Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.Der erste Discurs/ von der Natur aller Dinge/ welches allen natürlichen Sachen/ mittelbarer Weise/ durch sie/ das ist/durch ihre verliehene Krafft/ als durch ein mittelbares prin cipium oder Ursache/ den Trieb und Vewegung/ nemlich jedwedem Dinge/ nach sei- ner Art/ Ordnung/ und Natur/ ertheilet: gleichwie meine Glieder zwar allesämtlich/ von einer allgemeinen einigen Seelen/ jedoch jedwedes ver- mittelst seiner selbsteigenen Mäuse/ Adern/ Spann-Adern/ Nerven/ Sennen/ und körperlichen Geisterlein/ beweget werden. Eine andre Krafft hat das Auge; eine andre der Arm; eine andre die Zunge/ eine an- dre die Nase. Ein andrer Sinn ist der Geruch/ ein andrer der Ge- schmack ein andrer das Gehör und Gesicht: und obgleich alle solche Kräff- te/ alle solche Sinnen/ von der Seelen ihre Regierung haben müssen: seynd sie doch nicht die Seele selbst. Also/ ob gleich die natürliche Wür- ckung/ von dem ewig-sprechenden Wort/ ihr Wesen/ und Erhaltung hat: so ist sie doch darum nicht das ewige Wort Werde selbst; sondern ein erschaffenes Mittel/ wodurch das Wort/ seinen Willen werckstellig zu machen/ Belieben trägt: wiewol es denselben/ auch ohn solches Mit- tel/ vollenziehen könnte/ wenns ihm so gefiele; und solcher natürlichen Mittel eben nicht bedarff; derhalben es auch bisweilen/ über und ohn die Natur/ etwas thut; nichts aber destoweniger sich der Natur/ aus freyem Willen und Wolgefallen/ als seines Wercks/ ordentlicher Weise be- dient. Weßwegen ich mit dem Riolano dieser Meinung gar wol sagen (a) Riolan. l. de Princ. Phys. c. 3.kan/ die Natur sey nichts anders/ als eine Krafft GOttes. (a) Und mit dem Scaliger: sie sey ordinaria Dei potestas, die ordentliche (b) Scaliger Exercitat. 188. & 159.Macht/ oder Gewalt GOttes. (b) Jch rede jetzt aber nicht/ von einer allgemeinen Natur aller Dinge/ Schön-
Der erſte Discurs/ von der Natur aller Dinge/ welches allen natuͤrlichen Sachen/ mittelbarer Weiſe/ durch ſie/ das iſt/durch ihre verliehene Krafft/ als durch ein mittelbares prin cipium oder Urſache/ den Trieb und Vewegung/ nemlich jedwedem Dinge/ nach ſei- ner Art/ Ordnung/ und Natur/ ertheilet: gleichwie meine Glieder zwar alleſaͤmtlich/ von einer allgemeinen einigen Seelen/ jedoch jedwedes ver- mittelſt ſeiner ſelbſteigenen Maͤuſe/ Adern/ Spann-Adern/ Nerven/ Sennen/ und koͤrperlichen Geiſterlein/ beweget werden. Eine andre Krafft hat das Auge; eine andre der Arm; eine andre die Zunge/ eine an- dre die Naſe. Ein andrer Sinn iſt der Geruch/ ein andrer der Ge- ſchmack ein andrer das Gehoͤr und Geſicht: und obgleich alle ſolche Kraͤff- te/ alle ſolche Sinnen/ von der Seelen ihre Regierung haben muͤſſen: ſeynd ſie doch nicht die Seele ſelbſt. Alſo/ ob gleich die natuͤrliche Wuͤr- ckung/ von dem ewig-ſprechenden Wort/ ihr Weſen/ und Erhaltung hat: ſo iſt ſie doch darum nicht das ewige Wort Werde ſelbſt; ſondern ein erſchaffenes Mittel/ wodurch das Wort/ ſeinen Willen werckſtellig zu machen/ Belieben traͤgt: wiewol es denſelben/ auch ohn ſolches Mit- tel/ vollenziehen koͤnnte/ wenns ihm ſo gefiele; und ſolcher natuͤrlichen Mittel eben nicht bedarff; derhalben es auch bisweilen/ uͤber und ohn die Natur/ etwas thut; nichts aber deſtoweniger ſich der Natur/ aus freyem Willen und Wolgefallen/ als ſeines Wercks/ ordentlicher Weiſe be- dient. Weßwegen ich mit dem Riolano dieſer Meinung gar wol ſagen (a) Riolan. l. de Princ. Phyſ. c. 3.kan/ die Natur ſey nichts anders/ als eine Krafft GOttes. (a) Und mit dem Scaliger: ſie ſey ordinaria Dei poteſtas, die ordentliche (b) Scaliger Exercitat. 188. & 159.Macht/ oder Gewalt GOttes. (b) Jch rede jetzt aber nicht/ von einer allgemeinen Natur aller Dinge/ Schoͤn-
