Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.

Bild:
<< vorherige Seite

Bonfinius mißt ihrer Ringmauer zweytausend Schritte zu/ mit Vermeldung/ daß selbige Mauer/ aus- und inwendig/ mit einem Wall umgürtet; damit sie/ für dem Geschütz/ desto sicherer stehen mögte. Welche Mauer und Fortification doch nachmals/ im Jahr 1529. unsre Teutsche Kriegs-verständige Generalität gar nicht hat loben/ noch für sonderlich / streitbar/ wider einen harten Angriff/ erkennen wollen; wie unten/ bey Beschreibung der Solymannischen Belagerung/ wird erzehlet werden. Der Krieg bekommt/ mit der Zeit/ immer schärffere Augen/ in seiner Kunst; wiewol auch die Bekriegte desto nässere. Der Graben war damals dreissig Schuhe tieff/ und so breit/ daß ein Pfeil darüber ermüden kunte; drunten auch eine Spring-Quelle/ wovon man/ auf erheischenden Nothfall/ den ganzen Graben kunte bewässern. An grossen und schönen Vor-Städten/ mangelte es damals auch schon nicht: womit die Stadt/ wie eine Burg/ umgeben/ und so viel die Zier der Gebäue betrifft/ zum Wert-Streit ausgefordert ward.

Es hat aber die Stadt/ sowol an Grösse/ als Pracht und Zier/ wie auch Menge deß Volks / von Zeit zu Zeiten/ mehr und mehr zugenommen/ und ist/ unter Ferdinandi III. (glorwürdigsten Andenkens) Regirung/ ihr Umfang auf eine halbe Teutsche Meil geschätzt. Ersagter Bonfin rechnet die Anzahl ihrer Einwohner/ zur Zeit der Belägerung Königs Matthiä in Ungarn/ auf funffzig tausend Seelen/ ohn die Kinder/ (und vermuthlich auch ohne die Weiber.) Die Merianische Beschreibung sagt (zu den Zeiten aller höchstermeldten Käisers Ferdinandi III.) von sechzig tausend/ in- und ausserhalb der Stadt: welches ich aber/ der ich/ kurz nach Einruhung selbiges preiswürdigsten Käisers/ Wien gesehen/ für viel zu wenig achte/ so man die damalige Vor-Städte mit drein gehen lässt. Dahero auch angezogener Merianischer Bericht recht hinzu setzt/ man könne gleichwol wie Gewißheit dessen/ nicht eigentlich erfahren/ noch wissen; weil es da grosse und weitsichtige Vor-Städte habe/ darinnen viel herrliche und schöne Gärten/ mit ihren Lust-Häusern / worinnen sich viel Leute aufhalten können. Wie es dann zu Friedens-Zeiten alles voll steckt. Hiezu kan auch dieses gezogen werden/ daß es/ bey vielen grossen Häusern/ sehr tieffe/ weite/ und ansehnliche Keller gibt/ in welchen man Stuben findet/ weßwegen man spricht/ Wien habe nicht weniger Gebäue unter-als über der Erden.

Unter jetzt/ GOtt gebe lang- und glücklich-regirender Römisch-Käiserlicher Majestät / hat sich Wien/ zumal mit seinen Vor-Städten/ noch besser ausgebreitet: Daher leicht zu erachten/ daß auch die Menge der Leute eine Vermehrung gewonnen; wann nicht die Vertreibung der der Hebräer etwan einen zimlichen Abzug (oder Minderung) verursacht hat. Ich gestehe auch dieses gern/ daß die grosse Menge der Fremden/ welche ab- und zureisen / die Anzahl in Ungewißheit bringe/ und wann dieselbe solte abgerechnet werden/ alsdann wol nicht viel über funffzig oder sechzig tausend Mannspersonen/ in- und ausserhalb der Stadt/ sich befinden dörfften. Ja ich zweiffle/ ob jetziger Zeit/ nachdem die jüngste Pest/ samt der letz-

