bessere und eine schlimmere. Entweder diese Flecke sind Alles, dann bekommen wir einen sogenannten Verletzungsstaar, der innerhalb eines gewissen Zeit¬ raums reift und operirt wird, worauf die volle Sehkraft zurückkehrt; oder -- es besteht neben dieser Verletzung noch eine innere, welche die Netzhaut zer¬ rissen hat und dann -- gibt es nichts mehr."
Das Gesicht der Zuhörerin war sehr blaß.
"Und wann, -- wann --" begann sie hastig.
"Unmöglich zu bestimmen," sagte der Arzt achsel¬ zuckend, -- "langwierig in jedem Fall, wie Sie sehen."
"Ist die letztere, die schlimmste Möglichkeit wahr¬ scheinlich?" Ihre Stimme bebte.
"Wir wissen nichts," wehrte der Doktor ab, "wir kennen nicht die Gewalt des Stoßes, den er er¬ litten hat, -- da er aus geringer Entfernung kam, wird er vielleicht nicht stark gewesen sein, -- nein, ich neige eigentlich zu der günstigeren Annahme," fuhr er sich durch den Bart streichend fort, -- "wir haben freilich auch dann Zeit vor uns! Zeit in Menge! Sorgen Sie nur für Geduld."
Langsamen Schritts kehrte sie an das Kranken¬ bett zurück. Alfred murmelte im Halbschlummer, sie legte ihre kühlen Hände auf seine brennenden. Plötz¬ lich schien er aufmerksam zu werden; er betastete die Finger, die Handflächen, umspannte das Gelenk.
beſſere und eine ſchlimmere. Entweder dieſe Flecke ſind Alles, dann bekommen wir einen ſogenannten Verletzungsſtaar, der innerhalb eines gewiſſen Zeit¬ raums reift und operirt wird, worauf die volle Sehkraft zurückkehrt; oder — es beſteht neben dieſer Verletzung noch eine innere, welche die Netzhaut zer¬ riſſen hat und dann — gibt es nichts mehr.“
Das Geſicht der Zuhörerin war ſehr blaß.
„Und wann, — wann —“ begann ſie haſtig.
„Unmöglich zu beſtimmen,“ ſagte der Arzt achſel¬ zuckend, — „langwierig in jedem Fall, wie Sie ſehen.“
„Iſt die letztere, die ſchlimmſte Möglichkeit wahr¬ ſcheinlich?“ Ihre Stimme bebte.
„Wir wiſſen nichts,“ wehrte der Doktor ab, „wir kennen nicht die Gewalt des Stoßes, den er er¬ litten hat, — da er aus geringer Entfernung kam, wird er vielleicht nicht ſtark geweſen ſein, — nein, ich neige eigentlich zu der günſtigeren Annahme,“ fuhr er ſich durch den Bart ſtreichend fort, — „wir haben freilich auch dann Zeit vor uns! Zeit in Menge! Sorgen Sie nur für Geduld.“
Langſamen Schritts kehrte ſie an das Kranken¬ bett zurück. Alfred murmelte im Halbſchlummer, ſie legte ihre kühlen Hände auf ſeine brennenden. Plötz¬ lich ſchien er aufmerkſam zu werden; er betaſtete die Finger, die Handflächen, umſpannte das Gelenk.
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beſſere und eine ſchlimmere. Entweder dieſe Flecke
ſind Alles, dann bekommen wir einen ſogenannten
Verletzungsſtaar, der innerhalb eines gewiſſen Zeit¬
raums reift und operirt wird, worauf die volle
Sehkraft zurückkehrt; oder — es beſteht neben dieſer
Verletzung noch eine innere, welche die Netzhaut zer¬
riſſen hat und dann — gibt es nichts mehr.“
Das Geſicht der Zuhörerin war ſehr blaß.
„Und wann, — wann —“ begann ſie haſtig.
„Unmöglich zu beſtimmen,“ ſagte der Arzt achſel¬
zuckend, — „langwierig in jedem Fall, wie Sie ſehen.“
„Iſt die letztere, die ſchlimmſte Möglichkeit wahr¬
ſcheinlich?“ Ihre Stimme bebte.
„Wir wiſſen nichts,“ wehrte der Doktor ab,
„wir kennen nicht die Gewalt des Stoßes, den er er¬
litten hat, — da er aus geringer Entfernung kam,
wird er vielleicht nicht ſtark geweſen ſein, — nein,
ich neige eigentlich zu der günſtigeren Annahme,“
fuhr er ſich durch den Bart ſtreichend fort, — „wir
haben freilich auch dann Zeit vor uns! Zeit in
Menge! Sorgen Sie nur für Geduld.“
Langſamen Schritts kehrte ſie an das Kranken¬
bett zurück. Alfred murmelte im Halbſchlummer, ſie
legte ihre kühlen Hände auf ſeine brennenden. Plötz¬
lich ſchien er aufmerkſam zu werden; er betaſtete die
Finger, die Handflächen, umſpannte das Gelenk.
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Frapan, Ilse: Bittersüß. Novellen. Berlin, 1891, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/frapan_bittersuess_1891/103>, abgerufen am 16.02.2025.
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