konnte er doch keinen Augenblick daran glau- ben; ein seltsamer Schauder zog durch sein Inn- res; unfähig ein Wort hervorzubringen, starrte er unverwandten Auges die holde Erzählerin an. Diese schüttelte betrübt den Kopf, seufzte aus vollem Herzen, und fuhr alsdann folgendermaa- ßen fort.
Wir wären weit besser daran, als Ihr an- dern Menschen; -- denn Menschen nennen wir uns auch, wie wir es denn der Bildung und dem Leibe nach sind; -- aber es ist ein gar Uebles dabei. Wir, und unsres Gleichen in den andern Elementen, wir verstieben und vergehn mit Geist und Leib, daß keine Spur von uns rückbleibt, und wenn Ihr Andern dermaleinst zu einem reinern Leben erwacht, sind wir geblie- ben, wo Sand und Funk' und Wind und Welle blieb. Darum haben wir auch keine Seelen; das Element bewegt uns, gehorcht uns oft, so lange wir leben, zerstäubt uns immer, so bald wir sterben, und wir sind lustig, ohne uns irgend zu grämen, wie es die Nachtigallen und
konnte er doch keinen Augenblick daran glau- ben; ein ſeltſamer Schauder zog durch ſein Inn- res; unfaͤhig ein Wort hervorzubringen, ſtarrte er unverwandten Auges die holde Erzaͤhlerin an. Dieſe ſchuͤttelte betruͤbt den Kopf, ſeufzte aus vollem Herzen, und fuhr alsdann folgendermaa- ßen fort.
Wir waͤren weit beſſer daran, als Ihr an- dern Menſchen; — denn Menſchen nennen wir uns auch, wie wir es denn der Bildung und dem Leibe nach ſind; — aber es iſt ein gar Uebles dabei. Wir, und unſres Gleichen in den andern Elementen, wir verſtieben und vergehn mit Geiſt und Leib, daß keine Spur von uns ruͤckbleibt, und wenn Ihr Andern dermaleinſt zu einem reinern Leben erwacht, ſind wir geblie- ben, wo Sand und Funk’ und Wind und Welle blieb. Darum haben wir auch keine Seelen; das Element bewegt uns, gehorcht uns oft, ſo lange wir leben, zerſtaͤubt uns immer, ſo bald wir ſterben, und wir ſind luſtig, ohne uns irgend zu graͤmen, wie es die Nachtigallen und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0099"n="85"/>
konnte er doch keinen Augenblick daran glau-<lb/>
ben; ein ſeltſamer Schauder zog durch ſein Inn-<lb/>
res; unfaͤhig ein Wort hervorzubringen, ſtarrte<lb/>
er unverwandten Auges die holde Erzaͤhlerin an.<lb/>
Dieſe ſchuͤttelte betruͤbt den Kopf, ſeufzte aus<lb/>
vollem Herzen, und fuhr alsdann folgendermaa-<lb/>
ßen fort.</p><lb/><p>Wir waͤren weit beſſer daran, als Ihr an-<lb/>
dern Menſchen; — denn Menſchen nennen wir<lb/>
uns auch, wie wir es denn der Bildung und<lb/>
dem Leibe nach ſind; — aber es iſt ein gar<lb/>
Uebles dabei. Wir, und unſres Gleichen in den<lb/>
andern Elementen, wir verſtieben und vergehn<lb/>
mit Geiſt und Leib, daß keine Spur von uns<lb/>
ruͤckbleibt, und wenn Ihr Andern dermaleinſt<lb/>
zu einem reinern Leben erwacht, ſind wir geblie-<lb/>
ben, wo Sand und Funk’ und Wind und<lb/>
Welle blieb. Darum haben wir auch keine<lb/>
Seelen; das Element bewegt uns, gehorcht uns<lb/>
oft, ſo lange wir leben, zerſtaͤubt uns immer, ſo<lb/>
bald wir ſterben, und wir ſind luſtig, ohne uns<lb/>
irgend zu graͤmen, wie es die Nachtigallen und<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[85/0099]
konnte er doch keinen Augenblick daran glau-
ben; ein ſeltſamer Schauder zog durch ſein Inn-
res; unfaͤhig ein Wort hervorzubringen, ſtarrte
er unverwandten Auges die holde Erzaͤhlerin an.
Dieſe ſchuͤttelte betruͤbt den Kopf, ſeufzte aus
vollem Herzen, und fuhr alsdann folgendermaa-
ßen fort.
Wir waͤren weit beſſer daran, als Ihr an-
dern Menſchen; — denn Menſchen nennen wir
uns auch, wie wir es denn der Bildung und
dem Leibe nach ſind; — aber es iſt ein gar
Uebles dabei. Wir, und unſres Gleichen in den
andern Elementen, wir verſtieben und vergehn
mit Geiſt und Leib, daß keine Spur von uns
ruͤckbleibt, und wenn Ihr Andern dermaleinſt
zu einem reinern Leben erwacht, ſind wir geblie-
ben, wo Sand und Funk’ und Wind und
Welle blieb. Darum haben wir auch keine
Seelen; das Element bewegt uns, gehorcht uns
oft, ſo lange wir leben, zerſtaͤubt uns immer, ſo
bald wir ſterben, und wir ſind luſtig, ohne uns
irgend zu graͤmen, wie es die Nachtigallen und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Fouqué, Friedrich de la Motte: Undine, eine Erzählung. In: Die Jahreszeiten. Eine Vierteljahrsschrift für romantische Dichtungen, 1811, Frühlings-Heft, S. 1–189, hier S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fouque_undine_1811/99>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.