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Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676.

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Der zwey und zwantzigste Discurs/
Gebrauch deß Rhabarbers (dessen Einnehmung ihr doch nur der Traum
eingebildet hatte) habe ihr hefftiges -Grimmen im Leibe geregt. Bald
darauf muß sie aus dem Bette/ und/ in etlichen Stunden/ mehr als sechs-
mal/ starck purgiren. Massen/ durch blosse Einbildung/ die bewegliche
Feuchtigkeiten fortgetrieben worden. (a)

Forell. Das ist wahr; die Einbildung thut bisweilen possirliche
Wunderwercke. Sie macht Gesunde jemalen kranck; Krancke gesund:
Sie tödtet bisweilen die Lebendigen/ und bringt die Halb-Todte wieder-
um zu Kräfften. Hievon findt man/ beym Schenckio/ Foresto/ (b) Quer-
cetano/ und vorangezeigtem Marcello Donato/ einen Uberfluß von Ex-
empeln: aber ein kurtzweiligers habe ich kaum irgendswo gelesen/ als die-
ses/ welches D. Johannes Georgius Greiselius/ mit diesen Umständen/
beschreibt.

Ein Mann von zwey und viertzig Jahren/ ward zum öfftern/ mit
der Cholic (oder Darm-Gicht) angegriffen; wiewol doch so grausam
hart nicht/ daß nicht das Grimmen durch gute Klistier allezeit gestillet
wäre: worauf ihm eine viscofische/ und gleich einem ausgiessen dem Wein
durchscheinende Materi abgangen. Gegen Abend/ um den Untergang
der Sonnen/ hebt er an/ über innerliches Frieren/ zu klagen; da die Son-
ne doch sonst/ den gantzen Tag über/ sehr heiß geschienen. Gleich damit
bekommt er wieder die gewöhnliche Cholic/ fällt auch in Ohnmächte.
Man versucht dagegen alle ersinnliche Mittel umsonst. Jhm wurden
warme Steine applicirt: aber er fühlte sie nicht: Klistier gesetzt; aber es
gieng gleiche Materi von ihm/ wie vorhin/ sonder Schmertzen. Man gab
ihm ein Laxativ: welches zwar ziemlich würckte: aber die Zufälle vermehr-
ten sich: also/ daß/ in 18. oder 19. Stunden/ dergute Mann/ ohn eini-
ges gewaltsames Zucken/ wie zwar sonst/ in den letzten Zügen/ wol zu ge-
schehen pflegt/ gar sanfft verschied/ und die Umstehende anfangs vielmehr
glaubten/ er wäre nur ein wenig eingeschlummert.

Ungewöhn-
lich-feister
Mensch.
Dieser unvermutete Todes-Fall verursachte die nächsten Freunde/
daß sie gedachten D. Greisel zu sich erbitten lassen/ mit Begehren/ den
Leichnam zu öffnen/ und die Ursachen eines so schleunigen Endes zu er-
kundigen. Welcher/ Gegenwarts deß Ordinar-Medici/ gleich beym er-
sten Schnitt deß Wansts/ ein so häuffiges Fett gefunden/ dergleichen nie-
mand jemals/ in einer gemästeten Sau/ ob sie gleich die allerfeisteste wä-
re/ angetroffen: angemerckt/ die Tieffe solches Fetts sich/ über einen
Schuh/ erstreckte/ und/ vor solcher überhäufften Fettigkeit/ kein einiges

Mäus-
(a) v. Observat. CCXXXIV. anni tertii Acad. Curios.
(b) Observat. Medic. lib. 10.

Der zwey und zwantzigſte Discurs/
Gebrauch deß Rhabarbers (deſſen Einnehmung ihr doch nur der Traum
eingebildet hatte) habe ihr hefftiges -Grimmen im Leibe geregt. Bald
darauf muß ſie aus dem Bette/ und/ in etlichen Stunden/ mehr als ſechs-
mal/ ſtarck purgiren. Maſſen/ durch bloſſe Einbildung/ die bewegliche
Feuchtigkeiten fortgetrieben worden. (a)

Forell. Das iſt wahr; die Einbildung thut bisweilen poſſirliche
Wunderwercke. Sie macht Geſunde jemalen kranck; Krancke geſund:
Sie toͤdtet bisweilen die Lebendigen/ und bringt die Halb-Todte wieder-
um zu Kraͤfften. Hievon findt man/ beym Schenckio/ Foreſto/ (b) Quer-
cetano/ und vorangezeigtem Marcello Donato/ einen Uberfluß von Ex-
empeln: aber ein kurtzweiligers habe ich kaum irgendswo geleſen/ als die-
ſes/ welches D. Johannes Georgius Greiſelius/ mit dieſen Umſtaͤnden/
beſchreibt.

Ein Mann von zwey und viertzig Jahren/ ward zum oͤfftern/ mit
der Cholic (oder Darm-Gicht) angegriffen; wiewol doch ſo grauſam
hart nicht/ daß nicht das Grimmen durch gute Kliſtier allezeit geſtillet
waͤre: worauf ihm eine viſcofiſche/ und gleich einem ausgieſſen dem Wein
durchſcheinende Materi abgangen. Gegen Abend/ um den Untergang
der Sonnen/ hebt er an/ uͤber innerliches Frieren/ zu klagen; da die Son-
ne doch ſonſt/ den gantzen Tag uͤber/ ſehr heiß geſchienen. Gleich damit
bekommt er wieder die gewoͤhnliche Cholic/ faͤllt auch in Ohnmaͤchte.
Man verſucht dagegen alle erſinnliche Mittel umſonſt. Jhm wurden
warme Steine applicirt: aber er fuͤhlte ſie nicht: Kliſtier geſetzt; aber es
gieng gleiche Materi von ihm/ wie vorhin/ ſonder Schmertzen. Man gab
ihm ein Laxativ: welches zwar ziemlich wuͤrckte: aber die Zufaͤlle vermehr-
ten ſich: alſo/ daß/ in 18. oder 19. Stunden/ dergute Mann/ ohn eini-
ges gewaltſames Zucken/ wie zwar ſonſt/ in den letzten Zuͤgen/ wol zu ge-
ſchehen pflegt/ gar ſanfft verſchied/ und die Umſtehende anfangs vielmehr
glaubten/ er waͤre nur ein wenig eingeſchlummert.

