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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

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herab; ein Forst, welchen vor einem Jahrhundert ein
Windbruch verwüstete, steht, bei Fleiß und Geduld,
nach wieder einem Jahrhundert in einen Nadelwald und
endlich in einen Laubwald umgewandelt. Und wie die
Erde, so der Erdenherr. Nicht auf dem Lotterbette,
sei es des Elends oder der Wollust, aufrecht, im
Schweiße seines Angesichtes bildet sich der Mensch.

Diese Fibelweisheit prägte ich in das Gemüth
meiner Colonie nicht mit dem verpuffenden Wort des
Missionärs, sondern als Münzmeister mit dem hand¬
lichen Stempel, den ich in dem Goldthurm der schwar¬
zen Gräfin vorgefunden hatte. Wer seine dürftige
Scholle nach meinen Erfahrungen bearbeitete, seinen
Viehstand genau nach denselben verpflegte, erhielt aus
herrschaftlichen Beständen Werkzeug, Saatkorn und
junge Zucht, erhielt sie wiederholt in Zeiten des Mi߬
wachses oder der Seuche. Niemals jedoch ohne die
Bedingung allmäliger Rückerstattung nach Jahren des
Gedeihens. Wer seines Bodens am frühesten oder
fleißigsten Herr geworden war, der erhielt von dem
Gutsareal, das sich während der kriegerischen Unsicher¬
heit ohne schwere Opfer noch immer erweitern ließ,
zugelegt. Niemals jedoch ohne die Bedingung einer
mäßigen, aber regelmäßigen Rente, welche den Til¬

herab; ein Forſt, welchen vor einem Jahrhundert ein
Windbruch verwüſtete, ſteht, bei Fleiß und Geduld,
nach wieder einem Jahrhundert in einen Nadelwald und
endlich in einen Laubwald umgewandelt. Und wie die
Erde, ſo der Erdenherr. Nicht auf dem Lotterbette,
ſei es des Elends oder der Wolluſt, aufrecht, im
Schweiße ſeines Angeſichtes bildet ſich der Menſch.

Dieſe Fibelweisheit prägte ich in das Gemüth
meiner Colonie nicht mit dem verpuffenden Wort des
Miſſionärs, ſondern als Münzmeiſter mit dem hand¬
lichen Stempel, den ich in dem Goldthurm der ſchwar¬
zen Gräfin vorgefunden hatte. Wer ſeine dürftige
Scholle nach meinen Erfahrungen bearbeitete, ſeinen
Viehſtand genau nach denſelben verpflegte, erhielt aus
herrſchaftlichen Beſtänden Werkzeug, Saatkorn und
junge Zucht, erhielt ſie wiederholt in Zeiten des Mi߬
wachſes oder der Seuche. Niemals jedoch ohne die
Bedingung allmäliger Rückerſtattung nach Jahren des
Gedeihens. Wer ſeines Bodens am früheſten oder
fleißigſten Herr geworden war, der erhielt von dem
Gutsareal, das ſich während der kriegeriſchen Unſicher¬
heit ohne ſchwere Opfer noch immer erweitern ließ,
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[157/0161] herab; ein Forſt, welchen vor einem Jahrhundert ein Windbruch verwüſtete, ſteht, bei Fleiß und Geduld, nach wieder einem Jahrhundert in einen Nadelwald und endlich in einen Laubwald umgewandelt. Und wie die Erde, ſo der Erdenherr. Nicht auf dem Lotterbette, ſei es des Elends oder der Wolluſt, aufrecht, im Schweiße ſeines Angeſichtes bildet ſich der Menſch. Dieſe Fibelweisheit prägte ich in das Gemüth meiner Colonie nicht mit dem verpuffenden Wort des Miſſionärs, ſondern als Münzmeiſter mit dem hand¬ lichen Stempel, den ich in dem Goldthurm der ſchwar¬ zen Gräfin vorgefunden hatte. Wer ſeine dürftige Scholle nach meinen Erfahrungen bearbeitete, ſeinen Viehſtand genau nach denſelben verpflegte, erhielt aus herrſchaftlichen Beſtänden Werkzeug, Saatkorn und junge Zucht, erhielt ſie wiederholt in Zeiten des Mi߬ wachſes oder der Seuche. Niemals jedoch ohne die Bedingung allmäliger Rückerſtattung nach Jahren des Gedeihens. Wer ſeines Bodens am früheſten oder fleißigſten Herr geworden war, der erhielt von dem Gutsareal, das ſich während der kriegeriſchen Unſicher¬ heit ohne ſchwere Opfer noch immer erweitern ließ, zugelegt. Niemals jedoch ohne die Bedingung einer mäßigen, aber regelmäßigen Rente, welche den Til¬

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/161>, abgerufen am 28.03.2024.