Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

und gut: ein Tourbillon hat sich um den Mann er¬
hoben und er bewegt sich nach allen Seiten mit Tact
und comme il faut. Nicht zum Geringsten auch
gegen uns. Das alte, väterliche Haus, "seine Treu¬
burg", wie er es nennt, bleibt unserer Verfügung, der
Miethzins Fräulein Hardinen zu Armenzwecken über¬
lassen. Kein Stück wird in Dörtchens bräutlichem
Zimmer verrückt, kein Gepäck mit auf die Reise ge¬
nommen. In ihren Hochzeitskleidern, leicht wie Sommer¬
vögel, fliegen sie in das bereitete Nest, wo dann alles
neu und nie gesehen das junge Weibchen umfängt und
erfrischt." --

"Wir hatten während dieser letzten Rede die Stadt
und Ihre Wohnung, Fräulein Hardine erreicht. Die
Mutter saß am Spinnrad vor der Thür. -- "Die Post
von Leipzig ist herein, und wieder ohne unsere Tochter,
Eberhard!" -- "Die Gräfin ist krank geworden," ver¬
setzte der Gemahl, "der Probst hat Nachricht. Aber
was sagt unsere Dorl, Adelheid?" -- " "Nun da so
ziemlich die letzte Hoffnung geschwunden ist, scheint sie
sich ihre kindische Sehnsucht aus dem Sinn schlagen
zu wollen. Sieh Dich um, Eberhard; an allen Fenstern
und Thüren ein gaffendes Gesicht. Eben ist Dorothee
am Arme ihres Bräutigams um die Ecke gebogen, zum

und gut: ein Tourbillon hat ſich um den Mann er¬
hoben und er bewegt ſich nach allen Seiten mit Tact
und comme il faut. Nicht zum Geringſten auch
gegen uns. Das alte, väterliche Haus, „ſeine Treu¬
burg“, wie er es nennt, bleibt unſerer Verfügung, der
Miethzins Fräulein Hardinen zu Armenzwecken über¬
laſſen. Kein Stück wird in Dörtchens bräutlichem
Zimmer verrückt, kein Gepäck mit auf die Reiſe ge¬
nommen. In ihren Hochzeitskleidern, leicht wie Sommer¬
vögel, fliegen ſie in das bereitete Neſt, wo dann alles
neu und nie geſehen das junge Weibchen umfängt und
erfriſcht.“ —

„Wir hatten während dieſer letzten Rede die Stadt
und Ihre Wohnung, Fräulein Hardine erreicht. Die
Mutter ſaß am Spinnrad vor der Thür. — „Die Poſt
von Leipzig iſt herein, und wieder ohne unſere Tochter,
Eberhard!“ — „Die Gräfin iſt krank geworden,“ ver¬
ſetzte der Gemahl, „der Probſt hat Nachricht. Aber
was ſagt unſere Dorl, Adelheid?“ — „ „Nun da ſo
ziemlich die letzte Hoffnung geſchwunden iſt, ſcheint ſie
ſich ihre kindiſche Sehnſucht aus dem Sinn ſchlagen
zu wollen. Sieh Dich um, Eberhard; an allen Fenſtern
und Thüren ein gaffendes Geſicht. Eben iſt Dorothee
am Arme ihres Bräutigams um die Ecke gebogen, zum

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0096" n="92"/>
und gut: ein Tourbillon hat &#x017F;ich um den Mann er¬<lb/>
hoben und er bewegt &#x017F;ich nach allen Seiten mit Tact<lb/>
und <hi rendition="#aq">comme il faut</hi>. Nicht zum Gering&#x017F;ten auch<lb/>
gegen uns. Das alte, väterliche Haus, &#x201E;&#x017F;eine Treu¬<lb/>
burg&#x201C;, wie er es nennt, bleibt un&#x017F;erer Verfügung, der<lb/>
Miethzins Fräulein Hardinen zu Armenzwecken über¬<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en. Kein Stück wird in Dörtchens bräutlichem<lb/>
Zimmer verrückt, kein Gepäck mit auf die Rei&#x017F;e ge¬<lb/>
nommen. In ihren Hochzeitskleidern, leicht wie Sommer¬<lb/>
vögel, fliegen &#x017F;ie in das bereitete Ne&#x017F;t, wo dann alles<lb/>
neu und nie ge&#x017F;ehen das junge Weibchen umfängt und<lb/>
erfri&#x017F;cht.&#x201C; &#x2014;</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wir hatten während die&#x017F;er letzten Rede die Stadt<lb/>
und Ihre Wohnung, Fräulein Hardine erreicht. Die<lb/>
Mutter &#x017F;aß am Spinnrad vor der Thür. &#x2014; &#x201E;Die Po&#x017F;t<lb/>
von Leipzig i&#x017F;t herein, und wieder ohne un&#x017F;ere Tochter,<lb/>
Eberhard!&#x201C; &#x2014; &#x201E;Die Gräfin i&#x017F;t krank geworden,&#x201C; ver¬<lb/>
&#x017F;etzte der Gemahl, &#x201E;der Prob&#x017F;t hat Nachricht. Aber<lb/>
was &#x017F;agt un&#x017F;ere Dorl, Adelheid?&#x201C; &#x2014; &#x201E; &#x201E;Nun da &#x017F;o<lb/>
ziemlich die letzte Hoffnung ge&#x017F;chwunden i&#x017F;t, &#x017F;cheint &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich ihre kindi&#x017F;che Sehn&#x017F;ucht aus dem Sinn &#x017F;chlagen<lb/>
zu wollen. Sieh Dich um, Eberhard; an allen Fen&#x017F;tern<lb/>
und Thüren ein gaffendes Ge&#x017F;icht. Eben i&#x017F;t Dorothee<lb/>
am Arme ihres Bräutigams um die Ecke gebogen, zum<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0096] und gut: ein Tourbillon hat ſich um den Mann er¬ hoben und er bewegt ſich nach allen Seiten mit Tact und comme il faut. Nicht zum Geringſten auch gegen uns. Das alte, väterliche Haus, „ſeine Treu¬ burg“, wie er es nennt, bleibt unſerer Verfügung, der Miethzins Fräulein Hardinen zu Armenzwecken über¬ laſſen. Kein Stück wird in Dörtchens bräutlichem Zimmer verrückt, kein Gepäck mit auf die Reiſe ge¬ nommen. In ihren Hochzeitskleidern, leicht wie Sommer¬ vögel, fliegen ſie in das bereitete Neſt, wo dann alles neu und nie geſehen das junge Weibchen umfängt und erfriſcht.“ — „Wir hatten während dieſer letzten Rede die Stadt und Ihre Wohnung, Fräulein Hardine erreicht. Die Mutter ſaß am Spinnrad vor der Thür. — „Die Poſt von Leipzig iſt herein, und wieder ohne unſere Tochter, Eberhard!“ — „Die Gräfin iſt krank geworden,“ ver¬ ſetzte der Gemahl, „der Probſt hat Nachricht. Aber was ſagt unſere Dorl, Adelheid?“ — „ „Nun da ſo ziemlich die letzte Hoffnung geſchwunden iſt, ſcheint ſie ſich ihre kindiſche Sehnſucht aus dem Sinn ſchlagen zu wollen. Sieh Dich um, Eberhard; an allen Fenſtern und Thüren ein gaffendes Geſicht. Eben iſt Dorothee am Arme ihres Bräutigams um die Ecke gebogen, zum

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/96
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/96>, abgerufen am 20.04.2024.