Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684.

Bild:
<< vorherige Seite

etliche etliche Spannische und Teutsche Soldaten/ mit der Maur/ darauf sie gestanden/ aufgehupfft/ und ihrer ein Theil in den Graben / etliche zur Stadt hinein/ geworffen worden. Wobey zwar vielen/ am Leben/ nichts geschehen/ noch ihnen/ am Leibe/ was zerschmettert ist; doch vermutlich keiner/ auf ein sanfftes Polster/ gefallen; dafern er nicht ganz unempfindlich gewest. Und hätte allhie die alte Stoische Sect gute Gelegenheit angetroffen/ ihre Gemüts-Unbeweglichkeit / und Unleidsamkeit (oder Impassibilitet) zu bewehren: wiewol ich sorge/ es dörffte mancher unerschrockner Teutscher/ oder Spannier/ bey solchen Donner-Schlägen/ und Schlag-gebenden Minen/ mit seinem stand hafften Mut/ sie weit übertroffen und beschämt haben.

Selbiges mal ward auch ein Lantzknecht/ durch alle Kleider geschossen/ und für todt geachtet. Als man ihn aber auszoch/ und beschaute/ fand man die Kugeln/ in seinem Säckel/ den er am Halse trug; ihn aber/ am Leibe/ unverwundt. Billig dörffte mancher gedenken/ dieser ehrliche Kerl sey ein Stoicus gewest; doch nicht aus der Schule Zenonis / sondern Plutonis. Denn ob man gleich sagen mögte/ die Kugeln wären schon entkräfftet und matt gewest; deßwegen sie nun nicht tieffer/ als durch die Kleider/ hätten dringen können; so hätte man sich doch noch über die ungewöhnliche Discretion derselben zu verwundern/ daß sie ihm auch nicht einmal die Haut ein wenig aufgeschärfft/ noch versehrt; und hierüber noch viel höher/ daß die Kugeln sich/ in seinem Säckel/ am Halse gefunden. Welches Nachdenken und Mutmassungen erweckt/ seine Haut sey/ von einem schwarzen Schilde bedeckt worden. Und wer weiß/ wie viel dergleichen gefrorner Brüder mehr/ unter dem Hauffen/ gewest?

Wann es aber/ wie ein andrer schreibt/ nur eine/ und zwar eine Kanon-Kugel gewesen / die ihme in der Taschen ligend blieben: könte man noch wol vielleicht ein bessers von ihm / als das Festmachen/ vermuten: angemerkt/ eine Stück-Kugel so wol/ als eine Musqueten-Kugel/ wenn sie ihren völligen Weg ausgemessen/ und ihren Tanz völlig ausgetanzt/ bisweilen wol kaum durchs Kleid reissen/ viel weniger ihm den Leib zerreissen soll: wie ich ehmals/ einen ansehnlichen Kriegs-Mann habe sagen gehört. Wiewol ich mir solches kaum weiß einzubilden/ daß sie dem Angetroffenen und Berührten/ aufs wenigste/ die Haut nicht verbrennen solte; weil sie ja noch sehr heiß ist. Und vermeint de Rocoles, diese Kanon-Kugel müsse nicht sonderlich groß gewest seyn. Doch gleichwol gedenkt er/ so wol/ als der Pesold/ (oder Pesel /) dabey/ der getroffene Soldat sey eine Zeitlang in Ohnmacht gelegen. Wenn dem also/ so dörffte ich meine erste Vermutung schier wieder nehmen. Denn die Kugel hätte vielleicht den Kerl nicht in Ohnmacht werffen können/ so sie ihm nicht einen harten Schlag gegeben: darum muß er fest gewesen seyn: denn sonst würde sie ihm wol den Leib zerquetscht haben. Vielleicht ist sie/ aus einem halben Falconetlein/ oder aus einem Doppelhacken/ daher geflogen: angemerkt/ eine rechte Canon-Kugel/ ob sie ihm gleich nicht die Haut ver-

