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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871.

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vollen Erinnerung an jene herzogliche Zeit. Auf der
Höhe ragte, wenn auch unbewohnt, das reich aus¬
gestattete Schloß, dessen Terrassen, Weinberge und
Gärten sich bis in die Bürgerhöfe hinabzogen und
angenehme Erholungsplätze boten. Wir besaßen noch
eine verwittwete Frau Hofmarschallin, einen pensionir¬
ten Hofjunker, einen Titular-Hofjägermeister, Hof¬
schneider, Hofprediger und eine Hofkellerei. Die letztere
sogar in unmittelbarer Nachbarschaft. Ein Faßbinder,
Namens Müller, hatte sie sammt der Schankgerechtig¬
keit in und außer dem Schloßpavillon erpachtet und
so konnten wir uns in Haus und Garten an den
Bacchanalien unserer Mitbürger ergötzen oder über sie
entrüsten, je nach Stimmung und Gelegenheit.

Auch das Haus, in welchem meine Eltern vom
Traualtar bis zum Grabesrande geheimst haben,
rühmte sich eines fürstlichen Ursprungs. Ein weiland
Herzog hatte es für seinen Leibbader, vulgo Barbier,
anlegen lassen, war aber des Todes verblichen, bevor
es über den Unterstock hinausgelangte. Der Posten
eines Leibbaders wurde von dem neuen Hofhalte und
die Beletage von dem Bauplane gestrichen. Der
Dachstuhl senkte sich unmittelbar auf das Erdgeschoß,
wurde aber, nach Bedürfniß späterer Geschlechter,

vollen Erinnerung an jene herzogliche Zeit. Auf der
Höhe ragte, wenn auch unbewohnt, das reich aus¬
geſtattete Schloß, deſſen Terraſſen, Weinberge und
Gärten ſich bis in die Bürgerhöfe hinabzogen und
angenehme Erholungsplätze boten. Wir beſaßen noch
eine verwittwete Frau Hofmarſchallin, einen penſionir¬
ten Hofjunker, einen Titular-Hofjägermeiſter, Hof¬
ſchneider, Hofprediger und eine Hofkellerei. Die letztere
ſogar in unmittelbarer Nachbarſchaft. Ein Faßbinder,
Namens Müller, hatte ſie ſammt der Schankgerechtig¬
keit in und außer dem Schloßpavillon erpachtet und
ſo konnten wir uns in Haus und Garten an den
Bacchanalien unſerer Mitbürger ergötzen oder über ſie
entrüſten, je nach Stimmung und Gelegenheit.

Auch das Haus, in welchem meine Eltern vom
Traualtar bis zum Grabesrande geheimſt haben,
rühmte ſich eines fürſtlichen Urſprungs. Ein weiland
Herzog hatte es für ſeinen Leibbader, vulgo Barbier,
anlegen laſſen, war aber des Todes verblichen, bevor
es über den Unterſtock hinausgelangte. Der Poſten
eines Leibbaders wurde von dem neuen Hofhalte und
die Beletage von dem Bauplane geſtrichen. Der
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[87/0094] vollen Erinnerung an jene herzogliche Zeit. Auf der Höhe ragte, wenn auch unbewohnt, das reich aus¬ geſtattete Schloß, deſſen Terraſſen, Weinberge und Gärten ſich bis in die Bürgerhöfe hinabzogen und angenehme Erholungsplätze boten. Wir beſaßen noch eine verwittwete Frau Hofmarſchallin, einen penſionir¬ ten Hofjunker, einen Titular-Hofjägermeiſter, Hof¬ ſchneider, Hofprediger und eine Hofkellerei. Die letztere ſogar in unmittelbarer Nachbarſchaft. Ein Faßbinder, Namens Müller, hatte ſie ſammt der Schankgerechtig¬ keit in und außer dem Schloßpavillon erpachtet und ſo konnten wir uns in Haus und Garten an den Bacchanalien unſerer Mitbürger ergötzen oder über ſie entrüſten, je nach Stimmung und Gelegenheit. Auch das Haus, in welchem meine Eltern vom Traualtar bis zum Grabesrande geheimſt haben, rühmte ſich eines fürſtlichen Urſprungs. Ein weiland Herzog hatte es für ſeinen Leibbader, vulgo Barbier, anlegen laſſen, war aber des Todes verblichen, bevor es über den Unterſtock hinausgelangte. Der Poſten eines Leibbaders wurde von dem neuen Hofhalte und die Beletage von dem Bauplane geſtrichen. Der Dachſtuhl ſenkte ſich unmittelbar auf das Erdgeſchoß, wurde aber, nach Bedürfniß ſpäterer Geſchlechter,

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Zitationshilfe: François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/94>, abgerufen am 23.11.2024.