Ungewoͤhn-
lich-feiſter
Menſch.
Dieſer unvermutete Todes-Fall verurſachte die naͤchſten Freunde/
daß ſie gedachten D. Greiſel zu ſich erbitten laſſen/ mit Begehren/ den
Leichnam zu oͤffnen/ und die Urſachen eines ſo ſchleunigen Endes zu er-
kundigen. Welcher/ Gegenwarts deß Ordinar-Medici/ gleich beym er-
ſten Schnitt deß Wanſts/ ein ſo haͤuffiges Fett gefunden/ dergleichen nie-
mand jemals/ in einer gemaͤſteten Sau/ ob ſie gleich die allerfeiſteſte waͤ-
re/ angetroffen: angemerckt/ die Tieffe ſolches Fetts ſich/ uͤber einen
Schuh/ erſtreckte/ und/ vor ſolcher uͤberhaͤufften Fettigkeit/ kein einiges

Maͤus-
(a) v. Obſervat. CCXXXIV. anni tertii Acad. Curioſ.
(b) Obſervat. Medic. lib. 10.
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[1442/1520] Der zwey und zwantzigſte Discurs/ Gebrauch deß Rhabarbers (deſſen Einnehmung ihr doch nur der Traum eingebildet hatte) habe ihr hefftiges -Grimmen im Leibe geregt. Bald darauf muß ſie aus dem Bette/ und/ in etlichen Stunden/ mehr als ſechs- mal/ ſtarck purgiren. Maſſen/ durch bloſſe Einbildung/ die bewegliche Feuchtigkeiten fortgetrieben worden. (a) Forell. Das iſt wahr; die Einbildung thut bisweilen poſſirliche Wunderwercke. Sie macht Geſunde jemalen kranck; Krancke geſund: Sie toͤdtet bisweilen die Lebendigen/ und bringt die Halb-Todte wieder- um zu Kraͤfften. Hievon findt man/ beym Schenckio/ Foreſto/ (b) Quer- cetano/ und vorangezeigtem Marcello Donato/ einen Uberfluß von Ex- empeln: aber ein kurtzweiligers habe ich kaum irgendswo geleſen/ als die- ſes/ welches D. Johannes Georgius Greiſelius/ mit dieſen Umſtaͤnden/ beſchreibt. Ein Mann von zwey und viertzig Jahren/ ward zum oͤfftern/ mit der Cholic (oder Darm-Gicht) angegriffen; wiewol doch ſo grauſam hart nicht/ daß nicht das Grimmen durch gute Kliſtier allezeit geſtillet waͤre: worauf ihm eine viſcofiſche/ und gleich einem ausgieſſen dem Wein durchſcheinende Materi abgangen. Gegen Abend/ um den Untergang der Sonnen/ hebt er an/ uͤber innerliches Frieren/ zu klagen; da die Son- ne doch ſonſt/ den gantzen Tag uͤber/ ſehr heiß geſchienen. Gleich damit bekommt er wieder die gewoͤhnliche Cholic/ faͤllt auch in Ohnmaͤchte. Man verſucht dagegen alle erſinnliche Mittel umſonſt. Jhm wurden warme Steine applicirt: aber er fuͤhlte ſie nicht: Kliſtier geſetzt; aber es gieng gleiche Materi von ihm/ wie vorhin/ ſonder Schmertzen. Man gab ihm ein Laxativ: welches zwar ziemlich wuͤrckte: aber die Zufaͤlle vermehr- ten ſich: alſo/ daß/ in 18. oder 19. Stunden/ dergute Mann/ ohn eini- ges gewaltſames Zucken/ wie zwar ſonſt/ in den letzten Zuͤgen/ wol zu ge- ſchehen pflegt/ gar ſanfft verſchied/ und die Umſtehende anfangs vielmehr glaubten/ er waͤre nur ein wenig eingeſchlummert. Dieſer unvermutete Todes-Fall verurſachte die naͤchſten Freunde/ daß ſie gedachten D. Greiſel zu ſich erbitten laſſen/ mit Begehren/ den Leichnam zu oͤffnen/ und die Urſachen eines ſo ſchleunigen Endes zu er- kundigen. Welcher/ Gegenwarts deß Ordinar-Medici/ gleich beym er- ſten Schnitt deß Wanſts/ ein ſo haͤuffiges Fett gefunden/ dergleichen nie- mand jemals/ in einer gemaͤſteten Sau/ ob ſie gleich die allerfeiſteſte waͤ- re/ angetroffen: angemerckt/ die Tieffe ſolches Fetts ſich/ uͤber einen Schuh/ erſtreckte/ und/ vor ſolcher uͤberhaͤufften Fettigkeit/ kein einiges Maͤus- Ungewoͤhn- lich-feiſter Menſch. (a) v. Obſervat. CCXXXIV. anni tertii Acad. Curioſ. (b) Obſervat. Medic. lib. 10.

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Zitationshilfe: Francisci, Erasmus: Das eröffnete Lust-Haus Der Ober- und Nieder-Welt. Nürnberg, 1676, S. 1442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/francisci_lusthaus_1676/1520>, abgerufen am 17.05.2024.