Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871.

Bild:
<< vorherige Seite

und in athemloser Spannung seiner Rede lauschte.
Lachend reichte er ihr einen Brief, welchen er dem
Courier abgenommen hatte; "Ein Tausendsassa, liebe
Dorl, wie er die Gelegenheiten wahrzunehmen weiß!"

Dorothee riß den Brief an sich und floh die
Treppe hinan. Der Vater hielt noch einen zweiten
Brief in der Hand. "Vom Adjutanten," sagte er,
nachdem wir in das Wohnzimmer getreten waren.
"Er wird uns, denk' ich, das Räthsel lösen."

Ich zündete in der Hast das Lebenslicht auf dem
Geburtstagskuchen an, und stand in athemloser Span¬
nung, bis der Vater den Brief entsiegelt hatte. Kaum
aber, daß er einen Blick hineingeworfen, sah ich ihn
auf dem Stuhl zurücksinken, das Blatt seiner Hand
entfallen. "Todt, todt!" stöhnte er, wie vernichtet.

"Wer ist todt?" kreischte die Mutter. Sie hob
das Blatt vom Boden auf. Ein Blick auf das erste
Wort; ein zweiter der tiefsten Angst zu mir hinüber.
Ich lag nicht in Ohnmacht oder Krämpfen; ich stand
steif wie eine Kerze. Sie legte es beruhigt in meine
Hand. Es war flüchtig mit Bleistift geschrieben und
datirte vom einundzwanzigsten September.

"Unser herrlicher Prinz ist todt! Das Opfer
eines Kampfes, für den ich keine Bezeichnung habe.

und in athemloſer Spannung ſeiner Rede lauſchte.
Lachend reichte er ihr einen Brief, welchen er dem
Courier abgenommen hatte; „Ein Tauſendſaſſa, liebe
Dorl, wie er die Gelegenheiten wahrzunehmen weiß!“

Dorothee riß den Brief an ſich und floh die
Treppe hinan. Der Vater hielt noch einen zweiten
Brief in der Hand. „Vom Adjutanten,“ ſagte er,
nachdem wir in das Wohnzimmer getreten waren.
„Er wird uns, denk’ ich, das Räthſel löſen.“

Ich zündete in der Haſt das Lebenslicht auf dem
Geburtstagskuchen an, und ſtand in athemloſer Span¬
nung, bis der Vater den Brief entſiegelt hatte. Kaum
aber, daß er einen Blick hineingeworfen, ſah ich ihn
auf dem Stuhl zurückſinken, das Blatt ſeiner Hand
entfallen. „Todt, todt!“ ſtöhnte er, wie vernichtet.

„Wer iſt todt?“ kreiſchte die Mutter. Sie hob
das Blatt vom Boden auf. Ein Blick auf das erſte
Wort; ein zweiter der tiefſten Angſt zu mir hinüber.
Ich lag nicht in Ohnmacht oder Krämpfen; ich ſtand
ſteif wie eine Kerze. Sie legte es beruhigt in meine
Hand. Es war flüchtig mit Bleiſtift geſchrieben und
datirte vom einundzwanzigſten September.

„Unſer herrlicher Prinz iſt todt! Das Opfer
eines Kampfes, für den ich keine Bezeichnung habe.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0014" n="10"/>
und in athemlo&#x017F;er Spannung &#x017F;einer Rede lau&#x017F;chte.<lb/>
Lachend reichte er ihr einen Brief, welchen er dem<lb/>
Courier abgenommen hatte; &#x201E;Ein Tau&#x017F;end&#x017F;a&#x017F;&#x017F;a, liebe<lb/>
Dorl, wie er die Gelegenheiten wahrzunehmen weiß!&#x201C;</p><lb/>
        <p>Dorothee riß den Brief an &#x017F;ich und floh die<lb/>
Treppe hinan. Der Vater hielt noch einen zweiten<lb/>
Brief in der Hand. &#x201E;Vom Adjutanten,&#x201C; &#x017F;agte er,<lb/>
nachdem wir in das Wohnzimmer getreten waren.<lb/>
&#x201E;Er wird uns, denk&#x2019; ich, das Räth&#x017F;el lö&#x017F;en.&#x201C;</p><lb/>
        <p>Ich zündete in der Ha&#x017F;t das Lebenslicht auf dem<lb/>
Geburtstagskuchen an, und &#x017F;tand in athemlo&#x017F;er Span¬<lb/>
nung, bis der Vater den Brief ent&#x017F;iegelt hatte. Kaum<lb/>
aber, daß er einen Blick hineingeworfen, &#x017F;ah ich ihn<lb/>
auf dem Stuhl zurück&#x017F;inken, das Blatt &#x017F;einer Hand<lb/>
entfallen. &#x201E;Todt, todt!&#x201C; &#x017F;töhnte er, wie vernichtet.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Wer i&#x017F;t todt?&#x201C; krei&#x017F;chte die Mutter. Sie hob<lb/>
das Blatt vom Boden auf. Ein Blick auf das er&#x017F;te<lb/>
Wort; ein zweiter der tief&#x017F;ten Ang&#x017F;t zu mir hinüber.<lb/>
Ich lag nicht in Ohnmacht oder Krämpfen; ich &#x017F;tand<lb/>
&#x017F;teif wie eine Kerze. Sie legte es beruhigt in meine<lb/>
Hand. Es war flüchtig mit Blei&#x017F;tift ge&#x017F;chrieben und<lb/>
datirte vom einundzwanzig&#x017F;ten September.</p><lb/>
        <p>&#x201E;Un&#x017F;er herrlicher Prinz i&#x017F;t todt! Das Opfer<lb/>
eines Kampfes, für den ich keine Bezeichnung habe.<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0014] und in athemloſer Spannung ſeiner Rede lauſchte. Lachend reichte er ihr einen Brief, welchen er dem Courier abgenommen hatte; „Ein Tauſendſaſſa, liebe Dorl, wie er die Gelegenheiten wahrzunehmen weiß!“ Dorothee riß den Brief an ſich und floh die Treppe hinan. Der Vater hielt noch einen zweiten Brief in der Hand. „Vom Adjutanten,“ ſagte er, nachdem wir in das Wohnzimmer getreten waren. „Er wird uns, denk’ ich, das Räthſel löſen.“ Ich zündete in der Haſt das Lebenslicht auf dem Geburtstagskuchen an, und ſtand in athemloſer Span¬ nung, bis der Vater den Brief entſiegelt hatte. Kaum aber, daß er einen Blick hineingeworfen, ſah ich ihn auf dem Stuhl zurückſinken, das Blatt ſeiner Hand entfallen. „Todt, todt!“ ſtöhnte er, wie vernichtet. „Wer iſt todt?“ kreiſchte die Mutter. Sie hob das Blatt vom Boden auf. Ein Blick auf das erſte Wort; ein zweiter der tiefſten Angſt zu mir hinüber. Ich lag nicht in Ohnmacht oder Krämpfen; ich ſtand ſteif wie eine Kerze. Sie legte es beruhigt in meine Hand. Es war flüchtig mit Bleiſtift geſchrieben und datirte vom einundzwanzigſten September. „Unſer herrlicher Prinz iſt todt! Das Opfer eines Kampfes, für den ich keine Bezeichnung habe.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/14
Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 2. Berlin, 1871, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin02_1871/14>, abgerufen am 18.12.2024.