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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der vierzehende Discurs/
dennoch auch nicht verwerffen/ daß verständige Medici solches hiebey
nicht gar aus der Acht lassen; wofern die dringende Noth nicht allen
Sternen vordringt/ und sie alle gleich hält. Viel Medici geben frey-
lich gar nichts darauf; ist aber nicht zum besten/ und anders nichts/ als
eine Bemäntlung entweder ihrer Trägheit/ oder Unerfahrenheit/ in sol-
chen Observationen. Denn diese Ausrede/ es sey Aberglaube/ eröffnet
den kürtzesten und nechsten Weg/ bey der Ausflucht. Mancher Medi-
cus versteht die Artzney-Kunst/ zum Theil/ trefflich wol; den Lauff deß
Himmels aber gar nicht: darum fällt ihms gelegener und reputirlich/ zu
antworten/ es ligt gar nichts an dem Gestirn; weder also/ die
Kräuter/ und andre Artzney-Mittel/ wie auch die Applici-
rung/ und Zueignung derselben/ sind mir bekandt; mit den
Sternen aber habe ich keine Kundschafft.
Was uns die Stern-
deuter vorschwätzen ist weder alles wahr/ noch alles falsch. Bisweilen
gehen sie/ über die Schrancken Christlicher Pflicht; nemlich die/ so Glück
und Leben dem Gestirn/ als einer zwingenden und treibenden Ursach/ zu-
schreiben/ oder sonst andre Begebenheit daraus/ und zwar unfehlbar/
weissagen wollen: bisweilen übersehen sie das/ welches man sehen könnte/
aus unvollkommener Erkündigung deß Gestirns. Unterdessen frage ich
billig/ wenn die Kuhr nicht auch/ auf das Gestirn/ mit ein Auge schlagen
soll; woher denn die Urtheil- oder Gerichts-Täge der Herren Medicorum
ihre Quelle genommen? Woher/ bey den Mond-Brüchen/ solche Ver-
ändrungen/ an den Patienten/ fürgehen? Die gewißlich kein erfahrner
Medicus wird leugnen.

Forell. Solten solche Urtheil-Täge denn/ nach dem Mond
und Gestirn/ gerichtet seyn?

Goldstern. Wie anders? Und wenn der Medicus das Gestirn
nicht verstehet/ kan er auch/ zum Urtheil/ keinen rechten Tag bestimmen.

Adlerhaupt. Warum nicht? Hat man doch durch lange und
vielfältige Erfahrung/ schon gewisse Täge dazu gesetzt; als zum Exempel/
den 7. 14. und zwantzigsten Tag/ zur guten Hoffnung (welches Christli-
cher geredt ist/ als Urtheil) und diß wissen ja auch schier alle Leute nun-
mehr/ so wol ungelehrte/ als gelehrte: wie solte denn ein Medicus noch
erst den Mond/ und die Stern/ darüber vernehmen müssen?

Goldstern. Der gemeine Wahn hält zwar solche Urtheil- oder
Mutmassungs-Täge für beständig: da sie doch/ in der Warheit gantz
ungewiß/ und derhalben ohn rechten Grund/ für beständig/ ausgegeben
werden. Denn man hat gar offt gemerckt/ daß nicht alle Zeit/ an diesen/
sondern auch am 8. 15. und 21. die Urtheil-Gemercke sich eräugnet: dan-

nenhero

Der vierzehende Discurs/
dennoch auch nicht verwerffen/ daß verſtaͤndige Medici ſolches hiebey
nicht gar aus der Acht laſſen; wofern die dringende Noth nicht allen
Sternen vordringt/ und ſie alle gleich haͤlt. Viel Medici geben frey-
lich gar nichts darauf; iſt aber nicht zum beſten/ und anders nichts/ als
eine Bemaͤntlung entweder ihrer Traͤgheit/ oder Unerfahrenheit/ in ſol-
chen Obſervationen. Denn dieſe Ausrede/ es ſey Aberglaube/ eroͤffnet
den kuͤrtzeſten und nechſten Weg/ bey der Ausflucht. Mancher Medi-
cus verſteht die Artzney-Kunſt/ zum Theil/ trefflich wol; den Lauff deß
Himmels aber gar nicht: darum faͤllt ihms gelegener und reputirlich/ zu
antworten/ es ligt gar nichts an dem Geſtirn; weder alſo/ die
Kraͤuter/ und andre Artzney-Mittel/ wie auch die Applici-
rung/ und Zueignung derſelben/ ſind mir bekandt; mit den
Sternen aber habe ich keine Kundſchafft.
Was uns die Stern-
deuter vorſchwaͤtzen iſt weder alles wahr/ noch alles falſch. Bisweilen
gehen ſie/ uͤber die Schrancken Chriſtlicher Pflicht; nemlich die/ ſo Gluͤck
und Leben dem Geſtirn/ als einer zwingenden und treibenden Urſach/ zu-
ſchreiben/ oder ſonſt andre Begebenheit daraus/ und zwar unfehlbar/
weiſſagen wollen: bisweilen uͤberſehen ſie das/ welches man ſehen koͤnnte/
aus unvollkommener Erkuͤndigung deß Geſtirns. Unterdeſſen frage ich
billig/ wenn die Kuhr nicht auch/ auf das Geſtirn/ mit ein Auge ſchlagen
ſoll; woher denn die Urtheil- oder Gerichts-Taͤge der Herꝛen Medicorum
ihre Quelle genommen? Woher/ bey den Mond-Bruͤchen/ ſolche Ver-
aͤndrungen/ an den Patienten/ fuͤrgehen? Die gewißlich kein erfahrner
Medicus wird leugnen.