etliche etliche Spannische und Teutsche Soldaten/ mit der Maur/ darauf sie gestanden/ aufgehupfft/ und ihrer ein Theil in den Graben / etliche zur Stadt hinein/ geworffen worden. Wobey zwar vielen/ am Leben/ nichts geschehen/ noch ihnen/ am Leibe/ was zerschmettert ist; doch vermutlich keiner/ auf ein sanfftes Polster/ gefallen; dafern er nicht ganz unempfindlich gewest. Und hätte allhie die alte Stoische Sect gute Gelegenheit angetroffen/ ihre Gemüts-Unbeweglichkeit / und Unleidsamkeit (oder Impassibilitet) zu bewehren: wiewol ich sorge/ es dörffte mancher unerschrockner Teutscher/ oder Spannier/ bey solchen Donner-Schlägen/ und Schlag-gebenden Minen/ mit seinem stand hafften Mut/ sie weit übertroffen und beschämt haben.

Selbiges mal ward auch ein Lantzknecht/ durch alle Kleider geschossen/ und für todt geachtet. Als man ihn aber auszoch/ und beschaute/ fand man die Kugeln/ in seinem Säckel/ den er am Halse trug; ihn aber/ am Leibe/ unverwundt. Billig dörffte mancher gedenken/ dieser ehrliche Kerl sey ein Stoicus gewest; doch nicht aus der Schule Zenonis / sondern Plutonis. Denn ob man gleich sagen mögte/ die Kugeln wären schon entkräfftet und matt gewest; deßwegen sie nun nicht tieffer/ als durch die Kleider/ hätten dringen können; so hätte man sich doch noch über die ungewöhnliche Discretion derselben zu verwundern/ daß sie ihm auch nicht einmal die Haut ein wenig aufgeschärfft/ noch versehrt; und hierüber noch viel höher/ daß die Kugeln sich/ in seinem Säckel/ am Halse gefunden. Welches Nachdenken und Mutmassungen erweckt/ seine Haut sey/ von einem schwarzen Schilde bedeckt worden. Und wer weiß/ wie viel dergleichen gefrorner Brüder mehr/ unter dem Hauffen/ gewest?

