich denn
weiter als meine Ehr'?“ Und troſtlos mit ſtrömen¬
den Augen blickte ſie den Beſchuldiger an.

„Aber 's iſcht doch aſo!“ ſchrie der Meiſter
mit einem Schlag in die Luft.

Im ſelben Augenblick aber ſchlug ihn einer über
die Schulter, daß er zuſammenknickte, und ein zorn¬
glühendes Geſicht ſchnaubte ihn an:

„Wirſcht Dei' Maul halte? So eppes ſagt mer
net, wemmers net beweiſe ka'!“

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0185" n="169"/>
        <p>&#x201E;Ho, ho! Mädle!&#x201C; &#x017F;chrieen die Ge&#x017F;ellen und<lb/>
rückten drohend auf &#x017F;ie zu.</p><lb/>
        <p>Einen Augenblick noch herr&#x017F;chte das Schweigen<lb/>
der Rathlo&#x017F;igkeit, dann &#x017F;agte plötzlich der Mei&#x017F;ter mit<lb/>
rauher, ent&#x017F;chiedener Stimme:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Jetzt, wi&#x017F;&#x017F;et Se was? Se &#x017F;end e Lügnerin!<lb/>
De&#x017F;cht Ihre eigne Hand&#x017F;chrift!&#x201C;</p><lb/>
        <p>&#x201E;'s i&#x017F;cht wohr! 's i&#x017F;cht e Mädeleshand&#x017F;chrift!&#x201C;<lb/>
wiederholte der Chor der &#x017F;chwarzen Ge&#x017F;ellen.</p><lb/>
        <p>Ganz ver&#x017F;teinert &#x017F;tand das Mädchen; große<lb/>
Thränen quollen aus ihren dunkeln Augen und rollten,<lb/>
ohne daß &#x017F;ich das Ge&#x017F;icht verzog, über die bräunlichen<lb/>
Wangen. Ueber Michels Augen legte &#x017F;ich's wie ein<lb/>
Schleier, er faßte nach &#x017F;einem Seitengewehr.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Das hat mir noch kein Men&#x017F;ch ge&#x017F;agt,&#x201C;<lb/>
&#x017F;chluchzte das Mädchen, ihr weißes Tüchlein an die<lb/>
Augen drückend, &#x201E;das kann ich mir nicht gefallen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en! Meine Ehr' angreifen? Was hab' ich denn<lb/>
weiter als meine Ehr'?&#x201C; Und tro&#x017F;tlos mit &#x017F;trömen¬<lb/>
den Augen blickte &#x017F;ie den Be&#x017F;chuldiger an.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Aber 's i&#x017F;cht doch a&#x017F;o!&#x201C; &#x017F;chrie der Mei&#x017F;ter<lb/>
mit einem Schlag in die Luft.</p><lb/>
        <p>Im &#x017F;elben Augenblick aber &#x017F;chlug ihn einer über<lb/>
die Schulter, daß er zu&#x017F;ammenknickte, und ein zorn¬<lb/>
glühendes Ge&#x017F;icht &#x017F;chnaubte ihn an:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir&#x017F;cht Dei' Maul halte? So eppes &#x017F;agt mer<lb/>
net, wemmers net bewei&#x017F;e ka'!&#x201C;</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[169/0185] „Ho, ho! Mädle!“ ſchrieen die Geſellen und rückten drohend auf ſie zu. Einen Augenblick noch herrſchte das Schweigen der Rathloſigkeit, dann ſagte plötzlich der Meiſter mit rauher, entſchiedener Stimme: „Jetzt, wiſſet Se was? Se ſend e Lügnerin! Deſcht Ihre eigne Handſchrift!“ „'s iſcht wohr! 's iſcht e Mädeleshandſchrift!“ wiederholte der Chor der ſchwarzen Geſellen. Ganz verſteinert ſtand das Mädchen; große Thränen quollen aus ihren dunkeln Augen und rollten, ohne daß ſich das Geſicht verzog, über die bräunlichen Wangen. Ueber Michels Augen legte ſich's wie ein Schleier, er faßte nach ſeinem Seitengewehr. „Das hat mir noch kein Menſch geſagt,“ ſchluchzte das Mädchen, ihr weißes Tüchlein an die Augen drückend, „das kann ich mir nicht gefallen laſſen! Meine Ehr' angreifen? Was hab' ich denn weiter als meine Ehr'?“ Und troſtlos mit ſtrömen¬ den Augen blickte ſie den Beſchuldiger an. „Aber 's iſcht doch aſo!“ ſchrie der Meiſter mit einem Schlag in die Luft. Im ſelben Augenblick aber ſchlug ihn einer über die Schulter, daß er zuſammenknickte, und ein zorn¬ glühendes Geſicht ſchnaubte ihn an: „Wirſcht Dei' Maul halte? So eppes ſagt mer net, wemmers net beweiſe ka'!“

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/185
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/185>, abgerufen am 13.10.2024.