Bonfinius mißt ihrer Ringmauer zweytausend Schritte zu/ mit Vermeldung/ daß selbige Mauer/ aus- und inwendig/ mit einem Wall umgürtet; damit sie/ für dem Geschütz/ desto sicherer stehen mögte. Welche Mauer und Fortification doch nachmals/ im Jahr 1529. unsre Teutsche Kriegs-verständige Generalität gar nicht hat loben/ noch für sonderlich / streitbar/ wider einen harten Angriff/ erkennen wollen; wie unten/ bey Beschreibung der Solymannischen Belagerung/ wird erzehlet werden. Der Krieg bekommt/ mit der Zeit/ immer schärffere Augen/ in seiner Kunst; wiewol auch die Bekriegte desto nässere. Der Graben war damals dreissig Schuhe tieff/ und so breit/ daß ein Pfeil darüber ermüden kunte; drunten auch eine Spring-Quelle/ wovon man/ auf erheischenden Nothfall/ den ganzen Graben kunte bewässern. An grossen und schönen Vor-Städten/ mangelte es damals auch schon nicht: womit die Stadt/ wie eine Burg/ umgeben/ und so viel die Zier der Gebäue betrifft/ zum Wert-Streit ausgefordert ward.

Es hat aber die Stadt/ sowol an Grösse/ als Pracht und Zier/ wie auch Menge deß Volks / von Zeit zu Zeiten/ mehr und mehr zugenommen/ und ist/ unter Ferdinandi III. (glorwürdigsten Andenkens) Regirung/ ihr Umfang auf eine halbe Teutsche Meil geschätzt. Ersagter Bonfin rechnet die Anzahl ihrer Einwohner/ zur Zeit der Belägerung Königs Matthiä in Ungarn/ auf funffzig tausend Seelen/ ohn die Kinder/ (und vermuthlich auch ohne die Weiber.) Die Merianische Beschreibung sagt (zu den Zeiten aller höchstermeldten Käisers Ferdinandi III.) von sechzig tausend/ in- und ausserhalb der Stadt: welches ich aber/ der ich/ kurz nach Einruhung selbiges preiswürdigsten Käisers/ Wien gesehen/ für viel zu wenig achte/ so man die damalige Vor-Städte mit drein gehen lässt. Dahero auch angezogener Merianischer Bericht recht hinzu setzt/ man könne gleichwol wie Gewißheit dessen/ nicht eigentlich erfahren/ noch wissen; weil es da grosse und weitsichtige Vor-Städte habe/ darinnen viel herrliche und schöne Gärten/ mit ihren Lust-Häusern / worinnen sich viel Leute aufhalten können. Wie es dann zu Friedens-Zeiten alles voll steckt. Hiezu kan auch dieses gezogen werden/ daß es/ bey vielen grossen Häusern/ sehr tieffe/ weite/ und ansehnliche Keller gibt/ in welchen man Stuben findet/ weßwegen man spricht/ Wien habe nicht weniger Gebäue unter-als über der Erden.