Wann es aber/ wie ein andrer schreibt/ nur eine/ und zwar eine Kanon-Kugel gewesen / die ihme in der Taschen ligend blieben: könte man noch wol vielleicht ein bessers von ihm / als das Festmachen/ vermuten: angemerkt/ eine Stück-Kugel so wol/ als eine Musqueten-Kugel/ wenn sie ihren völligen Weg ausgemessen/ und ihren Tanz völlig ausgetanzt/ bisweilen wol kaum durchs Kleid reissen/ viel weniger ihm den Leib zerreissen soll: wie ich ehmals/ einen ansehnlichen Kriegs-Mann habe sagen gehört. Wiewol ich mir solches kaum weiß einzubilden/ daß sie dem Angetroffenen und Berührten/ aufs wenigste/ die Haut nicht verbrennen solte; weil sie ja noch sehr heiß ist. Und vermeint de Rocoles, diese Kanon-Kugel müsse nicht sonderlich groß gewest seyn. Doch gleichwol gedenkt er/ so wol/ als der Pesold/ (oder Pesel /) dabey/ der getroffene Soldat sey eine Zeitlang in Ohnmacht gelegen. Wenn dem also/ so dörffte ich meine erste Vermutung schier wieder nehmen. Denn die Kugel hätte vielleicht den Kerl nicht in Ohnmacht werffen können/ so sie ihm nicht einen harten Schlag gegeben: darum muß er fest gewesen seyn: denn sonst würde sie ihm wol den Leib zerquetscht haben. Vielleicht ist sie/ aus einem halben Falconetlein/ oder aus einem Doppelhacken/ daher geflogen: angemerkt/ eine rechte Canon-Kugel/ ob sie ihm gleich nicht die Haut ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0179" n="171"/>
etliche etliche Spannische und Teutsche Soldaten/ mit            der Maur/ darauf sie gestanden/ aufgehupfft/ und ihrer ein Theil in den Graben /            etliche zur Stadt hinein/ geworffen worden. Wobey zwar vielen/ am Leben/ nichts            geschehen/ noch ihnen/ am Leibe/ was zerschmettert ist; doch vermutlich keiner/ auf            ein sanfftes Polster/ gefallen; dafern er nicht ganz unempfindlich gewest. Und hätte            allhie die alte Stoische Sect gute Gelegenheit angetroffen/ ihre Gemüts-Unbeweglichkeit /            und Unleidsamkeit (oder Impassibilitet) zu bewehren: wiewol ich sorge/ es dörffte mancher            unerschrockner Teutscher/ oder Spannier/ bey solchen Donner-Schlägen/ und            Schlag-gebenden Minen/ mit seinem stand hafften Mut/ sie weit übertroffen und beschämt            haben.</p>
        <p>Selbiges mal ward auch ein Lantzknecht/ durch alle Kleider geschossen/ und für todt            geachtet. Als man ihn aber auszoch/ und beschaute/ fand man die Kugeln/ in seinem            Säckel/ den er am Halse trug; ihn aber/ am Leibe/ unverwundt. Billig dörffte mancher            gedenken/ dieser ehrliche Kerl sey ein Stoicus gewest; doch nicht aus der Schule Zenonis           / sondern Plutonis. Denn ob man gleich sagen mögte/ die Kugeln wären schon entkräfftet            und matt gewest; deßwegen sie nun nicht tieffer/ als durch die Kleider/ hätten dringen            können; so hätte man sich doch noch über die ungewöhnliche Discretion derselben zu            verwundern/ daß sie ihm auch nicht einmal die Haut ein wenig aufgeschärfft/ noch            versehrt; und hierüber noch viel höher/ daß die Kugeln sich/ in seinem Säckel/ am Halse            gefunden. Welches Nachdenken und Mutmassungen erweckt/ seine Haut sey/ von einem            schwarzen Schilde bedeckt worden. Und wer weiß/ wie viel dergleichen gefrorner Brüder            mehr/ unter dem Hauffen/ gewest?</p>
      </div>
      <div>
        <p>Wann es aber/ wie ein andrer schreibt/ nur eine/ und zwar eine Kanon-Kugel gewesen /            die ihme in der Taschen ligend blieben: könte man noch wol vielleicht ein bessers von ihm           / als das Festmachen/ vermuten: angemerkt/ eine Stück-Kugel so wol/ als eine            Musqueten-Kugel/ wenn sie ihren völligen Weg ausgemessen/ und ihren Tanz völlig            ausgetanzt/ bisweilen wol kaum durchs Kleid reissen/ viel weniger ihm den Leib            zerreissen soll: wie ich ehmals/ einen ansehnlichen Kriegs-Mann habe sagen gehört. Wiewol            ich mir solches kaum weiß einzubilden/ daß sie dem Angetroffenen und Berührten/ aufs            wenigste/ die Haut nicht verbrennen solte; weil sie ja noch sehr heiß ist. Und vermeint            de Rocoles, diese Kanon-Kugel müsse nicht sonderlich groß gewest seyn. Doch gleichwol            gedenkt er/ so wol/ als der Pesold/ (oder Pesel /) dabey/ der getroffene Soldat sey            eine Zeitlang in Ohnmacht gelegen. Wenn dem also/ so dörffte ich meine erste Vermutung            schier wieder nehmen. Denn die Kugel hätte vielleicht den Kerl nicht in Ohnmacht werffen            können/ so sie ihm nicht einen harten Schlag gegeben: darum muß er fest gewesen seyn:            denn sonst würde sie ihm wol den Leib zerquetscht haben. Vielleicht ist sie/ aus einem            halben Falconetlein/ oder aus einem Doppelhacken/ daher geflogen: angemerkt/ eine            rechte Canon-Kugel/ ob sie ihm gleich nicht die Haut ver-
