François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.Tüchern einen Knäuel, preßt ihn an ihr Herz und Wir traten in das Krankenzimmer. Es war Tüchern einen Knäuel, preßt ihn an ihr Herz und Wir traten in das Krankenzimmer. Es war <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="203"/> Tüchern einen Knäuel, preßt ihn an ihr Herz und<lb/> liebkoſt ihn wie eine Mutter ihr Kind: bald aber zer¬<lb/> reißt ſie mit der Kraft der Raſerei den Balg in<lb/> Stücken, ſchleudert ihn von ſich, ſchreit auf, ſieht ſich<lb/> — oder wen? — in einer teufliſchen Umgebung, die<lb/> ſie „die Schwarzen“ nennt und kann nur mit Zwangs¬<lb/> mitteln zurückgehalten werden, eine gewaltſame Befrei¬<lb/> ung aus dieſer Seelenqual zu ſuchen. Und dennoch,<lb/> dennoch, ſollten Sie es glauben, Fräulein Hardine?<lb/> das engelhafte Gemüth hat ſich auch in dieſem<lb/> Aeußerſten nicht bemeiſtern laſſen. Vor dem troſtloſen<lb/> Gatten möchte ſie ihre Folter auch jetzt noch verheim¬<lb/> lichen. „Still, ſtill!“ flüſtert ſie, ſo oft ich mich nahe.<lb/> Da aber die Angſt ſtärker iſt als der Wille, wird ſie<lb/> immer unruhiger, windet ſich, bäumt ſich, ſtöhnt, bis<lb/> ich mich entferne und ſie wie erlöſt aufathmet, um<lb/> bald von Neuem von dem gemordeten Knaben und<lb/> den Schwarzen verfolgt zu werden.“</p><lb/> <p>Wir traten in das Krankenzimmer. Es war<lb/> tageshell erleuchtet, denn die bedrohenden Geſpenſter<lb/> wuchſen in der Dunkelheit. Zwei baumſtarke Wär¬<lb/> terinnen verſahen den Dienſt. Dorothee ſaß im Bett<lb/> in unzähmbarer Unruhe. Mit der einen Hand ſtieß<lb/> ſie eine calmirende Arznei zurück, mit der anderen riß<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0207]
Tüchern einen Knäuel, preßt ihn an ihr Herz und
liebkoſt ihn wie eine Mutter ihr Kind: bald aber zer¬
reißt ſie mit der Kraft der Raſerei den Balg in
Stücken, ſchleudert ihn von ſich, ſchreit auf, ſieht ſich
— oder wen? — in einer teufliſchen Umgebung, die
ſie „die Schwarzen“ nennt und kann nur mit Zwangs¬
mitteln zurückgehalten werden, eine gewaltſame Befrei¬
ung aus dieſer Seelenqual zu ſuchen. Und dennoch,
dennoch, ſollten Sie es glauben, Fräulein Hardine?
das engelhafte Gemüth hat ſich auch in dieſem
Aeußerſten nicht bemeiſtern laſſen. Vor dem troſtloſen
Gatten möchte ſie ihre Folter auch jetzt noch verheim¬
lichen. „Still, ſtill!“ flüſtert ſie, ſo oft ich mich nahe.
Da aber die Angſt ſtärker iſt als der Wille, wird ſie
immer unruhiger, windet ſich, bäumt ſich, ſtöhnt, bis
ich mich entferne und ſie wie erlöſt aufathmet, um
bald von Neuem von dem gemordeten Knaben und
den Schwarzen verfolgt zu werden.“
Wir traten in das Krankenzimmer. Es war
tageshell erleuchtet, denn die bedrohenden Geſpenſter
wuchſen in der Dunkelheit. Zwei baumſtarke Wär¬
terinnen verſahen den Dienſt. Dorothee ſaß im Bett
in unzähmbarer Unruhe. Mit der einen Hand ſtieß
ſie eine calmirende Arznei zurück, mit der anderen riß
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