Unter jetzt/ GOtt gebe lang- und glücklich-regirender Römisch-Käiserlicher Majestät / hat sich Wien/ zumal mit seinen Vor-Städten/ noch besser ausgebreitet: Daher leicht zu erachten/ daß auch die Menge der Leute eine Vermehrung gewonnen; wann nicht die Vertreibung der der Hebräer etwan einen zimlichen Abzug (oder Minderung) verursacht hat. Ich gestehe auch dieses gern/ daß die grosse Menge der Fremden/ welche ab- und zureisen / die Anzahl in Ungewißheit bringe/ und wann dieselbe solte abgerechnet werden/ alsdann wol nicht viel über funffzig oder sechzig tausend Mannspersonen/ in- und ausserhalb der Stadt/ sich befinden dörfften. Ja ich zweiffle/ ob jetziger Zeit/ nachdem die jüngste Pest/ samt der letz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <pb facs="#f0018" n="10"/>
        <p>Bonfinius mißt ihrer Ringmauer zweytausend Schritte zu/ mit Vermeldung/ daß selbige            Mauer/ aus- und inwendig/ mit einem Wall umgürtet; damit sie/ für dem Geschütz/ desto            sicherer stehen mögte. Welche Mauer und Fortification doch nachmals/ im Jahr 1529. unsre            Teutsche Kriegs-verständige Generalität gar nicht hat loben/ noch für sonderlich /            streitbar/ wider einen harten Angriff/ erkennen wollen; wie unten/ bey Beschreibung der            Solymannischen Belagerung/ wird erzehlet werden. Der Krieg bekommt/ mit der Zeit/ immer            schärffere Augen/ in seiner Kunst; wiewol auch die Bekriegte desto nässere. Der Graben            war damals dreissig Schuhe tieff/ und so breit/ daß ein Pfeil darüber ermüden kunte;            drunten auch eine Spring-Quelle/ wovon man/ auf erheischenden Nothfall/ den ganzen            Graben kunte bewässern. An grossen und schönen Vor-Städten/ mangelte es damals auch schon            nicht: womit die Stadt/ wie eine Burg/ umgeben/ und so viel die Zier der Gebäue            betrifft/ zum Wert-Streit ausgefordert ward.</p>
        <p>Es hat aber die Stadt/ sowol an Grösse/ als Pracht und Zier/ wie auch Menge deß Volks           / von Zeit zu Zeiten/ mehr und mehr zugenommen/ und ist/ unter Ferdinandi III.            (glorwürdigsten Andenkens) Regirung/ ihr Umfang auf eine halbe Teutsche Meil geschätzt.            Ersagter Bonfin rechnet die Anzahl ihrer Einwohner/ zur Zeit der Belägerung Königs            Matthiä in Ungarn/ auf funffzig tausend Seelen/ ohn die Kinder/ (und vermuthlich auch            ohne die Weiber.) Die Merianische Beschreibung sagt (zu den Zeiten aller höchstermeldten            Käisers Ferdinandi III.) von sechzig tausend/ in- und ausserhalb der Stadt: welches ich            aber/ der ich/ kurz nach Einruhung selbiges preiswürdigsten Käisers/ Wien gesehen/ für            viel zu wenig achte/ so man die damalige Vor-Städte mit drein gehen lässt. Dahero auch            angezogener Merianischer Bericht recht hinzu setzt/ man könne gleichwol wie Gewißheit            dessen/ nicht eigentlich erfahren/ noch wissen; weil es da grosse und weitsichtige            Vor-Städte habe/ darinnen viel herrliche und schöne Gärten/ mit ihren Lust-Häusern /            worinnen sich viel Leute aufhalten können. Wie es dann zu Friedens-Zeiten alles voll            steckt. Hiezu kan auch dieses gezogen werden/ daß es/ bey vielen grossen Häusern/ sehr            tieffe/ weite/ und ansehnliche Keller gibt/ in welchen man Stuben findet/ weßwegen man            spricht/ Wien habe nicht weniger Gebäue unter-als über der Erden.</p>
