tochter zu einer sicheren Bewegung in diesem Zusam¬ menhange die materielle Ausstattung nicht gemangelt haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬ men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beschau¬ lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬ gig von derselben.
Es soll indessen nicht verhehlt sein, daß ein Zu¬ sammentreffen der beiden Abschlußakte meines Lebens, daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen Hause, mir als Wunsch vor der Seele stand, und bleibe es dahingestellt, ob der alte Namensklang nicht einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar schwer, mit eingelebten, geistigen Gewöhnungen, Vorurtheile genannt, tabula rasa zu machen, und es ist auch gar nicht nöthig so mit Schaufel und Harke sein Stück¬ chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬ scheidenden Stunde das Urtheil stirnhoch über dem Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke steht.
Heimlich also, es ist möglich, lockte der alte Namensklang, unter dem der neue verschwinden sollte; laut aber, das ist gewiß, sprach das Verlangen, eine getäuschte Erwartung nachträglich in Erfüllung zu bringen. Ich schätzte den Grafen mehr als jemals
tochter zu einer ſicheren Bewegung in dieſem Zuſam¬ menhange die materielle Ausſtattung nicht gemangelt haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬ men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beſchau¬ lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬ gig von derſelben.
Es ſoll indeſſen nicht verhehlt ſein, daß ein Zu¬ ſammentreffen der beiden Abſchlußakte meines Lebens, daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen Hauſe, mir als Wunſch vor der Seele ſtand, und bleibe es dahingeſtellt, ob der alte Namensklang nicht einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar ſchwer, mit eingelebten, geiſtigen Gewöhnungen, Vorurtheile genannt, tabula rasa zu machen, und es iſt auch gar nicht nöthig ſo mit Schaufel und Harke ſein Stück¬ chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬ ſcheidenden Stunde das Urtheil ſtirnhoch über dem Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke ſteht.
Heimlich alſo, es iſt möglich, lockte der alte Namensklang, unter dem der neue verſchwinden ſollte; laut aber, das iſt gewiß, ſprach das Verlangen, eine getäuſchte Erwartung nachträglich in Erfüllung zu bringen. Ich ſchätzte den Grafen mehr als jemals
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0262"n="258"/>
tochter zu einer ſicheren Bewegung in dieſem Zuſam¬<lb/>
menhange die materielle Ausſtattung nicht gemangelt<lb/>
haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬<lb/>
men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beſchau¬<lb/>
lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte<lb/>
freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬<lb/>
gig von derſelben.</p><lb/><p>Es ſoll indeſſen nicht verhehlt ſein, daß ein Zu¬<lb/>ſammentreffen der beiden Abſchlußakte meines Lebens,<lb/>
daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen<lb/>
Hauſe, mir als Wunſch vor der Seele ſtand, und<lb/>
bleibe es dahingeſtellt, ob der alte Namensklang nicht<lb/>
einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar ſchwer,<lb/>
mit eingelebten, geiſtigen Gewöhnungen, Vorurtheile<lb/>
genannt, <hirendition="#aq">tabula rasa</hi> zu machen, und es iſt auch gar<lb/>
nicht nöthig ſo mit Schaufel und Harke ſein Stück¬<lb/>
chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬<lb/>ſcheidenden Stunde das Urtheil ſtirnhoch über dem<lb/>
Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke ſteht.</p><lb/><p>Heimlich alſo, es iſt möglich, lockte der alte<lb/>
Namensklang, unter dem der neue verſchwinden ſollte;<lb/>
laut aber, das iſt gewiß, ſprach das Verlangen,<lb/>
eine getäuſchte Erwartung nachträglich in Erfüllung<lb/>
zu bringen. Ich ſchätzte den Grafen mehr als jemals<lb/></p></div></body></text></TEI>
[258/0262]
tochter zu einer ſicheren Bewegung in dieſem Zuſam¬
menhange die materielle Ausſtattung nicht gemangelt
haben würde. Einen reichen Mann, oder einen ar¬
men, einen alten Namen, oder einen neuen, einen beſchau¬
lichen Charakter, oder einen thätigen: das Herz hatte
freie Wahl, das Erbe der Reckenburg war unabhän¬
gig von derſelben.
Es ſoll indeſſen nicht verhehlt ſein, daß ein Zu¬
ſammentreffen der beiden Abſchlußakte meines Lebens,
daß namentlich eine Verbindung mit dem gräflichen
Hauſe, mir als Wunſch vor der Seele ſtand, und
bleibe es dahingeſtellt, ob der alte Namensklang nicht
einen heimlichen Zauber übte. Es hält gar ſchwer,
mit eingelebten, geiſtigen Gewöhnungen, Vorurtheile
genannt, tabula rasa zu machen, und es iſt auch gar
nicht nöthig ſo mit Schaufel und Harke ſein Stück¬
chen Lebensboden zu planiren; wenn nur in der ent¬
ſcheidenden Stunde das Urtheil ſtirnhoch über dem
Vorurtheil und das Herz auf dem rechten Flecke ſteht.
Heimlich alſo, es iſt möglich, lockte der alte
Namensklang, unter dem der neue verſchwinden ſollte;
laut aber, das iſt gewiß, ſprach das Verlangen,
eine getäuſchte Erwartung nachträglich in Erfüllung
zu bringen. Ich ſchätzte den Grafen mehr als jemals
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 258. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/262>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.