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Der erſte Discurs/ von der Natur aller Dinge/
welches allen natuͤrlichen Sachen/ mittelbarer Weiſe/ durch ſie/ das iſt/
durch ihre verliehene Krafft/ als durch ein mittelbares prin cipium oder
Urſache/ den Trieb und Vewegung/ nemlich jedwedem Dinge/ nach ſei-
ner Art/ Ordnung/ und Natur/ ertheilet: gleichwie meine Glieder zwar
alleſaͤmtlich/ von einer allgemeinen einigen Seelen/ jedoch jedwedes ver-
mittelſt ſeiner ſelbſteigenen Maͤuſe/ Adern/ Spann-Adern/ Nerven/
Sennen/ und koͤrperlichen Geiſterlein/ beweget werden. Eine andre
Krafft hat das Auge; eine andre der Arm; eine andre die Zunge/ eine an-
dre die Naſe. Ein andrer Sinn iſt der Geruch/ ein andrer der Ge-
ſchmack ein andrer das Gehoͤr und Geſicht: und obgleich alle ſolche Kraͤff-
te/ alle ſolche Sinnen/ von der Seelen ihre Regierung haben muͤſſen:
ſeynd ſie doch nicht die Seele ſelbſt. Alſo/ ob gleich die natuͤrliche Wuͤr-
ckung/ von dem ewig-ſprechenden Wort/ ihr Weſen/ und Erhaltung
hat: ſo iſt ſie doch darum nicht das ewige Wort Werde ſelbſt; ſondern
ein erſchaffenes Mittel/ wodurch das Wort/ ſeinen Willen werckſtellig
zu machen/ Belieben traͤgt: wiewol es denſelben/ auch ohn ſolches Mit-
tel/ vollenziehen koͤnnte/ wenns ihm ſo gefiele; und ſolcher natuͤrlichen
Mittel eben nicht bedarff; derhalben es auch bisweilen/ uͤber und ohn die
Natur/ etwas thut; nichts aber deſtoweniger ſich der Natur/ aus freyem
Willen und Wolgefallen/ als ſeines Wercks/ ordentlicher Weiſe be-
dient. Weßwegen ich mit dem Riolano dieſer Meinung gar wol ſagen
kan/ die Natur ſey nichts anders/ als eine Krafft GOttes. (a) Und
mit dem Scaliger: ſie ſey ordinaria Dei poteſtas, die ordentliche
Macht/ oder Gewalt GOttes. (b)
(a) Riolan.
l. de Princ.
Phyſ. c. 3.
(b) Scaliger
Exercitat.
188. & 159.
Jch rede jetzt aber nicht/ von einer allgemeinen Natur aller Dinge/
die alles mit einander verbindt/ und ſo mancherley unterſchiedliche Natu-
ren in einer lieblich-ſtrittigen Einigkeit/ zuſammen haͤlt: ſondern von
der Natur jegliches Weſens/ jeglicher Geſtalt/ und jedes Dinges inſon-
derheit; nemlich daß dieſelbe zwar/ durch das Wort Werde! ihr Weſen
und Erhaltung habe/ doch aber nicht darum das Wort/ und die unmit-
telbare Allmacht oder goͤttliche Krafft ſelbſt/ ſondern eine natuͤrliche ſey/
wodurch/ auf Befehl deß ewigen Worts/ jedwede Subſtantz/ und er-
ſchaffene Natur/ ihre ſonderbare Art und Bewegungen ſo lang behaͤlt/
als es dem Wort gefaͤllt. Denn das Wort iſt ewig/ und von Ewig-
keit her; die Naturen aber als zum Exempel der Thiere/ Voͤgel/ Fiſche/
zeitlich und vergaͤnglich: ob ſie gleich/ durch das ewige Wort/ werden/ und
bleiben/ ſo lang ſie ſollen. Jn Jhm leben/ und ſind wir; haben doch/ durch
und von Jhm/ jedweder ſein eigenes Leben/ eigene Seele/ eigene menſch-
liche Natur und Vernunfft/ wodurch wir/ als durch ſeine Geſchencke/ uns
regen/ bewegen/ und wircken.
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