Forell. Solten ſolche Urtheil-Taͤge denn/ nach dem Mond
und Geſtirn/ gerichtet ſeyn?

Goldſtern. Wie anders? Und wenn der Medicus das Geſtirn
nicht verſtehet/ kan er auch/ zum Urtheil/ keinen rechten Tag beſtimmen.

Adlerhaupt. Warum nicht? Hat man doch durch lange und
vielfaͤltige Erfahrung/ ſchon gewiſſe Taͤge dazu geſetzt; als zum Exempel/
den 7. 14. und zwantzigſten Tag/ zur guten Hoffnung (welches Chriſtli-
cher geredt iſt/ als Urtheil) und diß wiſſen ja auch ſchier alle Leute nun-
mehr/ ſo wol ungelehrte/ als gelehrte: wie ſolte denn ein Medicus noch
erſt den Mond/ und die Stern/ daruͤber vernehmen muͤſſen?

Goldſtern. Der gemeine Wahn haͤlt zwar ſolche Urtheil- oder
Mutmaſſungs-Taͤge fuͤr beſtaͤndig: da ſie doch/ in der Warheit gantz
ungewiß/ und derhalben ohn rechten Grund/ fuͤr beſtaͤndig/ ausgegeben
werden. Denn man hat gar offt gemerckt/ daß nicht alle Zeit/ an dieſen/
ſondern auch am 8. 15. und 21. die Urtheil-Gemercke ſich eraͤugnet: dan-

nenhero
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[526/0566] Der vierzehende Discurs/ dennoch auch nicht verwerffen/ daß verſtaͤndige Medici ſolches hiebey nicht gar aus der Acht laſſen; wofern die dringende Noth nicht allen Sternen vordringt/ und ſie alle gleich haͤlt. Viel Medici geben frey- lich gar nichts darauf; iſt aber nicht zum beſten/ und anders nichts/ als eine Bemaͤntlung entweder ihrer Traͤgheit/ oder Unerfahrenheit/ in ſol- chen Obſervationen. Denn dieſe Ausrede/ es ſey Aberglaube/ eroͤffnet den kuͤrtzeſten und nechſten Weg/ bey der Ausflucht. Mancher Medi- cus verſteht die Artzney-Kunſt/ zum Theil/ trefflich wol; den Lauff deß Himmels aber gar nicht: darum faͤllt ihms gelegener und reputirlich/ zu antworten/ es ligt gar nichts an dem Geſtirn; weder alſo/ die Kraͤuter/ und andre Artzney-Mittel/ wie auch die Applici- rung/ und Zueignung derſelben/ ſind mir bekandt; mit den Sternen aber habe ich keine Kundſchafft. Was uns die Stern- deuter vorſchwaͤtzen iſt weder alles wahr/ noch alles falſch. Bisweilen gehen ſie/ uͤber die Schrancken Chriſtlicher Pflicht; nemlich die/ ſo Gluͤck und Leben dem Geſtirn/ als einer zwingenden und treibenden Urſach/ zu- ſchreiben/ oder ſonſt andre Begebenheit daraus/ und zwar unfehlbar/ weiſſagen wollen: bisweilen uͤberſehen ſie das/ welches man ſehen koͤnnte/ aus unvollkommener Erkuͤndigung deß Geſtirns. Unterdeſſen frage ich billig/ wenn die Kuhr nicht auch/ auf das Geſtirn/ mit ein Auge ſchlagen ſoll; woher denn die Urtheil- oder Gerichts-Taͤge der Herꝛen Medicorum ihre Quelle genommen? Woher/ bey den Mond-Bruͤchen/ ſolche Ver- aͤndrungen/ an den Patienten/ fuͤrgehen? Die gewißlich kein erfahrner Medicus wird leugnen. Forell. Solten ſolche Urtheil-Taͤge denn/ nach dem Mond und Geſtirn/ gerichtet ſeyn? Goldſtern. Wie anders? Und wenn der Medicus das Geſtirn nicht verſtehet/ kan er auch/ zum Urtheil/ keinen rechten Tag beſtimmen. Adlerhaupt. Warum nicht? Hat man doch durch lange und vielfaͤltige Erfahrung/ ſchon gewiſſe Taͤge dazu geſetzt; als zum Exempel/ den 7. 14. und zwantzigſten Tag/ zur guten Hoffnung (welches Chriſtli- cher geredt iſt/ als Urtheil) und diß wiſſen ja auch ſchier alle Leute nun- mehr/ ſo wol ungelehrte/ als gelehrte: wie ſolte denn ein Medicus noch erſt den Mond/ und die Stern/ daruͤber vernehmen muͤſſen? Goldſtern. Der gemeine Wahn haͤlt zwar ſolche Urtheil- oder Mutmaſſungs-Taͤge fuͤr beſtaͤndig: da ſie doch/ in der Warheit gantz ungewiß/ und derhalben ohn rechten Grund/ fuͤr beſtaͤndig/ ausgegeben werden. Denn man hat gar offt gemerckt/ daß nicht alle Zeit/ an dieſen/ ſondern auch am 8. 15. und 21. die Urtheil-Gemercke ſich eraͤugnet: dan- nenhero

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/566>, abgerufen am 20.05.2024.