Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie sah ihn mit einem kurzen, scharfen Blick an.
"Hast mi gern?" murmelte sie mit plötzlich nieder¬
geschlagenen Augen.

Er streckte seine Hand durch die Stäbe und
drückte die ihre, -- sie war hartgearbeitet, aber der
Druck war so herzhaft, fast hätte sie aufgeschrieen.
"Kommscht net e bisle uf d' Straß heut Obed? Du
steckscht fascht wie im e Gefängniß," bat er.

"Daß sie mi recht ausricht'n*) in der ganzen
Nachbarschaft? Nein, ein junges Madel muß vor¬
sichtig sein." Dabei sah sie ihn sehnsüchtig an und
seufzte, daß ihm ganz heiß wurde. Sie verstand sich
auf allerlei Augenspiel, und ihre Augen waren so
schön. Michel wollte es ihr eben sagen, als es laut
durch den Garten daherscholl:

"Monika! Monika!"

Sie verfärbte sich etwas, "'s gnä' Fräulein ruft,"
sagte sie schnell, "man hat keinen Augenblick Ruh,
-- b'hüt Gott, Michel."

Da tauchte der rothe Sonnenschirm schon ganz
nah aus dem Fichtendickicht hervor, das gnädige
Fräulein kam selbst, offenbar in einiger Erregung,
auf die Gemüsebeete zugeschritten, das Mädchen mit
diensteifriger Eile ihr entgegen.

Michel schob sich etwas ins Gebüsch zur Seite;

*) verklatschen.

Sie ſah ihn mit einem kurzen, ſcharfen Blick an.
„Haſt mi gern?“ murmelte ſie mit plötzlich nieder¬
geſchlagenen Augen.

Er ſtreckte ſeine Hand durch die Stäbe und
drückte die ihre, — ſie war hartgearbeitet, aber der
Druck war ſo herzhaft, faſt hätte ſie aufgeſchrieen.
„Kommſcht net e bisle uf d' Straß heut Obed? Du
ſteckſcht faſcht wie im e Gefängniß,“ bat er.

„Daß ſie mi recht ausricht'n*) in der ganzen
Nachbarſchaft? Nein, ein junges Madel muß vor¬
ſichtig ſein.“ Dabei ſah ſie ihn ſehnſüchtig an und
ſeufzte, daß ihm ganz heiß wurde. Sie verſtand ſich
auf allerlei Augenſpiel, und ihre Augen waren ſo
ſchön. Michel wollte es ihr eben ſagen, als es laut
durch den Garten daherſcholl:

„Monika! Monika!“

Sie verfärbte ſich etwas, „'s gnä' Fräulein ruft,“
ſagte ſie ſchnell, „man hat keinen Augenblick Ruh,
— b'hüt Gott, Michel.“

Da tauchte der rothe Sonnenſchirm ſchon ganz
nah aus dem Fichtendickicht hervor, das gnädige
Fräulein kam ſelbſt, offenbar in einiger Erregung,
auf die Gemüſebeete zugeſchritten, das Mädchen mit
dienſteifriger Eile ihr entgegen.

Michel ſchob ſich etwas ins Gebüſch zur Seite;

*) verklatſchen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0171" n="155"/>
        <p>Sie &#x017F;ah ihn mit einem kurzen, &#x017F;charfen Blick an.<lb/>
&#x201E;Ha&#x017F;t mi gern?&#x201C; murmelte &#x017F;ie mit plötzlich nieder¬<lb/>
ge&#x017F;chlagenen Augen.</p><lb/>
        <p>Er &#x017F;treckte &#x017F;eine Hand durch die Stäbe und<lb/>
drückte die ihre, &#x2014; &#x017F;ie war hartgearbeitet, aber der<lb/>
Druck war &#x017F;o herzhaft, fa&#x017F;t hätte &#x017F;ie aufge&#x017F;chrieen.<lb/>
&#x201E;Komm&#x017F;cht net e bisle uf d' Straß heut Obed? Du<lb/>
&#x017F;teck&#x017F;cht fa&#x017F;cht wie im e Gefängniß,&#x201C; bat er.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Daß &#x017F;ie mi recht ausricht'n<note place="foot" n="*)">verklat&#x017F;chen.<lb/></note> in der ganzen<lb/>
Nachbar&#x017F;chaft? Nein, ein junges Madel muß vor¬<lb/>
&#x017F;ichtig &#x017F;ein.&#x201C; Dabei &#x017F;ah &#x017F;ie ihn &#x017F;ehn&#x017F;üchtig an und<lb/>
&#x017F;eufzte, daß ihm ganz heiß wurde. Sie ver&#x017F;tand &#x017F;ich<lb/>
auf allerlei Augen&#x017F;piel, und ihre Augen waren &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chön. Michel wollte es ihr eben &#x017F;agen, als es laut<lb/>
durch den Garten daher&#x017F;choll:</p><lb/>
        <p>&#x201E;Monika! Monika!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Sie verfärbte &#x017F;ich etwas, &#x201E;'s gnä' Fräulein ruft,&#x201C;<lb/>
&#x017F;agte &#x017F;ie &#x017F;chnell, &#x201E;man hat keinen Augenblick Ruh,<lb/>
&#x2014; b'hüt Gott, Michel.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Da tauchte der rothe Sonnen&#x017F;chirm &#x017F;chon ganz<lb/>
nah aus dem Fichtendickicht hervor, das gnädige<lb/>
Fräulein kam &#x017F;elb&#x017F;t, offenbar in einiger Erregung,<lb/>
auf die Gemü&#x017F;ebeete zuge&#x017F;chritten, das Mädchen mit<lb/>
dien&#x017F;teifriger Eile ihr entgegen.</p><lb/>
        <p>Michel &#x017F;chob &#x017F;ich etwas ins Gebü&#x017F;ch zur Seite;<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[155/0171] Sie ſah ihn mit einem kurzen, ſcharfen Blick an. „Haſt mi gern?“ murmelte ſie mit plötzlich nieder¬ geſchlagenen Augen. Er ſtreckte ſeine Hand durch die Stäbe und drückte die ihre, — ſie war hartgearbeitet, aber der Druck war ſo herzhaft, faſt hätte ſie aufgeſchrieen. „Kommſcht net e bisle uf d' Straß heut Obed? Du ſteckſcht faſcht wie im e Gefängniß,“ bat er. „Daß ſie mi recht ausricht'n *) in der ganzen Nachbarſchaft? Nein, ein junges Madel muß vor¬ ſichtig ſein.“ Dabei ſah ſie ihn ſehnſüchtig an und ſeufzte, daß ihm ganz heiß wurde. Sie verſtand ſich auf allerlei Augenſpiel, und ihre Augen waren ſo ſchön. Michel wollte es ihr eben ſagen, als es laut durch den Garten daherſcholl: „Monika! Monika!“ Sie verfärbte ſich etwas, „'s gnä' Fräulein ruft,“ ſagte ſie ſchnell, „man hat keinen Augenblick Ruh, — b'hüt Gott, Michel.“ Da tauchte der rothe Sonnenſchirm ſchon ganz nah aus dem Fichtendickicht hervor, das gnädige Fräulein kam ſelbſt, offenbar in einiger Erregung, auf die Gemüſebeete zugeſchritten, das Mädchen mit dienſteifriger Eile ihr entgegen. Michel ſchob ſich etwas ins Gebüſch zur Seite; *) verklatſchen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/171
Zitationshilfe: Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/171>, abgerufen am 24.11.2024.