Stellung einer fürstlichen Gemahlin auch nur zur lin¬ ken Hand bot der zur "Reichsgräfin von Reckenburg" Erhobenen noch immer den ersten Rang nach den reichs¬ unmittelbaren Geschlechtern; der Ehrgeiz sah kein er¬ reichbar höheres Ziel und so wurde die ursprünglichste Leidenschaft zu einem magnetischen Strom, der eine unstillbare Gluth in dem lange kalten Herzen entzün¬ dete. Die Hände, welche ein fürstlicher Gemahl mit galanter Inbrunst küßte, wie hätten sie fortan die Schnüre des Seckels ängstlich zusammenhalten mögen? Hoffart, die Herrin, hatte ihr Ziel erreicht; Klug¬ heit, die Magd, wurde des Dienstes entlassen.
Bald war die Haushaltung in der Hauptstadt mit rangentsprechendem Glanze eingerichtet. Das junge Paar zählte zu dem Anhange der regierenden Kurfürstin-Königin und mit ihr zu den Feinden des allgewaltigen Favoriten. Am Hasse entzündete sich die Rivalität, und es war vielleicht der einzige Wer¬ muth in Eberhardinens Honigzeit, daß sie ihren an¬ gebeteten Prinzen es nicht einem Emporkömmling gleich thun lassen konnte, der sich Hunderte von Lakaien und eine eigene Leibgarde hielt, der, wie Friedrich der Große sagt, in Europa die meisten Pretiosen, Spitzen, Pantoffeln u. s. w. besaß, und mit den Narretheidingen eines ver¬
Stellung einer fürſtlichen Gemahlin auch nur zur lin¬ ken Hand bot der zur „Reichsgräfin von Reckenburg“ Erhobenen noch immer den erſten Rang nach den reichs¬ unmittelbaren Geſchlechtern; der Ehrgeiz ſah kein er¬ reichbar höheres Ziel und ſo wurde die urſprünglichſte Leidenſchaft zu einem magnetiſchen Strom, der eine unſtillbare Gluth in dem lange kalten Herzen entzün¬ dete. Die Hände, welche ein fürſtlicher Gemahl mit galanter Inbrunſt küßte, wie hätten ſie fortan die Schnüre des Seckels ängſtlich zuſammenhalten mögen? Hoffart, die Herrin, hatte ihr Ziel erreicht; Klug¬ heit, die Magd, wurde des Dienſtes entlaſſen.
Bald war die Haushaltung in der Hauptſtadt mit rangentſprechendem Glanze eingerichtet. Das junge Paar zählte zu dem Anhange der regierenden Kurfürſtin-Königin und mit ihr zu den Feinden des allgewaltigen Favoriten. Am Haſſe entzündete ſich die Rivalität, und es war vielleicht der einzige Wer¬ muth in Eberhardinens Honigzeit, daß ſie ihren an¬ gebeteten Prinzen es nicht einem Emporkömmling gleich thun laſſen konnte, der ſich Hunderte von Lakaien und eine eigene Leibgarde hielt, der, wie Friedrich der Große ſagt, in Europa die meiſten Pretioſen, Spitzen, Pantoffeln u. ſ. w. beſaß, und mit den Narretheidingen eines ver¬
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Stellung einer fürſtlichen Gemahlin auch nur zur lin¬
ken Hand bot der zur „Reichsgräfin von Reckenburg“
Erhobenen noch immer den erſten Rang nach den reichs¬
unmittelbaren Geſchlechtern; der Ehrgeiz ſah kein er¬
reichbar höheres Ziel und ſo wurde die urſprünglichſte
Leidenſchaft zu einem magnetiſchen Strom, der eine
unſtillbare Gluth in dem lange kalten Herzen entzün¬
dete. Die Hände, welche ein fürſtlicher Gemahl mit
galanter Inbrunſt küßte, wie hätten ſie fortan die
Schnüre des Seckels ängſtlich zuſammenhalten mögen?
Hoffart, die Herrin, hatte ihr Ziel erreicht; Klug¬
heit, die Magd, wurde des Dienſtes entlaſſen.
Bald war die Haushaltung in der Hauptſtadt
mit rangentſprechendem Glanze eingerichtet. Das
junge Paar zählte zu dem Anhange der regierenden
Kurfürſtin-Königin und mit ihr zu den Feinden des
allgewaltigen Favoriten. Am Haſſe entzündete ſich
die Rivalität, und es war vielleicht der einzige Wer¬
muth in Eberhardinens Honigzeit, daß ſie ihren an¬
gebeteten Prinzen es nicht einem Emporkömmling gleich
thun laſſen konnte, der ſich Hunderte von Lakaien und
eine eigene Leibgarde hielt, der, wie Friedrich der Große
ſagt, in Europa die meiſten Pretioſen, Spitzen, Pantoffeln
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François, Louise von: Die letzte Reckenburgerin. Bd. 1. Berlin, 1871, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francois_reckenburgerin01_1871/171>, abgerufen am 24.11.2024.
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