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[171/0179] etliche etliche Spannische und Teutsche Soldaten/ mit der Maur/ darauf sie gestanden/ aufgehupfft/ und ihrer ein Theil in den Graben / etliche zur Stadt hinein/ geworffen worden. Wobey zwar vielen/ am Leben/ nichts geschehen/ noch ihnen/ am Leibe/ was zerschmettert ist; doch vermutlich keiner/ auf ein sanfftes Polster/ gefallen; dafern er nicht ganz unempfindlich gewest. Und hätte allhie die alte Stoische Sect gute Gelegenheit angetroffen/ ihre Gemüts-Unbeweglichkeit / und Unleidsamkeit (oder Impassibilitet) zu bewehren: wiewol ich sorge/ es dörffte mancher unerschrockner Teutscher/ oder Spannier/ bey solchen Donner-Schlägen/ und Schlag-gebenden Minen/ mit seinem stand hafften Mut/ sie weit übertroffen und beschämt haben. Selbiges mal ward auch ein Lantzknecht/ durch alle Kleider geschossen/ und für todt geachtet. Als man ihn aber auszoch/ und beschaute/ fand man die Kugeln/ in seinem Säckel/ den er am Halse trug; ihn aber/ am Leibe/ unverwundt. Billig dörffte mancher gedenken/ dieser ehrliche Kerl sey ein Stoicus gewest; doch nicht aus der Schule Zenonis / sondern Plutonis. Denn ob man gleich sagen mögte/ die Kugeln wären schon entkräfftet und matt gewest; deßwegen sie nun nicht tieffer/ als durch die Kleider/ hätten dringen können; so hätte man sich doch noch über die ungewöhnliche Discretion derselben zu verwundern/ daß sie ihm auch nicht einmal die Haut ein wenig aufgeschärfft/ noch versehrt; und hierüber noch viel höher/ daß die Kugeln sich/ in seinem Säckel/ am Halse gefunden. Welches Nachdenken und Mutmassungen erweckt/ seine Haut sey/ von einem schwarzen Schilde bedeckt worden. Und wer weiß/ wie viel dergleichen gefrorner Brüder mehr/ unter dem Hauffen/ gewest? Wann es aber/ wie ein andrer schreibt/ nur eine/ und zwar eine Kanon-Kugel gewesen / die ihme in der Taschen ligend blieben: könte man noch wol vielleicht ein bessers von ihm / als das Festmachen/ vermuten: angemerkt/ eine Stück-Kugel so wol/ als eine Musqueten-Kugel/ wenn sie ihren völligen Weg ausgemessen/ und ihren Tanz völlig ausgetanzt/ bisweilen wol kaum durchs Kleid reissen/ viel weniger ihm den Leib zerreissen soll: wie ich ehmals/ einen ansehnlichen Kriegs-Mann habe sagen gehört. Wiewol ich mir solches kaum weiß einzubilden/ daß sie dem Angetroffenen und Berührten/ aufs wenigste/ die Haut nicht verbrennen solte; weil sie ja noch sehr heiß ist. Und vermeint de Rocoles, diese Kanon-Kugel müsse nicht sonderlich groß gewest seyn. Doch gleichwol gedenkt er/ so wol/ als der Pesold/ (oder Pesel /) dabey/ der getroffene Soldat sey eine Zeitlang in Ohnmacht gelegen. Wenn dem also/ so dörffte ich meine erste Vermutung schier wieder nehmen. Denn die Kugel hätte vielleicht den Kerl nicht in Ohnmacht werffen können/ so sie ihm nicht einen harten Schlag gegeben: darum muß er fest gewesen seyn: denn sonst würde sie ihm wol den Leib zerquetscht haben. Vielleicht ist sie/ aus einem halben Falconetlein/ oder aus einem Doppelhacken/ daher geflogen: angemerkt/ eine rechte Canon-Kugel/ ob sie ihm gleich nicht die Haut ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Theatrum-Literatur der Frühen Neuzeit: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in XML/TEI. (2013-11-26T12:54:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme entsprechen muss.
Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-11-26T12:54:31Z)
Arne Binder: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription. (2013-11-26T12:54:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
  • Ligaturen werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
  • Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
  • Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
  • Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/179
Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Schau- und Ehren-Platz Schriftlicher Tapfferkeit. Nürnberg, 1684, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/franciscus_schauplatz_1684/179>, abgerufen am 10.05.2024.