        <p>Unter jetzt/ GOtt gebe lang- und glücklich-regirender Römisch-Käiserlicher Majestät /            hat sich Wien/ zumal mit seinen Vor-Städten/ noch besser ausgebreitet: Daher leicht zu            erachten/ daß auch die Menge der Leute eine Vermehrung gewonnen; wann nicht die            Vertreibung der der Hebräer etwan einen zimlichen Abzug (oder Minderung) verursacht hat.            Ich gestehe auch dieses gern/ daß die grosse Menge der Fremden/ welche ab- und zureisen           / die Anzahl in Ungewißheit bringe/ und wann dieselbe solte abgerechnet werden/ alsdann            wol nicht viel über funffzig oder sechzig tausend Mannspersonen/ in- und ausserhalb der            Stadt/ sich befinden dörfften. Ja ich zweiffle/ ob jetziger Zeit/ nachdem die jüngste            Pest/ samt der letz-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[10/0018] Bonfinius mißt ihrer Ringmauer zweytausend Schritte zu/ mit Vermeldung/ daß selbige Mauer/ aus- und inwendig/ mit einem Wall umgürtet; damit sie/ für dem Geschütz/ desto sicherer stehen mögte. Welche Mauer und Fortification doch nachmals/ im Jahr 1529. unsre Teutsche Kriegs-verständige Generalität gar nicht hat loben/ noch für sonderlich / streitbar/ wider einen harten Angriff/ erkennen wollen; wie unten/ bey Beschreibung der Solymannischen Belagerung/ wird erzehlet werden. Der Krieg bekommt/ mit der Zeit/ immer schärffere Augen/ in seiner Kunst; wiewol auch die Bekriegte desto nässere. Der Graben war damals dreissig Schuhe tieff/ und so breit/ daß ein Pfeil darüber ermüden kunte; drunten auch eine Spring-Quelle/ wovon man/ auf erheischenden Nothfall/ den ganzen Graben kunte bewässern. An grossen und schönen Vor-Städten/ mangelte es damals auch schon nicht: womit die Stadt/ wie eine Burg/ umgeben/ und so viel die Zier der Gebäue betrifft/ zum Wert-Streit ausgefordert ward. Es hat aber die Stadt/ sowol an Grösse/ als Pracht und Zier/ wie auch Menge deß Volks / von Zeit zu Zeiten/ mehr und mehr zugenommen/ und ist/ unter Ferdinandi III. (glorwürdigsten Andenkens) Regirung/ ihr Umfang auf eine halbe Teutsche Meil geschätzt. Ersagter Bonfin rechnet die Anzahl ihrer Einwohner/ zur Zeit der Belägerung Königs Matthiä in Ungarn/ auf funffzig tausend Seelen/ ohn die Kinder/ (und vermuthlich auch ohne die Weiber.) Die Merianische Beschreibung sagt (zu den Zeiten aller höchstermeldten Käisers Ferdinandi III.) von sechzig tausend/ in- und ausserhalb der Stadt: welches ich aber/ der ich/ kurz nach Einruhung selbiges preiswürdigsten Käisers/ Wien gesehen/ für viel zu wenig achte/ so man die damalige Vor-Städte mit drein gehen lässt. Dahero auch angezogener Merianischer Bericht recht hinzu setzt/ man könne gleichwol wie Gewißheit dessen/ nicht eigentlich erfahren/ noch wissen; weil es da grosse und weitsichtige Vor-Städte habe/ darinnen viel herrliche und schöne Gärten/ mit ihren Lust-Häusern / worinnen sich viel Leute aufhalten können. Wie es dann zu Friedens-Zeiten alles voll steckt. Hiezu kan auch dieses gezogen werden/ daß es/ bey vielen grossen Häusern/ sehr tieffe/ weite/ und ansehnliche Keller gibt/ in welchen man Stuben findet/ weßwegen man spricht/ Wien habe nicht weniger Gebäue unter-als über der Erden. Unter jetzt/ GOtt gebe lang- und glücklich-regirender Römisch-Käiserlicher Majestät / hat sich Wien/ zumal mit seinen Vor-Städten/ noch besser ausgebreitet: Daher leicht zu erachten/ daß auch die Menge der Leute eine Vermehrung gewonnen; wann nicht die Vertreibung der der Hebräer etwan einen zimlichen Abzug (oder Minderung) verursacht hat. Ich gestehe auch dieses gern/ daß die grosse Menge der Fremden/ welche ab- und zureisen / die Anzahl in Ungewißheit bringe/ und wann dieselbe solte abgerechnet werden/ alsdann wol nicht viel über funffzig oder sechzig tausend Mannspersonen/ in- und ausserhalb der Stadt/ sich befinden dörfften. Ja ich zweiffle/ ob jetziger Zeit/ nachdem die jüngste Pest/ samt der letz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/18
Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/18>, abgerufen am 28.04.2024.